Über das Timing lässt sich streiten. Die Branche befand sich schon auf dem Weg ins Wochenende, da brachten 92 Drehbuchautorinnen und -autoren am Freitagabend ihre Initiative "Kontrakt '18" ins Rollen. Kein leichter Stoff für einen Plausch an einem sonnigen Sommerabend, sondern eine sehr klar formulierte Selbstverpflichtungserklärung, die ab Anfang Juli gelten soll und auf mehr Mitbestimmung zielt. Die Unterzeichner verpflichten sich, in Zukunft nur noch dann in Vertragsverhandlungen einzutreten, wenn ihnen fünf Optionen angeboten werden, darunter die Verantwortung für das Buch bis zur endgültigen Drehfassung und ein Mitspracherecht bei der Besetzung der Regie.
Zugleich wollen sie Aufträge zu Drehbuch-Überarbeitungen nur dann noch annehmen, wenn sie sich zuvor mit den aus dem Projekt ausscheidenden Kollegen verständigt haben. "Die Kontroverse um das Nominierungs- und Einladungsverfahren des Deutschen Fernsehpreises im Januar hat ein deutliches Schlaglicht darauf geworfen, wo es mit der Wertschätzung für Autorenleistung hapert. Daran knüpfen wir jetzt selbstbewusst an", erklärte Serienschöpferin Annette Hess am Freitag gegenüber dem Medienmagazin DWDL.de. Ihre Aussage, vor allem aber das Papier an sich sind Beleg für ein neu gewonnenes Selbstbewusstsein der schreibenden Zunft.
Das Lob für die Initiative durch den Drehbuchautoren-Verband ließ nicht lange auf sich warten. Die Verantwortlichen bei den Fernsehsendern dürften sich dagegen ein Stück weit die Augen gerieben haben angesichts der Forderungen, mit denen sie sich seither konfrontiert sehen. Von manchen Sender-Fluren ist von Verwunderung bis Irritation zu hören über die Art und Weise, wie die Bedingungen kommuniziert wurden. Manch einer hätte sich einen anderen, weniger öffentlichen Weg gewünscht.
Offiziell üben sich die Sender jedoch aller Orten in Gelassenheit. Vom MDR heißt es, der Forderungskatalog richte sich ohnehin wohl eher an die Produzentenlandschaft. Im Juli werde es jedoch am Rande des Filmfests wieder ein Werkstattgespräch mit den Autorinnen und Autoren geben. Auch das ZDF plant gemeinsam mit Vertretern der deutscher Drehbuchautoren eine Veranstaltung. Hier sollen im August Maßnahmen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen diskutiert werden. Ziel sei es, "die enge Zusammenarbeit mit Drehbuchautorinnen und Drehbuchautoren zu stärken", erklärt ein ZDF-Sprecher auf Nachfrage und verweist gleichzeitig auf eine schon bestehende partnerschaftliche Zusammenarbeit "mit allen Kreativen der Film- und Fernsehwirtschaft".
Wertschätzung für Autoren, aber auch Kritik
Ganz ähnlich klingt das in Unterföhring. "Einige der Forderungen der Drehbuchautoren werden in der deutschen Fiction von ProSiebenSat.1 bereits gelebt", betont Stefan Gärtner, SVP Koproduktion & Filmpolitik bei ProSiebenSat.1 und zugleich Geschäftsführer von SevenPictures Film, gegenüber DWDL.de. "So verstehen wir insbesondere die Forderung nach Respektierung von Werk und Person von Autorinnen und Autoren und versuchen, diese bereits in unserer täglichen Praxis zu realisieren." An anderer Stelle müsse dagegen verstärkt diskutiert und differenziert werden, so Gärtner - "gerade auch wegen der vielfältigen und oft gemeinschaftlichen Entstehungsprozesse von Filmwerken".
"Wir freuen uns auf den angestoßenen Diskurs, in dem man aber auch nicht vergessen darf, wer das wirtschaftliche Risiko trägt."
Philipp Steffens, RTL-Fictionchef
Auch eine Veranstaltungsreihe trage diesen Namen, so Steffens. Hinzu kommt eine Pressekonferenz, auf der man erst vor wenigen Monaten die Autoren in den Vordergrund gestellt habe. Durch all diese Schritte wolle man der Wertschätzung Ausdruck verleihen. Von eben jener Wertschätzung erzählt auch Sky-Entertainment-Chef Marcus Ammon. "Bekanntlich verfügt Sky bei fiktionalen Eigenproduktionen noch nicht über eine lange Tradition. Wenn ich mir unsere ersten Produktionen ansehe, registriere ich - zumindest aus unserer Sicht - eine sehr intensive und wertschätzende Zusammenarbeit mit den Autoren, was für mich keine besondere Leistung, sondern ehe eine Selbstverständlichkeit darstellt."
Eine andere Form des Miteinanders könne er sich "im Sinne einer erfolgreichen Arbeit auch gar nicht vorstellen", so Ammon. Doch zu welchen Zugeständnissen sind die Sender am Ende tatsächlich bereit? Auf die konkreten Forderungen angesprochen, kommt RTL-Fictionchef Philipp Steffens daher letztlich auch aufs Geld zu sprechen. "Wir freuen uns auf den angestoßenen Diskurs, in dem man aber auch nicht vergessen darf, wer das wirtschaftliche Risiko trägt, und dass in jeder Entwicklung neben der kreativen Freiheit auch der Adressat und Zuschauer nicht aus dem Auge verloren gehen darf."
Die Aussage macht deutlich, dass die Verhandlungen mit den Autoren nicht einfach werden dürften. Kritik an einem Punkt kommt zudem von Hannes Heyelmann, Geschäftsführer von Turner in Zentral- und Osteuropa. "Wir legen Wert darauf, auf Augenhöhe zusammenzuarbeiten, weshalb wir viele Punkte von 'Kontrakt ’18' bereits umsetzen", schiebt Heyelmann, der bei TNT Serie einst die erste deutsche Pay-TV-Sender ins Programm nahm, im Gespräch mit DWDL.de vorweg. "Wir begrüßen auch Vorschläge der Autoren zu Regie, allerdings muss anders als von 'Kontrakt '18' gefordert, die endgültige Entscheidung über die Auswahl der Regisseurin oder des Regisseurs beim Sender liegen, der die Produktion beauftragt und maßgeblich oder voll finanziert. Denn wenn solche Entscheidungen ausschließlich einvernehmlich getroffen werden können, kann das die gesamte Produktion blockieren."
Die 92 Unterzeichner des Papiers werden mit derartigem Gegenwind gerechnet haben. Mancher Sender oder Produzent werde natürlich auch künftig "um jeden einzelnen Punkt schachern", vermutete Autorin Annette Hess schon vor einigen Tagen. "Da ist es an uns, hart zu bleiben. Wichtig ist doch, dass wir diese Diskussion überhaupt erst einmal konsequent führen." Zumindest das ist mit dem "Kontrakt '18" bereits erreicht worden.