Der Auftritt von Kelly Luegenbiehl erinnerte ein wenig an die Auftritte der Hollywood-Stars bei "Wetten, dass..?". Eine halbe Stunde sprach die Netflix-Frau über die neuen deutschen Projekte des Streamingdienstes, dann machte sie sich auch schon wieder auf den Weg zum Flieger. Der Diskussion mit den Vertretern der deutschen Sendergruppen entzog sich Luegenbiehl damit, wodurch sie auch nichts von Nico Hofmanns anschließender Botschaft mehr mitbekam. "Wir müssen uns nicht verstecken vor dem, was wir in diesem Land produziert haben", sagte der UFA-Chef auf dem TV-Gipfel der Medientage München.

Netflix sei zwar ein toller Bestandteil der Produktionslandschaft, "aber die Produktionslandschaft ist lebendig und hat viele tolle Player", betonte er und erinnerte zugleich daran, dass bei der UFA noch immer die klassischen Auftraggeber für weit mehr als 90 Prozent des Umsatzes sorgten. "Ich liebe den Wettbewerb. Aber es ist eine Fehleinschätzung, dass wir in diesem Land von Netflix wachgeküsst werden mussten." Ähnlich sah das auch die stellvertretende ZDF-Programmdirektorin Heike Hempel, die zahlreiche fiktionale Projekte des Mainzer Senders verantwortet. Mit einem Seitenhieb auf Netflix sagte sie: "Im ZDF senden wir Originals seit 1963." 

Zugleich betonte Hempel, dass das ZDF eine andere Zielsetzung verfolge als die Konkurrenz. "Wir machen Fernsehen für alle", sagte sie, "und nicht für eine, ich sage mal, Elite." Man sei mit der eigenen Mediathek sehr glücklich und merke, dass speziell Fiction-Inhalte zu deren Stärkung beitragen. Eine Kannibalisierung will sie jedoch nicht feststellen. Klar ist aber auch, dass die Mediathek im eigenen Haus heute anders gesehen wird als noch vor einigen Jahren. "Auch bei uns auf dem Lerchenberg ist angekommen, dass die Mediathek ein eigener Kanal mit eigenen Gesetzen ist."

Über sie spreche man zudem tendenziell ein jüngeres Publikum an, "wobei wir unter 'jung' etwas anderes verstehen", sagte Hempel und meinte damit besonders die Vertreter der Privaten, allen voran RTL-II-Chef Andreas Bartl, dessen Sender jüngst mit "Love Island" neue Rekorde bei TV Now aufstellte. Fortgesetzt habe man die Show vor allem, weil schon die erste Staffel online besser funktioniert habe als im TV. "Wir sehen manchmal die Erfolge schon kommen. Wenn etwas auf TV Now gute Abrufzahlen hat, dann kann man davon ausgehen, dass es auch im Fernsehen gut laufen wird", erklärte Bartl und sprach mit Blick auf "Love Island" von "verrückten Videoview-Zahlen" mit fast einer Million Abrufen pro Tag.

Hoffnungen legt Bartl für die Zukunft auch in den Subscription-Bereich und damit in die Zahlungsbereitschaft der Zuschauer. Bei 30 Millionen Haushalten liege das Potenzial bei rund 1,8 Milliarden Euro, rechnete der Senderchef vor und lieferte damit das Stichwort für den RTL-interactive-Geschäftsführer Jan Wachtel, der gerade dabei ist, TV Now komplett umzubauen (DWDL.de berichtete). "Wir glauben, dass es über eine wahnsinnig große Reichweite einfacher ist, Nutzer auf die Plattform zu bringen", betonte Wachtel auf den Medientagen München. Ziel sei es, diese von den Inhalten zu überzeugen "und in den Subscription-Bereich hochzukonvertieren", wie er es nennt.

"Wir brauchen faire Bedingungen in diesem Markt."
UFA-Chef Nico Hofmann

Dabei sollen nicht zuletzt exklusive Inhalte helfen, wie etwa "M – Eine Stadt sucht einen Mörder" oder "Temptation Island". "Ich glaube schon, dass man in einem SVoD-Angebot mindestens jeden Monat Anreize setzen muss. Es muss jeden Monat etwas geben, das man ins Schaufenster halten kann", so Wachtel, der jedoch auch deutlich machte, dass es schwierig werden wird, in Sachen Technik mit Netflix mithalten zu können. "Unsere Stärke wird darin liegen, näher am spezifischen Kunden zu sein. Wenn du ein lokales Produkt willst, darfst du nicht probieren, den globalen Player in seinen Stärken anzugreifen." Auch ProSiebenSat.1 und Discovery streben mit 7TV daher nicht nach der Weltherrschaft, aber "lokaler deutscher Champion" wolle man schon werden, betonte 7TV-CEO Alexandar Vassilev.

Bleibt die Frage, wer all die Inhalte letztlich auf die Beine stellen wird, denn der Kampf um Produzenten und Regisseure ist durch die neuen Player ohne Zweifel härter geworden. "Wir brauchen faire Bedingungen in diesem Markt", forderte UFA-Chef Nico Hofmann. "Wer hier nachhaltig produzieren will, muss sich auch nachhaltig um Talent bemühen. Was nicht geht, ist, Talent vom Markt wegzukaufen, das wir jahrelang aufgebaut haben." Eine weitere Botschaft, die Hofmann nicht zuletzt an Netflix richtete. Kelly Luegenbiehl befand sich zu diesem Zeitpunkt aber womöglich schon am Flughafen.

Mehr zum Thema