Auf den ersten Blick ist es eine gewöhnliche Personalie „aus persönlichen Erwägungen“ des scheidenden CEOs der RTL Group, doch hinter dem plötzlichen Abschied von Bert Habets in Luxemburg steckt mehr. Immer deutlicher wird eine strategische Neuausrichtung der Medienhäuser von Bertelsmann. Thomas Rabe, Vorstandsvorsitzender bei Bertelsmann, kann jetzt bei der RTL Group in Luxemburg durchregieren. Zuletzt war es zu einem Machtkampf zwischen dem TV-Konzern im Großherzogtum und seinem Mehrheitseigner in Westfalen gekommen, den man vielleicht am besten mit passiv-aggresiv beschreibt. DWDL.de berichtete bereits Anfang März darüber.
Eskaliert ist er nun im Rauswurf Habets’: Noch vor zweieinhalb Wochen präsentierte der nun geschasste CEO die aktuellen Geschäftszahlen der RTL Group, hatte in Berlin zum Pressedinner eingeladen. Eine angespannte Situation zwischen Bertelsmann und RTL Group spielte er dabei herunter. Dabei war die zuvor offensichtlich geworden: In Gütersloh schmiedet Bertelsmann-CEO Thomas Rabe seit Längerem an einer neuen Strategie für die beiden deutschen Medienhäuser Gruner+Jahr und Mediengruppe RTL Deutschland.
Erst eine Ad-Alliance zur gemeinsamen Werbevermarktung, dann eine Content-Alliance für gemeinsame Inhalte und in Person von Stephan Schäfer teilen sich die beiden Medienhäuser jetzt auch einen Verantwortlichen für Marken und Produkte. Das Knifflige an dieser grundsätzlich erst einmal interessanten Annäherung von Hamburger Verlag und Kölner TV-Haus: Die Mediengruppe RTL Deutschland ist zunächst einmal eine hundertprozentige Tochter der Luxemburger RTL Group.
An dem börsennotierten TV-Konzern hält Bertelsmann zwar mit 75,1 Prozent der Anteile die Mehrheit, aber eben nicht alle Anteile. Der Umbau des Deutschlandgeschäfts der RTL Group Anfang dieses Jahres wurde von Gütersloh aus mit Köln orchestriert, Luxemburg schaute nur von der Seitenlinie zu. Das untergrub die Führungsrolle von CEO Bert Habets, der noch dazu den anderen Aktionären der RTL Group erklären muss, warum die hoch profitable Mediengruppe RTL Deutschland zunehmend mit dem weniger profitablen Verlag Gruner+Jahr verknüpft wird.
Nein, der Abschied von Bert Habets ist kein Rückzug „aus persönlichen Erwägungen“. Für kommende Woche hatte Habets noch Termine auf der Fernsehmesse MIPTV im südfranzösischen Cannes, die erst kürzlich noch einmal bestätigt wurden. Dass in der Pressemitteilung zu seinem Ausscheiden kein Zitat von ihm zu finden ist, was üblich wäre bei einer geregelten Trennung im vermeintlich besten Einvernehmen, spricht Bände. Es ist ein wortloser Abgang. Selbst auf Twitter, wo Habets sonst eifrig unterwegs war, kein Kommentar zum Abschied.
In Luxemburg und Köln haben sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Bekanntgabe der Personalie am Montag erst einmal rückversichern müssen, dass das kein Aprilscherz sei. Wir wissen das, weil in der Ratlosigkeit mehrere Anfragen bei DWDL.de eingingen, ob dies nun ernst gemeint sei oder nicht. Während es in Köln Verwunderung ist, schwingt bei der Belegschaft in Luxemburg am Tag der Bekanntgabe Besorgnis mit: Die Gesellschafterstruktur ist zwar unverändert, aber dennoch kann Bertelsmann in Person von Thomas Rabe nun direkter durchregieren bei der RTL Group.
Im Intranet der RTL Group stellte sich Rabe den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gestern in Form eines schriftlichen Interviews vor. Ob es Probleme bei der RTL Group gebe, die erklären würden, warum er nun CEO geworden sei? „Nein, ganz und gar nicht“, erklärt er und verweist auf die gesunden Geschäftszahlen. Auf die Frage, ob die neue Aufgabe überhaupt zeitgleich zu seinem „allein schon zeitfüllenden Job als Bertelsmann-CEO“ machbar sei, antwortet Rabe: „Das geht sehr gut, zumal ich mich ja als Vorsitzender des Verwaltungsrats der RTL Group auch schon intensiv mit dem Unternehmen beschäftigt habe. Meine Rolle und meine Verantwortlichkeiten als Chairman und CEO von Bertelsmann bleiben unverändert. Ich werde beide Unternehmen führen und meine Zeit zwischen Gütersloh und Luxemburg aufteilen.“
Das ist insofern interessant, als dass bei der RTL Group gestern eine interne Einordnung kursierte, wonach der bisherige CEO Bert Habets zuletzt immer seltener vor Ort in der Luxemburger Zentrale gewesen sei; sich oft in seiner Heimat und langen Wirkungsstätte, den Niederlanden, aufgehalten habe. Das sei schwierig gewesen, habe Entscheidungen verzögert. Wenn dem so war, ist allerdings die Wahl eines Teilzeit-CEOs, der zwischen Gütersloh und Luxemburg pendeln muss, umso kurioser.
Einmal mehr werfen Veränderungen Fragen auf, die vorerst unbeantwortet bleiben. Wie schon beim Umbau der Mediengruppe RTL Deutschland, zu dem der neue CEO Bernd Reichart zunächst kein Interview geben wollte, wird man auch bei Thomas Rabe also abwarten müssen, bis jemand anderes als die eigene PR-Abteilung die Fragen stellt. Vielleicht aber ist es auch noch zu früh, weil der Umbau noch im vollen Gange ist. Das zumindest fürchten einige Mitarbeiter in Luxemburg: Mit Thomas Rabe und Bernd Reichart, der bei Vox als Sunnyboy auf der Erfolgswelle in der Branche lange unterschätzt wurde, bilden zwei ausgesprochene Strategen zwischen Köln und Gütersloh eine Achse, bei der Luxemburg im Abseits steht.
Immer mal wieder ging in den vergangenen Jahren das Schreckgespenst um in Luxemburg: Wird der traditionsreiche Standort zu Gunsten eines praktikableren Standorts aufgegeben? Sicher, die RTL Group ist tief verankert im Großherzogtum, übernimmt dort - was kaum einer weiß - beispielsweise auch die Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für Luxemburg. Ein Abschied wäre dementsprechend knifflig, aber ist im Flurfunk seit gestern wieder eine neu aufgelegte Sorge. Von einst zwei CEOs zu einem Teilzeit-CEO aus Gütersloh: Das stärkt zunächst einmal nicht das Vertrauen in den Standort Luxemburg und die Eigenständigkeit der RTL Group. Bleibt abzuwarten, welche Schachzüge als nächstes folgen. Die Partie ist noch nicht beendet.