Anfang Juli beschloss die Bundesregierung im Rahmen ihres Corona-Hilfspakets auch die Schaffung eines mit 50 Millionen Euro ausgestatteten Ausfallfonds, der bei möglichen erneuten corona-bedingten Produktionsunterbrechungen die dadurch anfallenden Mehrkosten auffangen soll - beschränkt wurde dieser allerdings auf die Produktion von Kinofilmen sowie "hochwertigen Serien". Der weitaus größte Teil des Produktionsgeschehens, der sich aufs Fernsehen bezieht, ist damit gar nicht davon erfasst. Um auch diese Produktionen nicht mit den wirtschaftlichen Risiken alleine zu lassen, wird seither die Schaffung eines zweiten Fonds diskutiert, der maßgeblich von den Bundesländern gestützt werden soll - entsprechende unverbindliche Zusagen gab es dazu schnell aus Bayern, NRW und Berlin.
Das war bereits Anfang Juli - doch geschehen ist seither wenig. Anfang August verlängerten ARD und ZDF ihre eigentlich bis Ende Juli befristete Zusage, die anfallenden Mehrkosten zumindest zur Hälfte zu tragen, noch einmal - allerdings befristet bis Ende des Monats bzw. Mitte September, verbunden mit der Forderung nach Schaffung des Fonds. Doch die Tage scheinen ins Land zu gehen, ohne dass sich in dieser Hinsicht viel tut. Nun haben sich daher 39 Verbände der Film- und Fernsehbranche - von Produzentenverbänden bis zu den Vertretungen einzelner Gewerke - noch einmal mit einem dringenden Appell an die Politik, aber auch die Sender und Streaming-Dienste gewandt, endlich zu Potte zu kommen.
"Die Zeit drängt", heißt es in dem Schreiben. "Die aktuelle Lage ist geprägt von starker Unsicherheit – zumal kleine und mittelständische TV- und Filmproduktionsfirmen die Risiken von pandemiebedingten Drehausfällen nicht alleine tragen können." Dadurch würden sich Drehs verschieben und in weitere Konsequenz womöglich ganz abgesagt. Schon eine Verschiebung habe unmittelbare wirtschaftliche Folgen für alle Beteiligten. "Ohne schnelle Lösung für einen Ausfallfonds erwächst eine massive Gefährdung der Wirtschaftskraft der deutschen Film- und Fernsehindustrie – sowie eine existentielle Bedrohung für die ohnehin von den Corona-Folgen stark betroffenen Produzent*innen, Distributoren und Film- und Fernsehschaffenden." Konkret fordert man: "Wir sehen die Länder in der Pflicht, erste positive Signale aus Bayern, NRW und Berlin in ein länderübergreifendes Konzept zur Finanzierung und Verwaltung eines Ausfallfonds zu überführen und möglichst mit dem Fondskonzept der BKM zu verzahnen. Auch TV-Sender und SVOD-Plattformen sollten Kompromissfähigkeit zeigen."
Im Folgenden dokumentieren wir den gemeinsamen Appell von 39 Verbänden der Film- und Fernsehbranche im Wortlaut:
Wir brauchen den Ausfallfonds für TV-Produktionen. Jetzt!
Die Zeit drängt. Auf Initiative der Deutschen Akademie für Fernsehen, des Verbands Deutscher Drehbuchautoren und des Bundesverbands Regie appellieren 39 Verbände und Organisationen der Film- und Fernsehbranche gemeinsam an die Politik auf Landesebene, die Sender und SVOD-Anbieter, in der Frage der Finanzierung eines Ausfallfonds für pandemiebedingte Schäden bei TV-Produktionen endlich eine pragmatische und für alle Parteien wirtschaftlich tragfähige Lösung zu finden.
Auf Bundesebene hat die Politik bereits reagiert. Die von der BKM im Programm NEUSTART KULTUR bereitgestellten 50 Millionen für Kino- und High-End-Produktionen sind ein wichtiger und erfreulicher erster Schritt. Die Mittel erreichen aber nur einen Teil der Produktionen und sind somit tatsächlich nur ein erster Baustein.
Über 80 % der in Deutschland produzierten Filminhalte sind TV-Produktionen. TV-Produktionen bilden die wirtschaftliche Basis der Filmschaffenden und Produzenten in Deutschland.
Wir sehen die Länder in der Pflicht, erste positive Signale aus Bayern, NRW und Berlin in ein länderübergreifendes Konzept zur Finanzierung und Verwaltung eines Ausfallfonds zu überführen und möglichst mit dem Fondskonzept der BKM zu verzahnen. Auch TV-Sender und SVOD-Plattformen sollten Kompromissfähigkeit zeigen.
Von der Absicherung der bisher von Versicherungen nicht getragenen Pandemierisiken bei TV-Produktionen hängt es ab, in welcher Breite und Intensität Dreharbeiten in Deutschland umgesetzt werden können. Die aktuelle Lage ist geprägt von starker Unsicherheit – zumal kleine und mittelständische TV- und Filmproduktionsfirmen die Risiken von pandemiebedingten Drehausfällen nicht alleine tragen können.
Die Verzögerung der Finanzierung des Ausfallfonds führt zwangsläufig zu Verzögerungen von TV-Projekten.
