In der Debatte um die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks werfen Kritiker ARD und ZDF regelmäßig vor, zu stark auf Unterhaltung und Sport statt auf Bildung und Kultur zu setzen. Das ZDF versucht sich im Kultur-Bereich nun an einem großen Aufschlag und holt die Marke ZDFkultur zurück. Allerdings nicht, wie bis Ende September 2016 als linearer TV-Sender, sondern als Digitalangebot. Ab dem 13. Februar ist ZDFkultur eine eigenständige Rubrik in der ZDF-Mediathek, in der das ZDF, 3sat und Arte all ihre Kultur-Inhalte bündeln werden. Dort gibt es dann also viele verschiedene Format zu sehen, sei es aus dem Bereich Musik (Opus, Wacken), Talk ("Precht", "scobel"), Kabarett, Magazine ("Aspekte", "Kulturzeit") oder Dokumentarfilme. Auch die Büchersendungen "Buchzeit" und "Literarisches Quartett" sowie Steven Gätjens Kinomagazin werden Kultur-Fans auf der Seite finden.
Die Kultur-Rubrik in der ZDF-Mediathek bestand schon vorher, wurde bis dato aber nur technisch bespielt. Künftig soll eine Redaktion die Seite bestücken und aktiv gestalten. "Wir wollen die linearen Kulturprogramme besser sortieren und ihnen so mehr Aufmerksamkeit verschaffen", sagt Anne Reidt, ZDF-Hauptredaktionsleiterin Kultur, im Gespräch mit DWDL.de. Doch das neue ZDFkultur will viel mehr sein als nur eine kuratierte Seite für alle Kultur-Inhalte von ZDF, 3sat und Arte. Punkten will man auch mit Eigenproduktionen, zum Start hat man gleich 15 davon angekündigt. Von den meisten gibt es zum Auftakt eine Pilot-Ausgabe zu sehen, die restlichen Folgen sollen nach und nach veröffentlicht werden.
Über eine qualitative Nutzerstudie habe man analysiert, welche Inhalte die Zuschauer im neuen Angebot sehen wollen. "Wir haben kulturaffine Nutzer gefragt, welche Themen sie interessieren. Dabei haben wir festgestellt, dass bestimmte Bereiche erwähnt wurden, die wir so noch nicht im Programm hatten", sagt Stefan Müller, Redakteur in der Hauptredaktion Kultur und Projektleiter ZDFkultur, gegenüber DWDL.de. Genannt haben die Befragten unter anderem die Themenbereiche Games und Reisen. Im Games-Bereich wartet ZDFkultur daher mit zwei neuen Formaten auf. In "Durchgespielt" begrüßt Moderator und Gaming-Professor Uke Bosse bekannte Gäste, die ihr Lieblingsspiel mitbringen und mit dem Moderator spielen. Gemeinsam redet sie dann über das Spiel und ein Thema, das die Gäste mit dem Spiel verbinden. Feuilletonistischer wird es in "Stories of Games", die Sendung beleuchtet Videospiele in all ihren Facetten auf ihre kulturelle und gesellschaftliche Bedeutung.
Im Bereich Reisen sind ebenfalls zwei Formate angekündigt. In "Upcoming Places" werden Orte auf der ganzen Welt vorgestellt, in denen junge Kreative heute leben. Die Reihe zeigt auch, wie sie dort arbeiten. In "Meet, Surf, Eat" haben die Freunde Cozy und Jo ihren Job an den Nagel gehängt und reisen um die Welt, in Marokko lernen sie Land und Leute kennen. In dem Format "Design und Strafe" kritisieren Mode-Experte Designsünden - und zerstören diese am Ende kunstvoll. In der "Oper für Ungeduldige" erzählt der Komponist, Blogger und Professor für Kompositionslehre eine ganze Oper in weniger als zwei Minuten. Einen eigenen Weg will man auch mit der Musikvideo-Reihe "Nearer" gehen. Ein Künstler oder eine Künstlerin singt darin einen Song für sich allein, ohne Tänzer und sonstige Effekte. Die Kamera soll den Künstler ganz nah einfangen. Annabelle Mandeng präsentiert zudem das Format "Tanzwelten": Die Moderatorin und Tänzerin stellt darin vier Tanzstile vor.
