In Sachen Medien-Konzentration ist in Österreich so einiges schief gelaufen. So auch im Jahr 2001, als die Verlagsgruppe News mit der Kurier-Zeitschriftenholding ZVB fusionierte. Damals ging die Nummer eins mit der Nummer zwei am Markt zusammen, der "Kurier" selbst war damals und ist noch heute Teil der im Zeitungsbereich beherrschenden Mediaprint und hielt fortan 25,3 Prozent an der neuen Verlagsgruppe News, die lange auf rund 90 Prozent Marktanteil kam. Die Fusion wird unter österreichischen Medien-Experten wahlweise als "Super-GAU der Medienkonzentration" oder als "deutlichste Verwerfung im Printsektor" bezeichnet. Dass die Fusion trotzdem stattfand, lag an einigen Tricksereien. So wurden von den beteiligten Parteien eigene Marktanteile klein gerechnet und die Konkurrenz größer geschätzt, als sie eigentlich war. Teilweise wurden Mitbewerber einfach erfunden. Das Kartellamt argumentierte schließlich auf mehr als 50 Seiten gegen die Fusion, ließ sie dann aber unter niedrigen Auflagen doch zu. Nun hat der "Super-GAU der Medienkonzentration" vorerst ein überraschendes Ende gefunden.
Wie dem neuesten Eintrag im Österreichischen Firmenbuch zu entnehmen ist, hat der "Kurier" seine Anteile an der Verlagsgruppe nämlich verloren. Das Unternehmen gehört nun zu 75 Prozent Horst Pirker, der den Verlag seit 2014 leitet und 2016 den 56-prozentigen Geschäftsanteil von Gruner + Jahr übernahm. Der deutsche Verlag trennte sich zuletzt unter Julia Jäkel von einigen Auslandsbeteiligungen, wollte aber auch nicht mehr die Verluste mittragen, die sich bei der Verlagsgruppe News anhäuften. Pirker dürfte die Anteile nicht nur relativ günstig bekommen haben, G+J soll dem Verleger auch noch rund 15 Millionen Euro mit auf den Weg gegeben hatte. Zuvor hatten sich die Gesellschafter über Jahre hinweg alle Gewinne auszahlen lassen.
Dass Pirker nun die "Kurier"-Anteile übernommen hat, hat er der Tatsache zu verdanken, dass er G+J 2016 auch die Option auf eben diese Anteile abgekauft hatte. Ursprünglich wurde die Option 2001 vereinbart. Pirker hat sie bereits im Januar gemeinsam mit den Fellners gezogen, die die restlichen 25 Prozent an der Verlagsgruppe News halten. Mit der nun erfolgten Eintragung in das Firmenbuch ist der "Kurier" also raus bei der größten Magazingruppe Österreichs - und der "Super-GAU" damit Geschichte.
"Kurier" kündigt rechtliche Schritte an
Beim "Kurier" ist man aber alles andere als einverstanden mit dem Vorgehen Pirkers. Man will die feindliche Übernahme der News-Anteile nun gerichtlich überprüfen lassen. "Kurier"-Geschäftsführer Thomas Kralinger kündigte gegenüber der Tageszeitung "Standard" bereits entsprechende Schritte an. Kralinger ist überzeugt davon, dass die Option zur Übernahme der "Kurier"-Anteile 2016 gar nicht von G+J auf Horst Pirker übergegangen ist. Zuletzt scheiterte der "Kurier" vor dem Obersten Gerichtshof damit, ein Schiedsgericht einzusetzen. Ein zweiter Anlauf läuft noch. Auf DWDL.de-Nachfrage wollte sich Kralinger nicht zu den Geschehnissen äußern. Auch von der Verlagsgruppe News und Horst Pirker gibt es bislang keine öffentlichen Statements - auch er ließ eine DWDL.de-Anfrage unbeantwortet.
