Das Gold der Rose d'Or scheint auf dem besten Weg, künftig wieder etwas heller zu strahlen. Nachdem der traditionsreiche Fernsehpreis in den vergangenen Jahren durch mehrfache Betreiber-, Orts- und Konzeptwechsel an Glanz und Aufmerksamkeit verloren hatte, ist dem neuen Organisator C21 Media ein hoffnungsvoller Auftakt in London gelungen. Großen Anteil daran hatte der britische Comedy-Star und Rose-d'Or-Preisträger Sir Lenny Henry, der als Moderator von der ersten Minute an alle Lacher auf seiner Seite hatte.
"Das ist ein außerordentlicher Wettbewerbsjahrgang", lobte Henry, "mit einigen der besten Serien und Comedy-Formaten seit langem – die im Quotenrennen allesamt von 'Love Island' geschlagen wurden." Zur Nominierung der Netflix-Serie "Sex Education" fiel dem Comedian ein, dass Netflix tatsächlich so etwas Ähnliches wie Sex sei: "Man findet irgendwie nie die richtige Zeit dafür. Man merkt erst zu spät, dass der Partner schon eingeschlafen ist. Und die Freunde erzählen von lauter Sachen, die man nicht kennt."
Für einige der lustigsten und bewegendsten Momente der Preisverleihung sorgten am Sonntagabend die beiden Ehrenpreisträger, die bereits im Vorfeld feststanden: Maren Kroymann und Ricky Gervais. Die 70-jährige Schauspielerin, Entertainerin und Kabarettistin, die mit ihrer ARD-Show "Kroymann" auch in der Comedy-Kategorie nominiert war, erhielt den Lifetime Achievement Award der Rose d'Or. Sichtlich bewegt sagte sie, der Preis erwische sie in "einer der besten Zeiten meines Lebens" und sie nehme ihn als "Rückenwind für die Zukunft". Als sie vor über 40 Jahren begonnen habe, seien lustige Frauen im Fernsehen quasi nicht existent gewesen, allenfalls als Sidekicks, um lustige Männer größer zu machen.
"Meine Redakteurin Annette Strelow von Radio Bremen hatte die Idee, mir dieses Format zu geben, obwohl ich 20 Jahre TV-Pause gemacht hatte", so Kroymann in ihrer Dankesrede. "20 Jahre lang war ich in etwa das, was man bei Islamisten Schläfer nennt – bis ich dann mit Gewalt zurückgekommen bin. Zwar bin ich keine Terroristin, sondern nur eine lesbische Feministin, aber das ist manchen Leuten ähnlich unangenehm." Zuvor hatte Radio-Bremen-Intendantin Yvette Gerner die Preisträgerin in einer charmanten Laudatio als "mehrfache Pionierin und vielfältigste Entertainerin, die ich kenne", beschrieben. "Sie ist deutsch – und trotzdem richtig lustig. Und sie musste lange auf die verdiente Anerkennung warten", so Gerner, die in London kurzfristig für ARD-Unterhaltungskoordinator Thomas Schreiber eingesprungen war.
"Deutsch und trotzdem lustig": RB-Intendantin Yvette Gerner (r.) lobte Maren Kroymann
Für Maren Kroymann blieb es bei dieser einen Auszeichnung. In der Comedy-Kategorie zog "Kroymann" – übrigens die einzige deutsche Nominierung in den zehn regulären Jury-Kategorien – den Kürzeren gegen die kanadische "Baroness Von Sketch Show". Ähnlich erging es Ricky Gervais, der als Autor, Regisseur und Hauptdarsteller seiner Netflix-Serie "After Life" vorab für den Ehrenpreis "Performance of the Year" gesetzt war. Das Format selbst unterlag in der Kategorie Comedy Drama & Sitcom jedoch der spanischen Serie "Arde Madrid". Das veranlasste Gervais zu einer speziellen Logik: "Ich bin der beste Performer der Welt – das ist jetzt amtlich bewiesen. Aber mit unserer Serie haben wir verloren. Das heißt, alle meine Mitwirkenden haben mich im Stich gelassen."
Als großer Gewinner des Abends erwies sich im Urteil der Rose-d'Or-Jury unter Vorsitz von Schauspielerin und Produzentin Sofia Helin ("The Bridge") die Drama-Serie "Chernobyl" von Creator und Showrunner Craig Mazin. Die Koproduktion von HBO und Sky über die menschlichen Hintergründe der Reaktorkatastrophe von 1986 siegte nicht nur in ihrer Kategorie – dort gegen starke Konkurrenz wie "Succession", "Killing Eve" oder "Years and Years" –, sondern erhielt am Ende auch die Goldene Rose als bestes Programm im gesamten Wettbewerb. Die Produzenten Sanne Wohlenberg und Chris Fry durften zweimal auf die Bühne, um beide Auszeichnungen stellvertretend entgegenzunehmen.
Als beste Soap/Telenovela des Jahres konnte sich das Globo-Format "Orphans of a Nation" aus Brasilien gegen britische Lokalkonkurrenz wie "EastEnders" durchsetzen. Dafür gewann die BBC das Rennen um das beste Studio Entertainment mit "Michael McIntyre's Big Show" sowie in der Kategorie Reality & Factual Entertainment mit "The Repair Shop". Mit zwei neuen Kategorien demonstrierte C21 Modernität: Der Podcast "13 Minutes to the Moon" von BBC World Service siegte in der Kategorie Audio Entertainment, das niederländische Format "Swipe" von NPO3 wurde zur besten Social Media Video Series gekürt.
Die 60-köpfige Jury konnte insgesamt aus rund 500 Einreichungen aus 30 Ländern schöpfen. Flammende Plädoyers für mehr Diversität und Inklusion vor und hinter den Kulissen der TV-Industrie zogen sich als roter Faden durch die Preisverleihung. "Storytelling formt Gesellschaften", brachte es Sir Lenny Henry (Foto) auf den Punkt. "Stellen Sie sich nur mal vor, die Spanier dürften nicht mehr ihre eigenen Geschichten erzählen, sondern die Briten würden darüber entscheiden, was wir über Spanien wissen sollten und 90 Prozent des spanischen Fernsehens produzieren." Exakt so fühle es sich noch immer für viel zu viele Menschen an, wenn es um Geschlecht, Hautfarbe oder Behinderungen in unserer Gesellschaft gehe. "Im Fernsehen", so Henry, "kann es einem oft so vorkommen, als würden andere Menschen unsere Geschichten erzählen."
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