"Ich kann die ganze Skype-Scheiße nicht mehr sehen", platzt es aus Ingo Appelt heraus. Um bessere Bildqualität von zu Hause aus erzeugen zu können, habe er technisch aufgerüstet, erzählt der Comedian. Zu seinem Leidwesen sei er nun jedoch von seinem Sohn abhängig, der ihm alles erklären müsse. "Dabei hat man die Kinder doch eigentlich mal gezeugt, damit man ihnen Ansagen machen kann."
Derweil baut Parodist Jörg Knör einen heißen Draht in den Himmel auf, um Karl Lagerfeld über den Fashion-Faktor von Schutzmasken philosophieren zu lassen. Und der Comedy-Act "Der Tod" gibt zu bedenken, dass er im Gegensatz zu den anderen Kollegen nicht untätig zu Hause sitze, dafür aber seine Sense nach jedem Gebrauch desinfiziere. Alle drei haben gemeinsam, dass ihre rund 15-minütigen Auftritte vor leeren Theaterrängen stattfinden und exklusiv auf der neuen Video-on-Demand-Plattform "Artists Against Corona" zu sehen sind.
Die Berliner Produktionsfirma Starklfilm, bekannt durch Formate wie "Roast Battle" bei Comedy Central oder "Gartln mit Starkl" bei Servus TV, hat das ehrgeizige Projekt in den vergangenen Tagen online gebracht. Zum Start sind 33 verschiedene Künstler und Gruppen im Angebot, aufgeteilt nach sechs Kategorien: Comedy, Musik, Chanson, Poetry Slam, Pantomime und Magie. Bekanntere Namen wie Ingmar Stadelmann, Lars Redlich, Tim Fischer oder Katharine Mehrling stehen neben Talenten, die von vielen Zuschauern noch entdeckt werden wollen. Alle haben in den letzten Wochen einen Auftritt mit aktuellem Material im Berliner Theater "Die Wühlmäuse" aufgezeichnet.
Das Erlösmodell der Plattform setzt auf Freiwilligkeit und verzichtet darauf, die Videos hinter eine Paywall zu stellen. Über den Button "Virtuelles Ticket" neben jedem Act können Nutzer einen selbst gewählten Betrag zahlen, um den Künstler oder das Theater zu unterstützen. Dem Vernehmen nach werden 80 Prozent der Einnahmen an sie ausgeschüttet, zwölf Prozent gehen an die Produktionsfirma, acht Prozent an den Hamburger Ticketing-Dienstleister White Label eCommerce. Manche der Künstler geben an, ihre Einnahmen ganz oder teilweise an wohltätige Zwecke spenden zu wollen.
"Nichts kann das Erlebnis eines Theaterbesuchs ersetzen, nichts den Zauber und die Energie einfangen, die entsteht", so Starkl. "Wir können nur versuchen, den Künstlern vorübergehend ein neues, ein anderes Publikum zu geben. Und das, bis dieser Spuk ein Ende hat. Denn so lange machen wir weiter." Dass der Produzent dennoch selbstbewusst von einem "Netflix für Kleinkunst" spricht, ist zwar im quantitativen Vergleich nicht ganz ernst gemeint. Doch der hochwertige Look seines Projekts kann sich allemal sehen lassen. Die Plattform ist ebenso ansprechend wie übersichtlich gestaltet, die Auftritte sind mit aufwendiger Bild- und Tontechnik, speziellen Linsen und natürlich "unter strengsten Hygienerichtlinien" gefilmt. Weit weg also von jeder Skype-Zoom-FaceTime-Optik.