Podiumsdiskussionen beim Deutschen Produzententag sind berüchtigt dafür, nicht immer in die geplante Richtung zu laufen und mitunter unerwartete Wendungen zu nehmen. Da machte auch die 2019er Ausgabe keine Ausnahme – diesmal freilich ohne Skandal. Obwohl eigentlich die Frage diskutiert werden sollte, wie Produzenten ihre Visionen und vor allem ihr Development finanzieren können, geriet immer wieder die Rolle von Netflix in den Mittelpunkt der Debatte.
Den Ton dazu hatten Monika Grütters, Staatsministerin für Kultur und Medien, sowie der scheidende Berlinale-Direktor Dieter Kosslick gesetzt. Grütters berichtete den Produzenten von ihrem jüngsten Treffen mit Netflix-CEO Reed Hastings: Dieses sei außerordentlich freundlich verlaufen, doch wisse sie nicht, ob der US-Konzern willens sei, den Regeln der Kulturnation Deutschland zu folgen. Man dürfe nicht nett sein zu Playern wie Netflix, Facebook oder Google, die "unsere Gesellschaft ruinieren", entgegnete Kosslick, sondern die Politik müsse ihnen "mit einem klaren Ordnungsrahmen" begegnen.
Den scharfen verbalen Wind gegen die Streaming-Plattform – deren deutscher Director Acquisitions & Co-Productions, Kai Finke, im Publikum saß – nahm auf dem Podium ZDF-Frau Heike Hempel auf. "Anders als wir beteiligen sich die neuen Player nicht an der hiesigen Talentförderung, von der sie aber gern profitieren", sagte die Fiction-Chefin und stellvertretende Programmdirektorin. "Wenn Sie Interesse daran haben, dass wir als größter Auftraggeber der deutschen Produktionswirtschaft auch morgen noch stark sind, dann rufe ich Sie zur Allianz mit uns auf." Ein Solidaritätsappell, der erwartungsgemäß polarisierte. Als Branchenverband hatte sich die Produzentenallianz schon vorab zur Forderung nach einer Erhöhung des Rundfunkbeitrags bekannt. Doch Kirsten Niehuus, Geschäftsführerin des Medienboard Berlin-Brandenburg, widersprach Hempel: Das sei eine "komische Perspektive", schließlich arbeite auch das ZDF bei Koproduktionen wie "Parfum" beherzt mit Netflix zusammen.
Martin Moszkowicz, Vorstandsvorsitzender der Constantin Film, übernahm gleich mehrfach die Aufgabe, eine pragmatische Haltung aus Produzentensicht mit gesundem Menschenverstand zu formulieren. Bei aller Diskussion um Netflix sei es doch "extrem wünschenswert, wenn ein großer Konzern viele Milliarden in Produktionen" investiere. Das sei sachlich betrachtet "kein Kampf der Systeme, sondern eine zusätzliche Verwertungsmöglichkeit, die den Kuchen vergrößert", so Moszkowicz. Die Constantin Film habe 2018 mehr Umsatz mit Netflix gemacht als mit allen deutschen TV-Sendern zusammen. Auch mit dem SVoD-Riesen könne man über Rechte sprechen, da sei nichts in Stein gemeißelt. Moszkowicz' abschließender Appell an die Kollegen lautete dann auch, bei keinem Auftraggeber mehr bereitwillig alle Rechte abzugeben. "Wir müssen wegkommen von jeder Form der Festpreis-Auftragsproduktion, bei der Produzenten am besten dastehen, wenn sie möglichst billig produzieren", so der Constantin-Boss.
Was künftig von ProSiebenSat.1 als Auftraggeber der Produktionswirtschaft zu erwarten ist, sollte Wolfgang Link, Vorsitzender der Geschäftsführung der Unterföhringer Senderfamilie, beantworten. Markus Schäfer, All3Media-Deutschlandchef und Entertainment-Vorsitzender der Produzentenallianz, bemühte sich, ihm entsprechende Informationen zu entlocken. Doch Link blieb eher vage, versuchte zu beruhigen, dass trotz der angekündigten Steigerung des Inhouse-Produktionsanteils von 13 auf 30 Prozent noch reichlich Volumen für externe Programmlieferanten übrig bleiben werde. "Wir als Auftraggeber müssen gemeinsam mit Ihnen mutiger werden und eventiger denken, um mit unseren Programmen deutlicher im Wettbewerb hervorzustechen", so Link. Zwischen ProSiebenSat.1 und der Produzentenallianz gebe es Gespräche über neue Ausbildungsmöglichkeiten, um den Fachkräftemangel zu bekämpfen.
Im feierlichen Teil des Produzententags ernannte der Verband zwei neue Ehrenmitglieder: Dieter Kosslick ("Was ist der Unterschied zwischen Kino und einer Apple Watch? Das ist wie bei Godzilla: Size matters!"), der die Leitung der Berlinale nach 18 Jahren abgibt, wurde diese Ehre ebenso zuteil wie Molly von Fürstenberg, Gründerin und langjährige Geschäftsführerin der Münchner Produktionsfirma Olga Film ("Der bewegte Mann", "Kirschblüten - Hanami").