In seinem ersten Interview als Vorstandschef der ProSiebenSat.1 Media SE fliegen Rainer Beaujean im Gespräch mit dem "Handelsblatt" zunächst einmal die naheliegenden Probleme um die Ohren: Corona-Krise, sein Vorgänger Max Conze ("Jeder hat seinen eigenen Stil") und den Abgang mehrerer führender Manager inklusive Conrad Albert ("Es wird immer Leute geben, die gehen, und andere, die kommen.")
Beaujean, der den Konzern derzeit weitgehend aus dem Home Office im nordrhein-westfälischen Meerbusch führt, schlägt sich tapfer. Große Neuigkeiten gibt es nicht, aber eine Erklärung des eingeschlagenen Kurses: Mehr Entertainment, weniger Gedöns - außer Dating, das ist dufte. Die von Vor-Vorgänger Thomas Ebeling etablierte E-Commerce-Strategie sei damals nicht falsch gewesen, komme aber jetzt auf den Prüfstand.
"Wir fokussieren uns auf die Beteiligungen, die klare Synergien mit unserem Kerngeschäft haben. Und wir sind dabei sehr viel stärker ergebnisorientiert. In der Vergangenheit stand Umsatzwachstum im Fokus. Das ist natürlich weiter wichtig, aber nicht mehr an erster Stelle", sagt Beaujean. Er will realen Erfolg statt Wachstumsfantasien. Von einem "Bekenntnis zum deutschsprachigen Raum" spricht der Vorstandschef, wenn es um die Investitionen ins Kerngeschäft Entertainment geht, das in der neuen Seven.One Entertainment Group gebündelt wird.
Dort spart man vergleichsweise wenig, einen Stellenabbau soll es auch nicht geben. Kurzarbeit sei auch "so gut wie beendet". "Gleichzeitig ist aber auch klar, dass wir aktuell nicht viele Leute einstellen", sagt Beaujean, dessen merkwürdigste Aussage im "Handelsblatt"-Interview möglicherweise die zu den aktuellen Wettbewerbsbedingungen ist: "Momentan kommen keine neuen Filme und Serien von Disney oder Netflix. Das ist ein guter Moment, unsere Plattformen mit Inhalten neu zu positionieren." Eine sehr exklusive Sichtweise.
Die Entwicklung der Werbeerlöse unter den gegebenen Umständen bezeichnet der ProSiebenSat.1-Vorstandschef als solide: "Ich rechne im September mit einem Minus bei den Werbeerlösen von weniger als zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Damit stehen wir gegenüber dem Wettbewerb gut da. Der Oktober wird ähnlich starten." Wünschen würde er sich natürlich mehr, setzt die Hoffnungen auf die "großen Monate" September bis Dezember. "Eine Prognose werde ich deshalb erst Anfang November veröffentlichen, dann haben wir zwei wichtige Monate hinter uns", sagt er.
Die von ihm schon vergangenes Jahr als Finanzvorstand definierte Rendite der ProSiebenSat.1 Media SE von 15 Prozent werde im Corona-Jahr 2020 schwer erreichbar. "Aber in normalen Zeiten schaffen wir das mit einem vernünftigen Portfoliomanagement zeitnah. Was aufs Kerngeschäft einzahlt, behalten wir. Der Rest kommt ins Schaufenster oder wird auch mal geschlossen." Auf die internationale Positionierung im Dating-Business nach jüngstem Zukauf ist Beaujean allerdings schon stolz - ein bisschen Fantasie muss man den Analysten und Anlegern eben doch lassen.
Insbesondere mit Blick auf den Aktienkurs. Oder wie Beaujean es selbst sagt: "Der ein oder andere Analyst und Anleger erkennt den Gesamtwert von Pro Sieben Sat 1 eben noch nicht. Deshalb weisen wir ab dem dritten Quartal unser neues Segment der Partnervermittlung separat aus. Darin ist das Geschäft der Parship-Gruppe und des US-Zukaufs The Meet Group gebündelt. Auch mit dem geplanten Teil-IPO dieses Bereichs wollen wir zeigen, wie viel Substanz in Pro Sieben Sat 1 steckt und dass wir mehr sind als ein rein lineares TV-Unternehmen."