Die deutsche Produzentenlandschaft hat eine neue Boutique, beinahe im wörtlichen Sinne: Im südlichen Berlin-Kreuzberg, neben Waschsalon, Friseur und Saxophon-Fachhandel, hat Studio Airlift - wie so manche Berliner Bürotäter - seinen Sitz in einem ehemaligen Ladenlokal. Das Unternehmen wurde gegründet von Anna Winger, die auch alle Anteile hält. Das geschah schon vor anderthalb Jahren, doch bislang blieb kaum Zeit dafür.

Gleich die erste von ihr erfundene TV-Serie, entwickelt und produziert mit Ehemann Jörg Winger für UFA Fiction, wurde ein internationaler Erfolg - mit den bekannten Konsequenzen: Auf „Deutschland 83“ folgte „Deutschland 86“ und die Produktion von „Deutschland 89“ startet dieses Jahr. Diese Großprojekte und ihre Arbeit als Consulting Executive Producer bei der vom US-Sender Epix in der deutschen Haupstadt gedrehten Serie „Berlin Station“, hatten zunächst Priorität.



Im vergangenen Herbst ging es dann los, zunächst mit einem Umzug. Anfangs hatte Anna Winger sich ein Büro im alten Flughafen Tempelhof angemietet, was sich im Namen der Firma - Studio Airlift - niederschlug. Als der Mietvertrag nicht verlängert wurde, fand man eine neue Heimat nur wenige hundert Meter entfernt - und dort sitzen derzeit ein halbes Dutzend Autorinnen und Autoren. Aller Anfang ist klein, aber für Anna Winger der erklärte Weg, die Serienentwicklung anders anzugehen.

„Große Serien werden von Autoren geleitet, die sie kreieren, aber außerhalb der USA werden die meisten Produktionen immer noch von nicht schreibenden Produzenten umgesetzt“, bemängelt Winger. „Studio Airlift schließt diese Lücke und baut leidenschaftliche Teams um Projekte, die von Autorinnen und Autoren angetrieben werden, und arbeitet eng mit Streamingdiensten und Sendern zusammen.“ Noch ist alles in einem sehr frühen Stadium, aber die Ambitionen sind groß: Studio Airlift ziele darauf ab, eine breite Palette von Serien und Filmen für den Weltmarkt zu entwickeln und produzieren.

Und das zuversichtliche Lachen im Gesicht von Anna Winger lässt vermuten: Die bevorstehende Berlinale dürfte manche Überraschung bescheren. Dazu sagen will Winger nichts, verweist stattdessen auf erworbene Serien/Film-Rechte an zwei Büchern. Zum Einen geht es um Deborah Feldmans „Unorthodox“, eine Geschichte der Emanzipation, die in New York und Berlin spielt, und Hennie van Vuurens „Apartheid, Guns and Money“, ein internationaler Thriller vom Kampf gegen die Apartheid. Darüber hinaus arbeite man an einer halbstündigen Drama-Serie der Journalisten Pamela Druckerman und Simon Kuper, die im zeitgenössischen Paris spielt.

Dass ihre Firma in Berlin sitzt, soll sie nicht auf deutsche Themen und den deutschen Markt beschränken. Die gebürtige Amerikanerin Anna Winger denkt international, schreibt auch selbst weiterhin auf englisch, obwohl sie vor 16 Jahren mit ihrem Ehemann nach Berlin gezogen ist und neben ihrer Muttersprache auch deutsch und spanisch spricht. Aufgewachsen ist sie in Kenia, den USA und Mexiko, arbeitete lange als Fotografin bevor 2008 ihr erster Roman erschien.

Anna Winger lässt sich nicht in eine Schublade stecken. Aktuelle Leidenschaft bleibt aber das Fernsehen. „Beim Roman schreiben fühlte ich mich immer etwas einsam. Beim Fernsehen arbeitet man in einem Team. Das gefällt mir“, sagt sie im Gespräch mit DWDL.de. Und ergänzt mit Blick auf Studio Airlift: „Wir wollen komplexe, besondere Serien und Filme produzieren, die das Publikum auf der ganzen Welt ansprechen.“ Dass gute Serien inzwischen international verkauft werden, selbst in die USA wie auch Wingers „Deutschland 83“, breche altes Denken auf: Es gebe nicht mehr amerikanische Serien und internationale Serien, erklärte Anna Winger zuletzt oft. „Es gibt nur noch gute und schlechte Serien.“