Jede Verzögerung eines TV-Projekts hat dabei unmittelbar gravierende wirtschaftliche Folgen für die betroffenen Autor*innen, Regisseur*innen, Schauspieler*innen, Filmschaffenden, Produzent*innen und Distributoren. Anfallende Mehrkosten werden bei länger anhaltender Pandemie kaum von Sendern und Produzenten allein zu stemmen sein. Ein länger anhaltender Drehstau – zumal in der Hauptdrehzeit in Sommer und Frühherbst – vermindert zugleich die Realisierungswahrscheinlichkeit von angeschobenen Projekten, führt zu Projektaufgaben bzw. verhindert in der Folge Neuaufträge und Stoffentwicklungen.
Die Film- und Fernsehindustrie generiert laut BMWI-Studie (2017) Gesamtumsätze von jährlich mehr als 13 Milliarden Brutto. Als Wachstumsbranche ist sie dabei existentiell auf die Leistung der Kreativen, die kontinuierliche Herstellung von Inhalten und einen hochtourig laufenden Motor der Produktionen angewiesen – in voller Breite und Vielfalt der Inhalte und Formate.
Ohne schnelle Lösung für einen Ausfallfonds erwächst eine massive Gefährdung der Wirtschaftskraft der deutschen Film- und Fernsehindustrie – sowie eine existentielle Bedrohung für die ohnehin von den Corona-Folgen stark betroffenen Produzent*innen, Distributoren und Film- und Fernsehschaffenden.
Eine Negativspirale, die sich am Ende auch auf die internationale Konkurrenzfähigkeit der deutschen Film- und TV-Branche auswirkt – zumal in anderen Ländern wie Großbritannien, Österreich, Frankreich etc. bereits praktikable politische Lösungen für Ausfallfonds gefunden worden sind, die neben Kino- auch Fernsehproduktionen abdecken.
Der Ausfallfonds ermöglicht eine wirtschaftliche Absicherung in zweifacher Hinsicht – im besten Fall, ohne dass Gelder abfließen.
Die im Ausfallfonds hinterlegten Gelder sichern pandemiebedingte Risiken der Produktionen ab. Gleichzeitig lösen sie durch Belebung der Dreharbeiten erhebliche wirtschaftliche Effekte aus und sichern Aufträge und Beschäftigung in der Film- und TV-Branche. Ein doppelter Effekt, bei dem idealerweise die hinterlegten Gelder gar nicht oder nur zu einem kleinen Teil im Schadensfall verbraucht werden.
Die TV- und Filmbranche in Deutschland, die Filmschaffenden, Produktionsfirmen und Distributoren haben sich in den letzten Monaten mit viel Energie und Flexibilität auf Corona und seine Folgen eingestellt. Was fehlt, sind Rahmenbedingungen, um die Dreharbeiten zeitnah wieder in voller Breite hochfahren zu können.
Deshalb appellieren wir an die beteiligten Akteure: handeln Sie jetzt!
AG DOK - Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm
BFFS - Bundesverband der Film- und Fernsehschauspieler e.V.
BFS - Bundesverband Filmschnitt Editor e. V.
BHP - Bundesverband Herstellungs- und Produktionsleitung
BVB - Bundesverband Beleuchtung und Kamerabühne e. V.
BVC - Bundesverband Casting e.V.
Bvft - Berufsvereinigung Filmton e.V.
BVK - Berufsverband Kinematografie e.V.
BVL - Bundesverband Locationscout e.V.
BVM - Bundesvereinigung Maskenbild e.V.
BVP - Bundesverband Produktion e. V.
BVR - Bundesverband Regie e.V.
BVS - Bundesverband deutscher Stuntleute e.V.
CC - Composers Club
Crew United
DAfF - Deutsche Akademie für Fernsehen e.V.
DEFKOM - Deutsche Filmkomponistenunion
DTKV - Deutscher Tonkünstlerverband e.V.
FuMV - Film und Medienverband NRW e.V.
FVSW - Filmverband Südwest e.V.
Green Film & TV Consultants e.V.
IDS - Interessenverband Deutscher Schauspieler e.V.
IGLBM - IG Licht und Bühne
Media Music e. V.
MFFV - Mitteldeutscher Film- und Fernsehproduzentenverband e.V.
PA - Allianz deutscher Produzenten - Film & Fernsehen e.V.
PV - Produzentenverband e.V.
SPIO - Spitzenorganisation der Filmwirtschaft e. V.
VDA - Verband der Agenturen e.V.
VDD - Verband Deutscher Drehbuchautoren e.V.
VDNA - Verband deutscher Nachwuchs-Agenturen e.V.
VdRSD - Verband der Requisiteure und Set Decorator e.V.
VDS - Verband deutscher Sprecher e.V.
VDT - Verband Deutscher Tonmeister e.V.
VeDRA - Verband für Film- und Fernsehdramaturgie e.V.
Verdi Film Union
VRFF - Die Mediengewerkschaft- BG Freie Produktionswirtschaft
VSK - Verband der Berufsgruppen Szenenbild und Kostümbild e.V.
Vtff - Verband Technischer Betriebe für Film und Fernsehen e.V.