Erst zwei Wochen ist es her, dass der Europäische Gerichtshof das Deutsche Leistungsschutzrecht endgültig zu Grabe getragen hat - und zwar wegen einer Art Formfehler. Weil die Bundesregierung im Jahr 2013 vergessen hatte, das Gesetz der EU-Kommission vorzulegen und notifizieren zu lassen, sei es "nicht anwendbar". Die Milliarden-Forderung, die die Verlage an Google gerichtet hatten, bleibt damit unerfüllt. Statt hohe Einnahmen bescherte der juristische Kampf den Verlagen also in erster Linie hohe Prozess- und Anwaltskosten.
Bei den Verlagen gab man sich trotz dieser empfindlichen Niederlage gelassen - schließlich konnte man darauf verweisen, dass erst vor wenigen Monaten ein neues europäisches Leistungsschutzrecht beschlossen wurde, das nun dafür sorgen soll, dass Google künftig Geld für die Anzeige sogenannter "Snippets" in den Suchergebnissen an die Verlage zahlt. Doch auch diesmal dürfte erstmal ein langer Rechtsstreit anstehen, denn klein beigeben will Google auch nach neuer Rechtslage offensichtlich nicht, wie ein Blick nach Frankreich zeigt.
Dort wurde die europäische Richtlinie bereits in nationales Recht umgegossen - und die Reaktion von Google fanden alle Betreiber bereits von Presse-Angeboten bereits in ihrem Nachrichtenpostfach. Die Seiten seien als "europäische Presseveröffentlichung gekennzeichnet", heißt es darin. "Diese Kennzeichnung erfolgt als Reaktion auf ein neues Urheberrechtsgesetz, das diese Richtlinie in Frankreich in Recht umsetzt, und schränkt die Anzeige von Textausschnitten und Miniaturansichten in Frankreich ein." Angezeigt werden standardmäßig nur noch Überschriften mit Links auf die Inhalte - keine Snippets, keine Zahlung, so die Haltung von Google.
Gleichzeitig liefert man auch eine Anleitung mit, wie man durch spezielle Kennzeichnung im HTML-Quelltext dafür sorgen kann, dass doch weiterhin mehr Inhalte angezeigt werden - ohne dass Google dafür zahlt. Ein ähnliches Vorgehen gab es auch bereits beim deutschen Leistungsschutzrecht. Google stellt die Verleger also vor die Wahl, entweder eine schlechtere Darstellung und damit mutmaßlich weniger Besucher auf der Seite in Kauf zu nehmen, oder Google die Einwilligung zu geben, die Inhalte doch größer darzustellen, ohne dafür Geld zahlen zu müssen.
Aus Sicht der Verlage wäre das eine Ausnutzung der Quasi-Monopol-Stellung von Google im Suchmaschinen-Markt. Ihre Wunschvorstellung wäre, dass Google sowohl zur Darstellung mit Snippets und zugleich zur Zahlung dafür gezwungen werden kann. Dieses Ansinnen vorm Bundeskartellamt durchzusetzen, ist allerdings schon einmal gescheitert, worauf auch die ehemalige EU-Abgeordnete Julia Reda noch einmal hinwies. Google steht unterdessen auf dem Standpunkt, dass die Verlage durch die Besucher, die Google auf die Verlagsseiten leitet, ohnehin profitieren. Tatsächlich stellt sich die Frage, wieso Presse-Veröffentlichungen hier anders gehandhabt werden sollen als jeder andere Inhalt im Web - denn anders als es viele Verlagsvertreter in der Vergangenheit immer wieder dargestellt haben, kopiert Google ja keine ganzen Texte, sondern lediglich kurze Ausschnitte und verweist dann auf die Ursprungs-Seite.
Der Zeitungsverleger-Verband BDZV schwingt angesichts der Lage in Frankreich bereits wieder die ganz große Keule: "Mit seiner Ankündigung, in Frankreich keinesfalls für Presseinhalte zahlen zu wollen und Angebote, die auf die Einhaltung des Urheberrechts bestünden, auszulisten, scheint Google die Presse- und Meinungsfreiheit mittelfristig in der gesamten EU anzugreifen", erklärte ein Sprecher des Verbands und kündigte an, ein kartellrechtliches Vorgehen zu prüfen. Gemeinsam mit Pressehäusern in ganz Europa werde der BDZV auch konkrete Marktmissbrauchsbeschwerden prüfen. Der französische Verband "Alliance de la presse" hatte das Vorgehen Googles bereits als Ausdruck von Googles Willen, seine marktbeherrschende Stellung zu missbrauchen, um sich durchzusetzen, bezeichnet.