Bereits seit mehr als sechs Jahren betreiben die beiden Journalisten Udo Stiehl und Sebastian Pertsch mit der "Floskelwolke" ein sprach- und medienkritisches Webprojekt, das eigenen Angaben zufolge "dem professionellen Nachrichtengeschäft den Spiegel vorhalten soll", indem unter anderem Floskeln, Phrasen und weitere fragwürdige Formulierungen in deutschsprachigen Nachrichtentexten kritisiert werden - mit dem Ziel, für Sprache zu sensibilisieren.
Auch DWDL.de traf die Sprachkritik der "Floskelwolke" - erst jüngst, als wir dem ZDF vor dem Hintergrund der schwachen Quoten von "Das Boot" attestierten, "Schiffbruch" zu erleiden. Der Kommentar der "Floskelwolke": "Geht schon wieder eine Schlagzeile auf Tauchfahrt?"
Immerhin: Eine Auszeichnung mit dem neuen Negativpreis der "Floskelwolke" blieb uns erspart - wohl auch, weil es weitaus schlimmere Formulierungen gab, die sich für die "Floskel des Jahres" anboten. Den ersten Platz belegt die Floskel "Einzelfälle". "Schon der 'Einzelfall' kann als Euphemismus betrachtet werden. Doch Polizei und Politik haben mit der Verharmlosung von Rechtsextremismus in den Behörden eine unrühmliche Komposition erfunden: die 'Einzelfälle'", so die Begründung. "Ein innerer Widerspruch, der in unserem demokratischen Rechtsstaat brandgefährlich ist."
Platz 2 geht an die Floskel "Corona-Leugner" - ein Kompositum, das an sich selbst scheitere, wie es heißt. "Natürlich sind alle gegen das Virus - gemeint werden jedoch Gegner der Pandemie-Politik. Wer Schlagworte sinnlos verkürzt oder sinnlos verkürzte Schlagworte in Umlauf bringt, wird mit Spott nicht unter fünf Jahren bestraft." Auch die Begriffe "Europäische Lösung", "Clan-Kriminalität" und "Fremdenfeindlichkeit" zählen zu den "Floskeln des Jahres".
"Mit der Floskelwolke wollten wir eigentlich nie einen Preis vergeben. Denn unser Prinzip ist, nicht ein Medium oder sogar Kolleginnen und Kollegen anzuprangern, sondern den Begriff oder die Wortwahl", sagt Udo Stiehl. Daher sei daraus nun ein ein Wettbewerb "um die Inhalte, nicht um die Überbringer" geworden. Sebastian Pertsch: "Mit der Auszeichnung mit dem Negativpreis erhoffen wir uns, dass gerade in den Nachrichten, aber auch generell im Journalismus, in der die Sprache das wichtigste Werkzeug ist, künftig sensibler und intelligenter mit ihr umgegangen wird."