"Erste Ergebnisse soll es noch im Lauf dieses Jahres geben" - so hieß es seitens der AGF, als man erstmals die Einbeziehung von YouTube in die eigene Reichweitenmessung ankündigte. Das war im April 2015. Fast vier Jahre gingen seither ins Land - und es war lange still um die schon damals als "Meilenstein" gefeierte Ankündigung. Zu hören war allenfalls, dass es manche Gesellschafter gar nicht so eilig hatten, YouTube als Konkurrenten im Bereich Bewegtbildwerbung stärker zu machen. Doch nun gab es endlich mal wieder ein Lebenszeichen in dieser Angelegenheit.
Am Mittwoch legten die AGF und YouTube erstmals Ergebnisse der Zusammenarbeit vor - allerdings erstmal nur exemplarisch für den schon einige Zeit zurückliegenden Oktober 2018. Und die bescheinigen YouTube tatsächlich eine hohe Nutzung. Die durchschnittliche Sehdauer bei Personen über 18 Jahren lag demnach bei YouTube bei 33 Minuten pro Tag. Nach soziodemografischen Merkmalen aufschlüsseln lässt sich diese Zahl noch nicht - da viele ältere Menschen YouTube gar nicht oder kaum nutzen, muss sich in der jüngeren Generation eine enorme Nutzungsintensität ergeben.
Auf den klassischen TV-Konsum entfielen bei den Menschen ab 18 im Oktober 2018 sogar 232 Minuten pro Tag - verglichen damit nimmt sich die YouTube-Nutzung natürlich deutlich geringer aus. Verglichen mit den Mediatheken der Sender hingegen erscheint die Zahl riesig. Die Mediatheken kommen im gleichen Zeitraum nämlich nur auf 2 Minuten Sehdauer pro Tag - laut AGF machen die Mediatheken, auf die die Sender angesichts sinkender TV-Reichweiten ja andernorts so gerne verweisen, im Vergleich zum linearen Fernsehen einen fast schon vernachlässigbar geringen Anteil der Gesamtnutzung aus - auch wenn es bei einzelnen Formaten wohl etwas anders aussehen dürfte.
Von den 33 Minuten YouTube-Nutzung entfielen zudem drei Minuten auf Angebote, hinter denen in irgendeiner Weise auch die TV-Konzerne stecken - was allerdings auch originär für YouTube produzierter Content der großen Multichannel-Netzwerke Studio 71 (ProSiebenSat.1) oder BroadbandTV (RTL Group) sein kann, der nichts mit den klassischen TV-Inhalten zu tun hat. Weitere Details aus den Daten vom Oktober: Etwa 60 Prozent der Streaming-Nutzung entfällt inzwischen auf mobile Endgeräte, nur 40 Prozent wird auf Laptops und Desktop-Computer.
YouTube-Nutzung verteilt sich auf Zehntausende Anbieter
Wenig überraschend: Die YouTube-Nutzung verteilt sich auf die Videos sehr vieler Anbieter. Die 33 Minuten tägliche Sehdauer teilen sich auf über 35.000 "Content-Owner" mit über 75.000 Channels auf. Die meisten erreichen nur sehr wenige Aufrufe, immerhin 12 Content-Owner erreichten aber über 100 Millionen Abrufe pro Monat (etwa Studio 71 mit 630 Millionen, Vevo mit 490 Millionen, BroadbandTV mit 463 Millionen, aber auch RTL II mit 121 Millionen), 148 über zehn Millionen (darunter auch das öffentlich-rechtliche Funk mit 58 Millionen Views), 443 über drei Millionen Video-Views.
Bei der AGF Videoforschung zeigt man sich stolz angesichts der nun veröffentlichten Daten. Die neue AGF-Geschäftsführerin Kerstin Niederauer-Kopf spricht von einem "beachtlichen Meilenstein", schließlich handle es sich weltweit um das erste Projekt, um wirklich vergleichbare Nutzungsdaten für Fernsehen und YouTube ausweisen zu können. Man wisse daher aber auch, dass man "beständig an dem Projekt arbeiten" müsse, "um die differenzierte Nutzung der Plattform unter den sich dynamisch verändernden technologischen Entwicklungen bestmöglich abzubilden".
Dass diese ersten Daten sich auf einen schon fünf Monate zurückliegenden Monat beziehen, liegt an einem umfangreichen Auditierungsprozess, den die Daten und Prozesse durchlaufen mussten. Dieser solle sicherstellen, dass die Leistungsdaten für TV und YouTuben nach gleichen Regeln berechnet und ausgewiesen werden und die Transparenz- und Gütekriterien der AGF eingehalten werden. Entscheidend für den Markt ist nun aber vor allem die Frage, wie es weiter geht - denn mit einmalig vorliegenden Daten für einen längst vergangenen Monat vermag kaum jemand etwas anzufangen, notwendig wäre der Einstieg in die regelmäßige Ausweisung.
Regelmäßige Ausweisung lässt weiter auf sich warten
Davon ist man offenbar noch immer ein ganzes Stück entfernt. Auf einen Zeithorizont, wann damit zu rechnen sei, will man sich auf DWDL.de-Nachfrage nicht festlegen, auch Fragen nach weiteren Details bleiben unbeantwortet. Und so bleibt es auch vier Jahre nach der ersten Ankündigung trotz der nun vorliegenden ersten Zahlen vorerst bis auf Weiteres weiterhin bei ebendiesem: einer Ankündigung. Noch gilt es, vertragliche Regelungen zu finalisieren, auch an der Ausweisung des vermarktbaren Inventars und von buchbaren Einheiten muss genauso wie der Einführung einheitlicher Metriken und der Integration ins AGF-System gearbeitet werden. Nochmal vier Jahre soll das zwar nicht dauern, mehr ist der AGF und Google aber nicht zu entlocken. Für Klaus-Peter Schulz, Geschäftsführer des Mediaagenturen-Verbands OMG, ist aber zumindest ein "weiterer wichtiger Schritt im Ausbau ihres Konvergenz-Standards" gelungen. "Im nächsten Schritt geht es darum, YouTube so zu integrieren, dass größtmögliche Vergleichbarkeit und Transparenz aller im AGF-System abgebildeten Bewegtbildangebote erreicht wird".
Und wenn es irgendwann in Deutschland mal soweit sein sollte, dann könnten auch andere Länder folgen. Dirk Bruns, Head of Video Sales bei Google Deutschland, sagt jedenfalls, dass sein Unternehmen auch in anderen Ländern für eine ähnliche Zusammenarbeit wie mit der AGF in Deutschland offen sei. Angesichts der nun auch von der AGF belegten hohen Reichweite wohl nicht die schlechteste Idee. Bruns: "Google bekennt sich seit langem zu transparenten Messungen und die präsentierten Daten verdeutlichen die Relevanz der Plattform YouTube - sowohl für Bewegtbild-Nutzer, die Werbeindustrie als auch unsere Content-Partner."