Zum Jahresende räumt Philipp Steffens seinen Posten als Head of Fiction bei RTL. Fast sechs Jahre lang verantwortete der 40-Jährige die fiktionalen Programme von RTL. Es waren schwierige und sehr wechselhafte Jahre. Steffens sollte die Fiction für den Marktführer beim jungen Publikum in seiner Zeit gleich zweimal um 180 Grad wenden. Das ist bei der langwierigen Natur fiktionaler Projekte einerseits sehr sportlich und sorgt andererseits dafür, dass RTL sich in diesem Genre zwar einmal um sich selbst gedreht hat, aber auf dem Schirm kaum vorangekommen ist.



Hinter den Kulissen hat Philipp Steffens mit einer neuen Ansprache von Produktionsfirmen, insbesondere aber einer direkten Zusammenarbeit und intensiven Austauschs mit Autorinnen und Autoren einen neuen Stil in der Kommunikation des Senders mit der Branche eingeführt, die von dieser gemeinhin goutiert wurde. Steffens, der nach dem Abschluss seines Studiums an der Filmakademie Baden-Württemberg schon auf Produzentenseite die Erfolgsserie "Der letzte Bulle" (Sat.1) und "Weinberg" (TNT Serie) verantwortete, weckte die Fantasie, dass RTL offen sein könnte für fiktionale Programme aller Art.

In der Beauftragung schlug sich das dann allerdings nicht nieder, was zwei Kurswechseln von RTL in dem Genre geschuldet war. Ein Jahr nach Steffens' Amtsantritt war "Deutschland 83" das große Prestige-Projekt des Senders mit dem man den gerade in Deutschland gestarteten Streamingdiensten Amazon Prime Video und Netflix kontern wollte. Die ambitionierte Serie wurde zwar international gefeiert, erhielt 2016 sogar in New York den International Emmy als beste Serie, aber blieb für RTL unter den Erwartungen.

Doch während die Fortsetzungen des Prestige-Projekts zu Amazon Prime Video wanderten, folgte in der Serien-Strategie unter RTL-Programmgeschäftsführer Frank Hoffmann die erste Wende: Weniger Prestige, mehr Feierabend-Unterhaltung. Leichtere, heitere Kost war gewünscht und wurde gleich vielfach beauftragt. Statt Streaming-Dienste zu kopieren, wollte man sich differenzieren und im Fiktionalen vertrauter werden - fürs Publikum wie Werbekunden. Das war die Botschaft im Jahr 2016. Die Comedyserie "Magda macht das schon", ausgezeichnet mit dem Deutschen Fernsehpreis, ist mit vier Staffeln der bleibendste Erfolg dieser Offensiven. Die Liste der schon wieder beendeten Projekte im Dramedy- und Comedy-Segment ungleich länger.

Gleichzeitig probierte RTL im Highend-Bereich eine Neuauflage von "Winnetou" mit drei Filmen, aber wie schon zuvor bei "Deutschland 83" war auch bei diesem Großprojekt das Ergebnis durchwachsen. Das verschärfte eine Sinnkrise in der RTL-Fiction, die unverändert zwischen Anspruch und Gewöhnlichkeit pendelte - und sich nicht genre-bedingt so schnell justieren lässt. Größter Erfolg der Ära Steffens bei RTL ist zweifelsohne die Weiterentwicklung und Pflege der vor zehn Jahren einst einmal als Comedy gestarteten Serie "Der Lehrer", die er nach Jahren der Pause geerbt hat und in den vergangenen Staffeln zur zwischenzeitlich erfolgreichsten deutschen Serie beim jungen Publikum entwickelt wurde und kommendes Jahr bereits in die achte Staffel geht.

Unter dem neuen RTL-Geschäftsführer Jörg Graf soll es nun einen neuen Anlauf mit Prestige-Projekten geben, nachdem das Gießkannen-Prinzip weniger erfolgreich war. Angekündigt ist z.B. eine Serien-Umsetzung basierend auf dem Podcast "Faking Hitler" über die gefälschten Hitler-Tagebücher. Als weitere Highend-Produktion ist darüber hinaus "Der König von Palma" angekündigt, eine in den 90er Jahren angesiedelte Serie mit Henning Baum in der Hauptrolle. Beides übrigens Produktionen aus dem Familien-eigenen Produktionshaus UFA Fiction. Gleichzeitig aber wird zum Beispiel die vor mehr als fünf Jahren abgesetzte Sitcom "Sekretärinnen - Überleben von 9 bis 5" nach gut laufenden Wiederholungen für neue Folgen wiederbelebt.

Ein unstetiger Kurs - mal selbst gewählt, mal vorgegeben - und eine insgesamt eher durchwachsene Bilanz treffen auf eine augenscheinlich stärker vertikal innerhalb der RTL Group integrierte Auftragsvergabe an die UFA, die sich eher weniger mit Philipp Steffens' offener Art der Stofffindung verträgt. Steffens' Abschied bei RTL kommt daher nicht sehr überraschend. Dass von seinem neuen Stil etwas erhalten bleibt, wäre aber wünschenswert. Der 40-Jährige selbst will im kommenden Jahr wieder auf Produzentenseite tätig werden.

Update: Am Dienstagmorgen bestätigt RTL den Abschied von Philipp Steffens. "Die letzten fünf Jahre bei RTL waren spannend, aufregend und geprägt von großem Teamgeist und einem gemeinsamen Willen zum Erfolg. Meine Redaktion hat mit mir Visionen entwickelt und ambitionierte Herausforderungen angenommen. Ich bedanke mich für so viel Zusammenhalt und Engagement. Es war mir stets ein Anliegen, neue Talente vor und hinter der Kamera zu fördern und nun möchte ich auch zukünftig wieder näher mit den Kreativen zusammenarbeiten. Dass in mir das Produzentenherz schlägt, hat sich im Laufe des Jahres immer mehr manifestiert", sagt Steffens.