In der vergangenen Woche berichteten "Stern" und das Recherche-Büro "Correctiv" über Belästigungsvorwürfe gegen einen Korrespondenten des WDR. Er soll unter anderem einer Praktikantin einen Porno gezeigt und einer anderen Mitarbeiterin per Mail sexuelle Avancen gemacht haben. Der WDR sieht sich nun Kritik gegenüber, angesichts der Vorwüfe nicht konsequent genug reagiert zu haben. So hat es keine Abmahnung, sondern lediglich eine Ermahnung gegeben, der Korrespondent arbeitet zudem nach wie vor für den WDR. Der WDR spricht trotzdem vom "Maximum an rechtlichen und disziplinarischen Möglichkeiten", die ausgeschöpft worden seien.
In der Erklärung des Senders wird außerdem auf ein Gremium verwiesen, das 2015 eingeführt worden sei. Wörtlich heißt es vom WDR: "Ein Opfer kann sich an ein interdisziplinär besetztes Interventionsteam wenden, darunter auch ein Mitglied des Personalrats und die Gleichstellungsbeauftragte. Dieses Team hat das Mandat, Hinweise zu prüfen und arbeitsrechtliche Konsequenzen vorzuschlagen, die dann von der Personalabteilung umgesetzt werden." Das wiederum brachte Personalratschefin Christine Seitz in Rage. Sie sieht einem "Stern"-Bericht zufolge in der Erklärung offenbar den Versuch der WDR-Führung, die eigene Verantwortung auf dieses Gremium abzuwälzen. Ihnen solle der Schwarze Peter zugeschoben werden, di Verantwortung werde somit "auf den Kopf gestellt".
Seitz weist in der Mail darauf hin, dass Fernsehdirektor Jörg Schönenborn der Vorgesetzte des betreffenden Auslandskorrespondenten ist, dessen Vorgesetzter wiederum Tom Buhrow - beide stünden also in der Verantwortung."Weder wird in diesem Haus der Personalabteilung eine eigenmächtige Rolle in brisanten Personalien zugestanden. Und schon gar nicht dem Personalrat oder der Gleichstellungsbeauftragten", zitiert der "Stern" aus der Mail. Sie kündigt daher ihren Rückzug aus dem Gremium an, auch ihre Bemühungen um eine Neufassung der Dienstvereinbarung gegen sexuelle Belästigung wolle sie einstellen.
Seitz belässt es aber nicht bei diesen Vorwürfen, sondern übt auch generelle Kritik am Umgang des WDR mit Belästigungsvorwürfen. Forderungen, eine umfassende, strukturelle Kontrolle und Ahndung von Machtmissbrauch und Herabwürdigung gegenüber Schwächeren und Abhängigen zu gewährleisten, seien "teils ins Lächerliche gezogen, teils als überflüssig oder zu aufwändig erklärt" worden. Die Vorschläge seien abgelehnt, aufgeschoben oder verwässert worden. Sie spricht der WDR-Führung schließlich den Willen ab, "das seelische und körperliche Wohl der Beschäftigten als zentrales Anliegen" zu sehen.
Gegenüber "Spiegel Online" hat sich unterdessen WDR-Chefredakteurin Sonia Mikich zu dem Fall geäußert und unter anderem betont, dass die Konsequenzen für den Korrespondenten schwerwiegender seien als es nach außen wirke. "Wir sind sehr viel härter vorgegangen als im Artikel beschrieben". Ins Detail könne sie aber aufgrund des Persönlichkeitsschutzes nicht gehen. Die Vorwürfe der Personalratschefin finde sie bedauerlich, ebenso ihren Rückzug aus dem Interventionsteam. Mikich: "Ich finde es traurig, dass ein so wichtiges Instrument wie das Interventionsteam gerade jetzt durch eine Auseinandersetzung womöglich geschwächt wird." Redebedarf im WDR sieht jedenfalls auch sie: "Als Feministin sage ich, wir müssen hier im Unternehmen darüber reden, wie wir Rollenverhalten bewerten und geschlechtssensibel auftreten: Wie machen wir aus alten Machos bessere Menschen? Das ist ein Diskurs innerhalb des Senders wie auch in der Gesellschaft insgesamt."