Fest steht, dass Pirker den Verlag in den vergangenen Jahren kräftig umgebaut hat. Der Geschäftsführer und Gesellschafter verordnete dem Unternehmen einen radikalen Sparkurs: Viele Mitarbeiter mussten gehen, rund 20 Prozent der Jobs fielen weg. In der Konzernzentrale hat man aufgrund der Verkleinerung sogar einige Stockwerke an den Vermieter zurückgegeben. Der Umsatz sank von rund 134 Millionen Euro im Jahr 2007 auf 87 Millionen Euro 2016. Seit 2014 steckt das Unternehmen in den roten Zahlen. 2017 soll der Umsatz weiter gesunken sein, gleichzeitig habe man wieder einen kleinen Gewinn erwirtschaftet, sagte Pirker zuletzt. Wie viel, ist derzeit noch nicht im Firmenbuch einsehbar.
2014 rutschte die Verlagsgruppe News in die Verlustzone.
Die große Baustelle des Verlags ist und bleibt das Flaggschiff - das Nachrichtenmagazin "News". Das fährt immer noch große Verluste ein. Gerüchte, man wolle das Magazin einstellen, werden seit Jahren dementiert. Pirker sieht sich hier auch in der Rolle des journalistischen Verlegers, der eine Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit hat. Gleichzeitig macht er immer wieder klar, dass er keinem Magazin einen Freifahrtschein ausstellt - auch bei "News" muss kräftig gespart werden. Unter Pirker erfuhr "News" 2015 einen großen Relaunch - inhaltlich wie personell. Der große Befreiungsschlag blieb damals aus, nach zwei Jahren musste Chefredakteurin Eva Weissenberger schon wieder gehen. Online findet "News" praktisch nicht statt, hier fehlt es, wie bei so ziemlich allen Magazinen des Verlags, an einer konsequenten Strategie. Während mit "Spiegel Online" hierzulande ein Titel bei den News-Portalen vorne mitspielt, der ursprünglich aus dem Magazin-Bereich kam, werden die Online-Nachrichten in Österreich vom ORF und den Tageszeitungen dominiert. Wie sehr die Bedeutung von "News" mittlerweile gesunken ist, zeigt die Tatsache, dass sich die Verlagsgruppe News demnächst umbennen will. Neuer Name: VGN Medien Holding. Das "News" wurde aus dem Namen gestrichen.
Schon vor der Übernahme der "Kurier"-Anteile konnte Pirker mit seinen 56 Prozent bei der Verlagsgruppe News durchregieren. Dass er nun auch den Konkurrenten ausgebootet hat und dessen Anteile am Unternehmen übernommen hat, zeigt auch, dass Pirker an das Unternehmen und seine Zukunft glaubt. Schließlich dürfte der Geschäftsführer aber auch die günstige Gelegenheit erkannt haben: Wie der stets gut vernetzte Medienjournalist Harald Fidler berichtet, konnte Pirker die "Kurier"-Anteile für relativ wenig Geld übernehmen. Demnach hing der Preis für die 25,3 Prozent an dem Geschäftsverlauf der vergangenen drei Jahre - und hier wurden dicke Verluste eingefahren.
Österreich ist und bleibt ein Print-Land, das war schon immer so und das wird auch in den kommenden Jahren noch so sein. Doch der Druck steigt, das zeigt auch die Tatsache, dass das Pressevertriebs-Unternehmen Morawa zuletzt ankündigte, den Zeitungsvertrieb einstellen zu wollen. Künftig wird man keine Zeitungen und Zeitschriften mehr an den Einzelhandel liefern, begründet wurde das mit stark rückläufigen Verkäufen eben dieser Zeitungen und Magazine. Davon ist natürlich auch die Verlagsgruppe News betroffen, die Branche muss nun eine Alternative suchen. Weil es aber gar nicht so viele Alternativen gibt, wird es in diesem Bereich zu einer noch stärkeren Konzentration auf wenige Unternehmen kommen. Immerhin hat die Medien-Konzentration durch den Schachzug von Horst Pirker auch ein kleines bisschen abgenommen. Die Verbindung zwischen den zwei beherrschenden Zeitungs- und Zeitschriften-Verlagen ist getrennt.