Unerwarteter Geldregen für die deutschen Zeitungs- und Zeitschriftenverlage. Die Bunderegierung will die Branche mit 220 Millionen Euro fördern. Erst am Mittwochabend wurden entsprechende Pläne bekannt, der Posten tauchte plötzlich im Regierungsentwurf des zweiten Nachtragshaushalts auf. Am Donnerstag hat der Bundestag die Maßnahme mit Stimmen von Union und SPD bereits beschlossen. 20 Millionen Euro sollen demnach noch in diesem Jahr fließen, die restlichen 200 Millionen in den nächsten Jahren.
Die Rede ist von einer Förderung zur "digitalen Transformation des Verlagswesens, zur Förderung des Absatzes und der Verbreitung von Abonnementzeitungen, -zeitschriften und Anzeigenblättern". Mit dem Geld soll die "Medienvielfalt- und verbreitung" gefördert, der Journalismus gestärkt und der "dringend gebotene Transformationsprozess im Bereich der Abonnementzeitungen" befördert werden.
Bereits im Herbst hatte die Regierung eigentlich eine 40 Millionen Euro hohe Zustellförderung für Anzeigenblätter und Abo-Zeitungen gefordert. Die ist mit den nun beschlossenen 220 Millionen Euro vom Tisch - es gab daran ohnehin viel Kritik. Die Anzeigenblätter sowie der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) wollten mehr Geld, die Zeitschriftenverleger kritisierten, dass sie überhaupt nichts bekommen sollten.
Und so wird aus den 40 Millionen Euro Zustellförderung für Anzeigen- und Abo-Zeitungen nun eine 220 Millionen Euro schwere Förderung für die gesamte Branche. Das Geld soll vom Wirtschaftsministerium kommen und ist als Branchenhilfe deklariert. Wer aber den Antrag in den Haushaltsausschuss eingebracht ist, ist offenbar unklar. Die "SZ" hat sich bei Mitgliedern des Ausschusses umgehört und dort erfahren, dass es sich um eine "Hauruckaktion" gehandelt habe. Der BDZV habe Druck gemacht. Auch Wirtschaftsminister Peter Altmaier habe von dem Posten offenbar nichts gewusst, erklärt die Grüne Ekin Deligöz gegenüber der "SZ". Deligöz: "Der Bundeswirtschaftsminister war leider nicht in der Lage, die Förderung zu skizzieren, da er erst heute davon Kenntnis erhalten habe".
Vom BDZV kommen angesichts der hohen Summe und der offensichtlich erfolgreichen Lobby-Arbeit versöhnliche Töne. "Der Verband erkennt das Bemühen der Regierung an, systemrelevante privatwirtschaftlich agierende Medien wie die Zeitungen zu unterstützen, um eine möglichst große Pressevielfalt zu gewährleisten", sagt BDZV-Hauptgeschäftsführer Dietmar Wolff. Mit der Investition in IT gebe es allerdings einen Paradigmenwechsel weg von der Zustellförderung hin zur Förderung technologischer digitaler Ausrüstung. "Die Details kennen wir noch nicht. Wichtig bleibt, dass der weitere Ausbau der Infrastruktur der Verlage gestärkt wird, ohne dass die Unabhängigkeit der Redaktionen berührt ist." Als der Bundestag im Herbst 2019 die 40-Millionen-Euro-Förderung beschlossen hatte, polterte Wolff noch, dass diese "kein einziges Problem" löse.
Und auch der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) hat sich bereits zur beschlossenen 220-Millionen-Förderung geäußert. Dort appelliert man an die Verlage, dass diese mit dem "Staatsgeld" auch Freie unterstützen müssten. "Im Journalismus ist keine Berufsgruppe so stark von der Coronakrise betroffen wie die Freien", sagt DJV-Bundesvorsitzender Frank Überall. Es wäre daher angemessen, die Staatshilfen fair und zukunftsfähig zu investieren.