Seit Tagen wird über einen WDR-Korrespondenten berichtet, der jahrelang junge Mitarbeiterinnen belästigt haben soll. Der Fall wurde vom "Stern" und dem Recherchezentrum Correctiv aufgedeckt, mittlerweile wurde der Mitarbeiter freigestellt. WDR-Intendant Tom Buhrow erklärte erst am Mittwoch in einem dpa-Interview, dass er künftig besser aufklären will, damit sich mutmaßliche Opfer schnell bei den entsprechenden Stellen im Sender melden (DWDL.de berichtete). Nun berichten "Stern" und Correctiv von einem neuen Fall, der erneut ein schlechtes Licht auf den WDR wirft.

Die beiden Medien berichten von einem Mann, der über Jahre hinweg ebenfalls seine Stellung im Sender missbraucht haben soll. Aus juristischen Gründen nennen sie seinen Namen nicht, aber auch er berichtet offenbar bis heute für die ARD. "Man sieht ihn regelmäßig in der ‘Tagesschau’ und in den ‘Tagesthemen’", so der "Stern". Erste Vorwürfe gegen den Mitarbeiter wurden demnach offenbar schon 2010 bekannt: Ein anderer Mitarbeiter hatte Kontakt zu Kolleginnen, die über sexuelle Belästigung, Mobbing und Machtmissbrauch in ihrer Programmgruppe berichteten. In nahezu allen Schilderungen kam der eine Mitarbeiter vor, der Mann trug das an die Senderspitze heran.

Die damalige Programmdirektorin Verena Kulenkampff soll den Hinweisgeber daraufhin gebeten haben, den Frauen mitzuteilen, dass sie sich bitte bei einer Vertreterin des Personalrats melden sollen. Das taten sie dann auch und verlangten Anonymität. Die Personalrätin stellte daraufhin offenbar mögliche Verstöße fest und setzte davon auch die WDR-Spitze in Kenntnis. Sie machte sogar konkrete Vorschläge, wie der WDR mit den Vorwürfen umgehen solle. "Stern" und Correctiv beziehen sich in ihren neuesten Recherchen auf Sender-Dokumente.

Drei Monate später gab es dann eine Entscheidung - die lässt sich heute aber wohl nur noch schwer nachzuvollziehen. So wurde offenbar der männliche Hinweisgeber ermahnt. Der Sender verbot dem Mitarbeiter, von sexueller Belästigung in der entsprechenden Programmgruppe zu sprechen. "Sollten Sie sich an diese Vorgabe nicht halten, kann das Auswirkungen auf Ihr Arbeitsverhältnis haben", hieß es damals.

Der mutmaßliche Täter ist derzeit im Urlaub und hat sich gegenüber "Stern" und Correctiv nicht zu der Sache geäußert. Vom WDR heißt es, dass es in dem betreffenden Jahr tatsächlich Hinweise auf ein mögliches Fehlverhalten gegeben habe. Diesen Hinweisen sei man "sehr sorgfältig nachgegangen". Der WDR teilt dann aber mit: "Abschließend ergab die damalige Prüfung, dass die Vorwürfe nicht aufgeklärt werden konnten. Zu weiteren Details äußern wir uns aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht."

In der vergangenen Woche hatte die Personalrats-Chefin des WDR, Christine Seitz, deutliche Kritik an der Führung des Senders geübt (DWDL.de berichtete). Sie kritisierte, dass die Chefetage die Verantwortung auf das Interventionsteam, bei der sich mutmaßliche Opfer melden können, abwälzen wolle. "Weder wird in diesem Haus der Personalabteilung eine eigenmächtige Rolle in brisanten Personalien zugestanden. Und schon gar nicht dem Personalrat oder der Gleichstellungsbeauftragten", so Seitz. Sie trat daraufhin aus dem Gremium aus.