In den USA ist das Premium-Angebot von YouTube längst etabliert. „YouTube Red“, wie es einst hieß, war jedoch zunächst auf den US-Markt begrenzt und die Signale von Googles Streaming-Marke zur internationalen Expansion zeitweise uneindeutig. In diesem Jahr wurde das Premium-Angebot von YouTube nun neu aufgestellt, auf weitere Märkte ausgeweitet und auch genauso genannt: Doch was will YouTube Premium eigentlich sein? Mit zahlreichen eigenproduzierten Serien und Formaten im Geschäft von Netflix mitmischen?
1.) Weniger Netflix-Konkurrenz als Upsell-Taktik
Nur bedingt, wie Luke Hyams (Head of Originals für YouTube in Europa, Nahen Osten und Afrika) am Mittwoch beim Edinburgh TV Festival betont. Es ist eine von fünf Erkenntnissen seines Auftritts in Schottland: Natürlich wendet man sich mit Serien wie „Cobra Kai“ oder der bald folgenden SciFi-Serie „Origin“ wie auch Netflix an Serienfans, aber bei YouTube sieht man sich nicht in direkter Konkurrenz. 1,9 Milliarden Menschen nutzen YouTube jeden Monat. In 17 Ländern will man mit YouTube Premium jetzt nach und nach möglichst viele Nutzer zu zahlenden Kunden konvertieren, die nicht nur exklusiven Content sondern ein werbefreies YouTube, YouTube Musik und erweitere Funktionalitäten erhalten. Es gehe um die bessere Monetarisierung der bestehenden YouTube-Nutzerbasis.
2.) Longform schlägt Shortform
Die neuen YouTube Originals sind ein Baustein von mehreren, ähnlich also der Strategie von Amazon, wo Prime Video ebenso als nur einer von mehreren Gründen für ein Prime-Abo betrachtet wird. Die neuen exklusiven Produktionen von YouTube brechen in der Länge ihrer Folgen jedoch mit Traditionen, die die Plattform selbst geschaffen hat. Mit halbstündigen Comedys, einstündigen Drama-Serien und 90-minütigen Specials, Dokus und Filmen ist man weitaus konventioneller und länger als der einst von YouTube geprägte Boom von Shortform Content. „Wer zahlt, erwartet längeren Content“, meint Luke Hyams.
Vergleichsweise neuer Player im SVoD-Markt: YouTube Premium mit den YouTube Originals
3.) Kommentierung erwünscht: Das Anti-Netflix
Es ist kein Zufall, wenn Hyams seinen Auftritt beim Edinburgh TV Festival auch dazu nutzte, um explizit den Wert der Kommentarfunktion zu betonen. Auch bei den YouTube Originals sollen Nutzer weiterhin alle Videos kommentieren und bewerten können. „Wir sehen es als einen entscheidenden Vorteil an, direktes Feedback zu bekommen und unsere Zuschauer miteinander diskutieren zu lassen“, so Hyams. Es ist ein offensichtlicher Gruß an Netflix. Der SVoD-Konkurrent hatte erst kürzlich die User-Reviews zu seinen Produktionen deaktiviert. In den Apps waren sie ohnehin nicht zugänglich, nur bei Nutzung über den Browser. Was Netflix abgeschafft hat, will YouTube also weiter kultivieren. Man gibt sich nah am Nutzerinteresse.
4.) Flexible Veröffentlichung, weniger Bingewatching
Mit dem Markteintritt von Netflix und Amazon Prime Video begann die Ära des Bingewatching, doch die Begeisterung für die Veröffentlichung ganzer Staffeln zur gleichen Zeit schwindet. Bei Amazon Prime Video dominiert noch die Veröffentlichung in einem Rutsch, einzelen Formate aber kamen schon Woche für Woche („The Grand Tour“). YouTube Premium geht einen Schritt weiter: Viele neue Originals würden Woche für Woche veröffentlicht. Diese Taktung mit ihrer Vorfreude auf die nächste Folge würden YouTube-Nutzer schließlich von den meisten abonnierten Kanälen ohnehin schon kennen. Bingewatching sei bei YouTube Premium daher eher Ausnahme als Regel.
Was YouTube sagt, wird gemacht: Das Publikum in Edinburgh bindet sich das Stirnband zur Serie "Cobra Kai" um.
5.) Zugang für Kreative vereinfachen
Dem Fachpublikum aus Fernsehproduzenten und Kreativen beim TV Festival in Edinburgh wollte Luke Hyams am Ende - nach Werbung für "Cobra Kai" und "Origin" - noch die Botschaft mit auf den Weg geben, dass YouTube als New Kid on the Block im Geschäft mit Highend-Produktionen bei der Suche nach neuen Stoffen zugänglicher sein will als andere Marktteilnehmer - und nennt eine eMail-Adresse für die Einsendung von Ideen. Wer eine gute Idee habe, sollte sich doch einfach direkt unter ytosubmission@gmail.com melden. Bleibt für die Übersicht all der eintreffenden Mails nur zu hoffen, dass der hauseigene Spam-Filter wirkt.