ZDFkultur will außerdem Debatten-Formate zeigen, durch die die Gesellschaft wieder verstärkt in eine Diskussion kommen soll. Also weniger reden übereinander, sondern mehr miteinander. Jo Schück präsentiert die Sendung "Lass uns reden!": Zwei Menschen mit völlig unterschiedlichen Meinungen treffen aufeinander und sprechen miteinander. Zum Start geht es um Alltagsrassismus. "Das Ziel ist es, ins Gespräch zu kommen und nicht in der eigenen Filterblase zu verharren", sagt Stefan Müller. Man wolle "heiße Themen" anfassen und besprechen. In einer weiteren Reihe geht es um Frauen in Führungspositionen, außerdem sprechen bekannte Frauen aus Film und Fernsehen über ihre Erfahrungen in der Branche.
Wie viele neue Formate man pro Jahr künftig starten will, wollen Reidt und Müller nicht sagen. "Wir starten mit 15 Webvideo-Formaten und wollen erst einmal gucken, wie das ankommt. Dann entscheiden wir, was wir fortsetzen und was nicht", so Reidt. Neben den Eigenproduktionen startet ZDFkultur auch mit drei interaktiven Tools. In der digitalen Kunsthalle sollen echte Ausstellungen temporär begehbar sein. Via VR, Desktop oder Mobil können die Nutzer sich im Museum umschauen, Kunstwerke ansehen und Informationen zu diesen abrufen. Im Tool "Dein Buch", das bereits zur Frankfurter Buchmesse gestartet ist, erhalten die Nutzer mit ein paar Klicks laut ZDF eine individuelle Buchempfehlung. Das dritte Tool ist "Geheimnis der Bilder" und soll auch Nicht-Feuilletonisten einen Zugang zur Kultur geben. Mit ausgewählten Partnern werden bestimmte Werke präsentiert. Klickpunkte führen in die einzelnen Kunstwerke hinein und zeigen den Nutzern Hintergründe auf.
Insgesamt arbeite man bei ZDFkultur mit 35 Partnern zusammen, 23 davon seien im Rahmen des Projekts neu hinzugekommen. Die Partner sind Jazz Festivals, aber auch Kunsthallen, Museen oder etwa die Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf. "Wir stehen mit unseren Partnern vor der gleichen Herausforderung: Wie erreichen wir auch künftig noch Publikum, das gar nicht mehr ins Museum geht oder das Kulturprogramm im ZDF einschaltet. Die können wir ab sofort dort abholen, wo sie sind", sagt Anne Reidt gegenüber DWDL.de. "ZDFkultur ist ein Opernhaus, eine Musikfestival und eine Kunsthalle unter einem Dach. Das ist ein erweitertes Angebot für die User, das unsere Mediathek bereichert."
Eineinhalb Jahre haben die Vorbereitungen gedauert, nun startet ZDFkultur. Doch wie können sich die Mainzer so ein aufwendiges Projekt überhaupt leisten, wo doch immer von Sparmaßnahmen die Rede ist? Und muss ein solches Angebot nicht auch eigentlich explizit von der Politik beauftragt werden. Vom ZDF heißt es dazu, ZDFkultur werde aus dem laufenden Etat des Programmdirektors finanziert.
Auch TV-Ausstrahlung geplant
In Bezug auf die Beauftragung heißt es vom Mainzer Lerchenberg: "ZDFkultur ist kein neuer Sender, sondern eine Rubrik in der ZDFmediathek." Die bestehenden Inhalte würden dort schlicht gebündelt und die interaktiven Tools würden die linearen Inhalte begleiten. "Die Videoformate auf ZDFkultur finden sich auch in den Fernsehprogrammen." ZDFkultur sei damit Teil des beauftragen Telemedienangebots des ZDF. Das ist ein besonderer Kniff, um einer offiziellen Beauftragung durch die Politik zu umgehen.
Besonders interessant sind diese Aussagen in Bezug auf die Eigenproduktionen, die demnach auch im TV laufen werden. Ausstrahlungen sind im ZDF, aber auch bei 3sat und Arte geplant. Schon heute zeigt man sonntags vor der "heute"-Sendung eine Reihe, in denen besondere Orte der Kultur in Deutschland vorgestellt werden. Acht kleine Filme laufen abwechselnd, demnächst sollen acht weitere Folge. Dieser Sendeplatz ist einer der besseren - es bleibt abzuwarten, ob auch die 15 Eigenproduktionen so prominent im Programm platziert werden, oder ob die TV-Ausstrahlung lediglich ein Alibi bleibt, um die Formate überhaupt produzieren zu können. Ein reines Digitalangebot müsste von der Politik grünes Licht bekommen.
Auf der kommenden Seite finden Sie einen Überblick über die 15 neuen Formate von ZDFkultur inklusive einer Kurzbeschreibung.