Wie das "Wall Street Journal" am Mittwochmittag US-Westküstenzeit vermeldet, steht die Quibi Holding LLC, das Unternehmen hinter dem Streamingdienst Quibi, vor der Abwicklung - und das gerade einmal sechs Monate nach dem im Vorfeld mit viel Pauken und Trompeten angekündigten Launch des Dienstes, der sich mit exklusivem Short Form Content für mobile Endgeräte von anderen Streamingdiensten abheben wollte, die zunehmend auch die großen Screens in den Wohnzimmern eroberten. Quibi bot seinen Inhalt in fünf- bis zehnminütigen "Kapiteln" an.
Laut "WSJ" hat Gründer Jeffrey Katzenberg am Mittwoch Quibi-Investoren über die Abschaltung des Dienstes informiert. Unter Berufung auf Personen, die mit den Vorgängen vertraut sind, berichtet die Zeitung weiter, Katzenberg und seine CEO Meg Whitman wollen das Abenteuer lieber jetzt beenden, um den Investoren insgesamt 350 Millionen Dollar zurückzahlen zu können statt aussichtslos länger in Quibi zu investieren. Eine offizielle Bestätigung dieses Berichts stand bis zum frühen Donnerstagmorgen (deutscher Zeit) noch aus.
Es ist die vorläufig spektakulärste Bruchlandung, die der über die vergangenen Jahre scheinbar grenzenlos wachsende Streaming-Wettbewerb zu verzeichnen hat. Und das nach anderthalb Jahren Vorgeschichte in denen Gründer Jeffrey Katzenberg und Meg Whitman keine Bühne ausließen, um bei ihren Auftritten nicht weniger als eine Revolution des Streamings zu versprechen. Mit Erfolg: Quibi galt einigen Beobachtern vor dem Start als vielversprechender Newcomer.
Die Fallhöhe des Scheiterns ist daher nun umso höher. Nicht ganz unschuldig daran ist die Corona-Pandemie: Als Streamimgdienst für eine mobile Gesellschaft war Quibi ausgelegt auf den Konsum via Smartphones, eine App für größere Screen gab es anfangs ganz bewusst nicht. Doch zum offiziellen Start in den USA im April war die Mobilität durch Corona-Beschränkungen, Home Office und geschlossene Schulen stark eingeschränkt. Die Nutzungssituationen für die Quibi gedacht war, entfielen weitgehend.
Viel gewagt, wenig erreicht
Eine Erkenntnis, die bei Quibi allerdings erst zwei Monate reifen musste bevor man die Nutzung des Dienstes via Chromecast oder Apple TV ab Juni dann auch auf großen Bildschirmen ermöglichte. Dort jedoch sah sich Quibi im US-amerikanischen Heimatmarkt gleich mehreren anderen neu gestarteten Diensten gegenüber, wie etwa Apple TV+, Disney+, HBO Max und Peacock. Die kurzen Formate von Quibi, ob gleich teilweise innovativ, waren auf dem großen Bildschirm kein vielversprechendes Merkmal mehr.
Dabei sparte man nicht an prominenten Namen für seine erste Eigenproduktionen, machte sich insbesondere 2019 in Hollywood einen Ruf als Big Spender mit horrenden Gagen. Christoph Walz und Liam Hemsworth als Hauptdarsteller in "Most Dangerous Game" sind ein Beispiel, zwei gerade erst im September gewonnene Emmys für die Hauptrollen von Laurence Fishburne und Jasmine Cephas Jones in "#freeRayshawn" ein anderes. Laut "Wall Street Journal" will Quibi seinen Content im Rahmen der Abwicklung an andere Plattformen lizenzieren.
Die Faszination im Markt lag auch in der langen Hollywood-Karriere von Jeffrey Katzenberg begründet, der einst das Filmgeschäft von Walt Disney verantwortete, bevor er in den 90er Jahren zusammen mit Partnern das neue Hollywoodstudio DreamWorks gründete, und dessen Animation-Tochter DreamWorksAnimation bis zur Übernahme durch NBCUniversal in 2016 führte, wobei Film-Franchises wie "Shrek", "Madagascar" oder "Kung Fu Panda" entstanden sind. Die Story hinter Quibi: "Ein alter Hase will es noch einmal wissen" - und sammelte dafür immerhin stolze 1,75 Milliarden Dollar von Investoren wie Disney, NBCUnivrsal und WarnerMedia ein.
Es greift jedoch zu kurz, wenn es nun allein die Corona-Pandemie gewesen sein soll, die Quibi hat scheitern lassen. Schon im Vorfeld des Starts wurde die Frage laut, wie revolutionär die Idee eines kostenpflichtigen Streamingdienstes für Short Form-Content wirklich ist. Kostenlos nutzt die junge Zielgruppe bereits Angebote wie YouTube und das in der Corona-Pandemie dann nochmals enorm gewachsene TikTok. Und bei großen fiktionalen Stoffen hat sich zwischen allerersten Planungen für Quibi 2017 und dessen Marktstart drei Jahre später die Erkenntnis durchgesetzt, dass auch diese durchaus auf mobilen Endgeräten gesehen werden.