Seit Juni ist Max Conze neuer Vorstandsvorsitzender des Unterföhringer Medienkonzerns. In einem Gespräch mit der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" bezog der 48-Jährige erstmals Position zu seinem Kurs für das aus dem klassischen TV-Geschäft kommenden Hauses. Auch er setzt auf den von Vorgänger Thomas Ebeling eingeschlagenen Kurs des E-Commerce, aber bekräftigt gleichzeitig: "Entertainment boomt. Wir alle wollen unterhalten und informiert werden. Das wird in tausend Jahren noch so sein. Wir erleben gerade ein goldenes Zeitalter der Unterhaltung."
Anders als sein Vorgänger Ebeling, dessen detailversessene und oft herablassende Einmischung ins Tagesgeschäft der Senderverantwortlichen legendär geworden ist, vermittelt Conze im "FAS"-Interview demonstrativ Rückendeckung: "Das Letzte, was unsere Senderchefs haben wollen, ist ein Vorstandsvorsitzender, der auch noch glaubt, er wäre in ihrem Metier besser als sie. Nein, das sind alles Profis, die wissen, was sie machen", sagt Conze. Ein Wink mit dem Zaunpfahl in Richtung Ebeling. Brisant wird, was Conze danach ergänzt: "Abgesehen davon, ist es sowieso antiquiert, wie wir die Quoten messen."
Kritik an der Messung der Einschaltquoten ist so alt wie die Messung dieser für die Branche so wichtigen Währung. Wer versucht ist, hier nicht mehr zu lesen als eine vermeintlich oft gehörte Position, der lässt außer Acht: Es spricht der Vorstandsvorsitzende einer der beiden großen deutschen Privatsender-Gruppen, deren Haupteinnahmequelle bis heute die Vermarktung ihrer Werbeumfelder auf Basis eben dieser Zahlen ist. Conze wird auf Nachfrage der "FAS"-Kollegen Jan Hauser und Georg Meck sogar noch deutlicher.
Habe sich die Quotenmessung im Fernsehen überholt? "Ja, das System hat sich überlebt", konstatiert der ProSiebenSat.1-Vorstandsvorsitzende auf Nachfrage. Sein Konzern ist einer von neun Gesellschaftern der Arbeitsgemeinschaft Videoforschung (AGF), die die Einschaltquoten-Messung verantwortet. Kleinere Sender haben nach Jahren der Klagen hinter vorgehaltener Hand in der vergangenen Zeit schon häufiger öffentlich die Legitimation der im Auftrag der AGF ermittelten Einschaltquoten angezweifelt. Dass jetzt auch ProSiebenSat.1 den TV-Quoten das Vertrauen entzieht, ist explosiv.
"Gemessen wird zum einen die Quote im Fernsehen, zum anderen die digitale Verbreitung. Am wichtigsten ist aber doch, wie viele Menschen insgesamt diese Inhalte schauen - und nicht, über welchen Kanal sie das tun", erklärt Max Conze. Bis heute veröffentlicht die AGF noch keine tagesaktuellen Zahlen die über die lineare Fernsehnutzung hinausgehen. An Absichtserklärungen und Planungen für ein zugegeben schwieriges Unterfangen mangelt es nicht.
Auf die Nachfrage, ob ihn sinkende Quoten demnach auch nicht stören würden, kontert Conze mit einer Korrektur und nochmaliger Kritik an den AGF-Quoten: "Im August haben alle unsere Sender gemeinsam den höchsten Wert seit drei Jahren erreicht, selbst wenn wir in der überholten Währung der Quote rechnen." Mit seinem realistischen Blick auf den Wandel der Mediennutzung und eine dringend notwendige Abbildung dessen, gibt der ProSiebenSat.1-Vorstandsvorsitzende ein richtiges Ziel aus. Doch der Weg dahin ist noch lang.
Was bisher der Aufschrei der Kleinen war, ist jetzt ein Frontalangriff auf den Status Quo der Reichweitenmessung im deutschen Fernsehen. "Antiquiert", "überholt" und "überlebt". Das macht es Werbeverkäufern auch bei ProSiebenSat.1-Vermarkter SevenOne Media nicht einfacher, ihren Kunden die Einschaltquoten als seriöse Reichweiten-Messung zu vermitteln. Vielleicht hilft solch ein Paukenschlag von oben aber der längst begonnenen Diskussion in der Branche über die Dringlichkeit einer umfassenderen Abbildung der Mediennutzung.