In einem knappen Statement ließ der WDR am Montag verlauten, dass man sich mit dem gefeuerten Fernsehfilmchef Gebhard Henke außergerichtlich geeinigt habe. Henke sah sich mehreren Belästigungsvorwürfen ausgesetzt - die meisten Frauen blieben jedoch anonym. In der Wochenzeitung "Die Zeit" hat sich Henke jetzt erstmals zusammen mit seinem Anwalt ausführlich zu den Vorwürfen geäußert und diese vehement zurückgewiesen. "Ein Nein respektiere ich stets. Ich glaube, ich weiß, wo die Grenzen sind", sagte er und bestritt zugleich, "jemals sexuell übergriffig geworden zu sein." Und weiter: "Es gab keine Übergriffe, keine sexuellen Annäherungen, gar noch verbunden mit dem Versprechen, das Eingehen auf meine angeblichen Avancen mit Jobs zu belohnen."
Der langjährige WDR-Mitarbeiter konterte auch dem ebenfalls anonyom geäußerten Vorwurf, er habe einer Schauspielerin Hauptrollen versprochen und ihr dabei in einem Restaurant eine Hand aufs Knie gelegt. "So etwas Absurdes kann ich schon deshalb nicht gesagt haben, weil ich allein keine Rollen vergebe. Bei uns werden grundsätzlich Rollen im Team mit Regie, Produktion, Redaktion und Castern gemeinsam besprochen und entschieden. Ich würde niemals versuchen, jemanden gegenüber einem Regisseur durchzusetzen, das geht einfach nicht, und schon deshalb ist die mir unterstellte Behauptung erfunden."
"Nach langen Diskussionen mit Kolleginnen und Kollegen" habe er zwar ein Letztentscheidungsrecht über die Realisierung eines Projekts, "aber diese Dämonisierung, als wäre da ein testosterongesteuerter Mann, der bestimmen kann, diese oder jene soll Hauptdarstellerin werden, oder deren Haarfarbe passt mir nicht - das ist völlig realitätsfremd. Außerdem muss ich alle meine Entscheidungen gegenüber dem Direktor vertreten und diese von ihm den Gremien genehmigen lassen." Gemeint ist WDR-Fernsehdirektor Jörg Schönenborn, zu dem das Vertrauensverhältnis zerstört sei, weil dieser ihn öffentlich vorverurteilt habe, wie Gebhard Henke in der "Zeit" erklärt.
"Niemand sagt mir: Wer? Wann? Wo?"
Gebhard Henke, ehemalige WDR-Fernsehfilmchef
Generell sieht sich Henke als Opfer einer Kampagne. Er habe auf der Autobahn am Telefon von der Kündigung erfahren, am selben Abend habe dann schon in "Bild" gestanden "Buhrow räumt auf". "Bis dahin konnten ja nur sehr wenige Personen aus der WDR-Spitze davon wissen", so Henke. Im Interview vermutet er, der WDR habe an ihm ein Exempel statuieren wollen. "Der WDR wurde angegriffen, weil er in weiteren Fällen in der Vergangenheit offenbar nachlässig gehandelt hat", so der ehemalige Fernsehfilmchef. "Deshalb sind Intendant und Fernsehdirektor nun unter Druck, und den Dampf lassen Sie bei mir ab."
Er selbst habe sich noch Wochen zuvor im Fall Wedel ehemalige Schauspielerinnen interviewt und sei dadurch auch auf Opfer gestoßen. Henke: "Noch im Januar / Februar 2018 ist die Sache im WDR ziemlich lax und unprofessionell gehandhabt worden. Ich habe mich jedenfalls im Fall Wedel um sorgfältige Aufklärung bemüht. Nie wäre ich darauf gekommen, dass mir selbst einmal vorgeworfen würde, mich unangemessen verhalten oder Macht missbraucht zu haben."
Henke beschuldigt seinen ehemaligen Arbeitgeber, anonyme Anschuldigungen gegen ihn übernommen zu haben, ohne diese geprüft zu haben. "Aber niemand sagt mir: Wer? Wann? Wo? Wie soll ein Mensch sich dagegen verteidigen?" Henkes Anwalt Peter Raue vermutet, dass sein Mandant in der Öffentlichkeit als Sündenbock dienen sollte. "Henke ist das Bauernopfer", so Raue. Wie es zu den Vorwürfen kam, erklärt Henke so: "Jemand, der Einfluss hat und Dinge befördern kann, dem kann man leicht vorwerfen, die Macht negativ genutzt und Leute ausgebremst zu haben. Auch wenn Beweise fehlen." Sein Ruf sei jetzt ruiniert, sagte Henke, "da darf man sich nicht vertun".
Auf die Frage der "Zeit", ob er merke, dass die Leute ihn meiden, antwortet Gebhard Henke: "Naja, ich habe erst mal große Zuwendung aus der Filmbranche bekommen. Es gibt eine öffentliche Erklärung von 35 Frauen, darunter Iris Berben, Barbara Auer und Feo Aladag. Und es gibt Leute, die erstarrt und schockiert reagieren wie bei einem Todesfall, sie wissen nicht, ob man die Hinterbliebenen anrufen oder in Ruhe lassen soll. Passanten gucken mich auf der Straße an, die Angestellten in meiner Bank. Das habe ich dem Kölner 'Express' zu verdanken. Wenn Sie zweimal auf dem Titel einer Boulevardzeitung sind, kennt man Sie."