Diese Story beginnt mit dem Tipp eines DWDL-Lesers, der an der Produktion von „Sing mit mir“ teilnehmen sollte. Der deutschen Adaption jener launigen Musikshow, bei der die Kandidaten ein Panel von hundert Hobby- und Berufsmusikern so sehr begeistern müssen, dass sie mitsingen. Ihm sei mitgeteilt worden, dass die Musikshow jetzt doch nicht produziert werde. Das wäre eine Überraschung, denn noch vor wenigen Wochen liefen schließlich Trailer im Programm von RTL und kündigten die Sendung, die bei der BBC in Großbritannien vor einem Jahr ein großer Erfolg war, an. Was also ist passiert? Die folgenden Recherchen offenbarten mehr als gedacht.



Auf Nachfrage des Medienmagazins DWDL.de bei RTL teilte eine Sendersprecherin kurz und knapp mit: „Die neue RTL Geschäftsführung hat sich aus inhaltlichen Gründen gegen das Format ‚Sing mit mir’ entschieden.“ Beauftragt wurde die Show im vergangenen Jahr noch von Unterhaltungschef Tom Sänger und RTL-Programmgeschäftsführer Frank Hoffmann. Beide sind inzwischen von Bord gegangen, doch das Aus für „Sing mit mir“ ist weniger die Geschichte eines radikalen Kurswechsels beim Sender als die einer bittersüßen Revanche - und die hat eine Vorgeschichte.

Sie hätten schon von einer Eiszeit zwischen der Mediengruppe RTL Deutschland und Endemol Shine Germany gehört, erzählen in den vergangenen zwei Wochen mehrere deutsche Fernsehproduzentinnen- und produzenten. Vertreter der Sendergruppe würden nebenbei entsprechende Bemerkungen fallen lassen. Grund für die Eiszeit: „The Masked Singer“. Auch RTL war nach DWDL.de-Informationen an der neuen Musikshow, die nun jedoch bei ProSieben laufen wird, interessiert. Mehr noch: Die Kölner gingen sogar über Wochen davon aus, das Format zu bekommen.

Was dann geschah, dazu wollen sich weder Endemol Shine Germany noch die Mediengruppe RTL Deutschland offiziell äußern. Hinter vorgehaltener Hand aber erzählen beide ihre eigene Version eines eskalierten Vertragspokers: Von einer „krummen, unprofessionellen Nummer“ ist in der Führungsebene der Mediengruppe RTL Deutschland die Rede. Dort sieht man sich übel getäuscht von Endemol Shine Germany-Geschäftsführer Magnus Kastner, der in letzter Minute ProSieben den Zuschlag für das begehrte Format gegeben hat. Der nächste Rückschlag für Kastner also?

Die Gegensicht der Dinge: Da Endemol Shine Germany im Falle von „The Masked Singer“ im Auftrag des eigentlichen Rechteinhabers MBC Entertainment aus Korea arbeite, sei man ungeachtet möglicher strategischer Überlegungen verpflichtet, das höchste Gebot anzunehmen. Unterföhring habe einfach mehr Geld auf den Tisch gelegt. Von einem Bieterwettbewerb um das Format habe man aber nichts gewusst, beklagt man bei der Mediengruppe RTL Deutschland. Man sei im Glauben gelassen worden, „The Masked Singer“ zu bekommen.

Die Verhandlungen wurden auf höchster Ebene geführt. Persönliche Befindlichkeiten spielen daher hier ebenso eine Rolle wie ein seit Jahren immer mal wieder aufflackernder Machtkampf um die Rangordnung im deutschen Fernsehmarkt: Traditionell sitzen in Deutschland die Sender am längeren Hebel, die Produktionsfirmen sind in der Rolle des Dienstleisters und Bittstellers - ganz anders als etwa in den USA, wo die Produktionsfirmen bzw. Studios größeren Einfluss haben.

Bei begehrten Formatrechten wird in den vergangenen Jahren immer mal wieder der Aufstand geprobt. RTL bekam das schon 2015 zu spüren als Warner Bros. darauf bestand, die eigenen Formate „Bachelor“ bzw. „Bachelorette“ in Deutschland künftig selbst zu produzieren. Der „Bachelor“ hatte in Deutschland schon diverse Produktionsfirmen, wurde damals gerade von Seapoint Productions umgesetzt. Wolle man auch weiterhin den „Bachelor“ haben, müsse man die eigene deutsche Produktionstochter beauftragen. Sich von Produktionsfirmen Ansagen machen zu lassen - ungewohnt für deutsche Sender.

Klar ist jedenfalls: Einige Führungskräfte der Mediengruppe RTL Deutschland fühlen sich abgezockt von Endemol Shine Germany, wie sie inoffiziell betonen und drohen bei zahlreichen Sendungen der Produktionsfirma, bei denen noch eine mögliche Fortsetzung im Raum stand, den Stecker zu ziehen, darunter u.a. die Gameshow „The Wall“. Auch hier wäre der Führungswechsel bei RTL dann die passende Erklärung aller Entscheidungen.

Offiziell angesprochen auf den Streit um „The Masked Singer“, bestreiten übrigens sowohl Endemol Shine Germany als auch die Mediengruppe RTL Deutschland jeden Zusammenhang, verweisen für Antworten und Erklärungen jeweils an die Gegenseite und wollen nicht weiter kommentieren. Reiner Zufall demnach, dass der Show-Chef von Endemol Shine Germany hinschmeißt, nachdem RTL diverse Endemol Shine-Shows auf den Prüfstand stellt, mit „Sing mit mir“ eine sogar kurzfristig kippt, weil ProSieben überraschend von Endemol Shine Germany den Zuschlag für ein Hit-Format bekam, das RTL schon eingeplant hatte.