Jörg Grabosch und Dr. Andreas Scheuermann haben Post bekommen. In dem Schreiben des französischen Medienhauses Banijay Entertainment an die beiden geschäftsführenden Brainpool-Gesellschafter, das auch Ralf Günther und Stefan Raab als weitere Gesellschafter der Kölner TV-Produktionsfirma erhalten haben, geht es um nichts weniger als um das Lebenswerk von Grabosch, der mit Brainpool vor fast einem Vierteljahrhundert eines der schillerndsten deutschen TV-Produktionshäuser gründete.
Banijay, das durch den Erwerb von Raabs Anteilen bald mit 62,5 Prozent die Mehrheit an Brainpool hält, ist gewillt, das Imperium nach eigenen Vorstellungen umzubauen - und zwar möglichst ohne Scheuermann und Grabosch, dessen Name wie kein zweiter von Beginn an mit Brainpool verbunden wird. Hinter dem zwölf Seiten umfassenden Brief, der dem Medienmagazin DWDL.de vorliegt, verbirgt sich die Einladung zu einer Gesellschafterversammlung, die für den 29. März in einem Kölner 5-Sterne-Hotel angesetzt ist.
"Die Tagesordnung offenbart, wie sich die Gesellschafter Banijay und Raab die Zukunft von Brainpool vorstellen", schrieben Grabosch und Scheuermann am Mittwochnachmittag in einer dem Medienmagazin DWDL.de vorliegenden Hausmitteilung, in der die beiden Geschäftsführer die Belegschaft über die Vorgänge informieren. Im Anhang: Die Einladung zur außerordentlichen Gesellschafterversammlung, wo die beiden mit ihren jeweils 12,5 Prozent der Anteile am Unternehmen ihr Aus allerdings nicht mehr verhindern können.
Erster Tagesordnungspunkt der außerordentlichen Gesellschafterversammlung der Brainpool Beteiligungsgesellschaft ist der Vollzug des vor zwei Wochen angekündigten Verkaufs der bisher von Stefan Raab gehaltenen Anteile. Und Banijay Entertainment will direkt im Anschluss keine Zeit verlieren. Die Tagesordnungspunkte 3 bis 15 sollen die künftigen Verantwortlichkeiten klären. Jörg Grabosch und Dr. Andreas Scheuermann sollen sowohl als Geschäftsführer der Brainpool-Beteiligungsgesellschaft, als auch von der Brainpool TV GmbH und von Raab TV GmBH abberufen werden.
Tagesordnungspunkt 14 und 15 weisen Grabosch und Scheuermann dann unvermissverständlich den Weg zur Tür: "Der Geschäftsführeranstellungsvertrag von Herrn Jörg Grabosch mit der BRTV ist zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu beenden; die Geschäftsführung der Gesellschaft wird hiermit angewiesen, unverzüglich alle dafür erforderlichen Maßnahme zu ergreifen, bzw. darauf hinwirken, dass alle dafür erfolgreichen Maßnahmen ergriffen werden."
In der gleichen Gesellschafterversammlung soll auf Wunsch von Banijay ein neuer Geschäftsführer bei der Brainpool Beteiligungsgesellschaft, Brainpool TV und auch Raab TV installiert werden: Peter Langenberg, derzeit COO der Banijay Group und CEO der Banijay UK Ltd., soll als einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer neuer Lenker der Geschicke in Köln werden. Langenberg, der in der Vergangenheit auch schon für Warner Bros. und Endemol tätig war, vertritt die Gesellschaft auch dann einzeln, wenn mehrere Geschäftsführer bestellt sind. Neben Grabosch und Scheuermann sind das derzeit auch noch Tobias Baumann, Andreas Viek und Godehard Wolpers.
Von ihnen will sich Banijay nach aktuellem Stand offenbar nicht trennen. Denn auch wenn sie nach den Vorstellungen der Franzosen die operativen Entscheidungen dem neuen starken Mann überlassen müssen, so sollen sie weiterhin für kreative Impulse sorgen: Wolpers verantwortet Produktionen im Geschäftsbereich "Show und Artist Related Entertainment" und damit etwa die erfolgreichen Sat.1-Comedyshows mit Luke Mockridge, Viek ist unter anderem für den Ausbau der Produktionstätigkeit im Bereich "Light Entertainment" verantwortlich und zeichnete beispielsweise als Produzent des Deutschen Comedypreises verantwortlich, Tobi Baumann wiederum steht für nicht zuletzt für die jüngst bei Amazon untergebrachte Comedyserie "Pastewka".
Mit Stefan Raab will Banijay auch in Zukunft zusammenarbeiten. Bereits bei der Ankündigung der Übernahme seiner Anteile hieß es, Raab solle wieder Hauptgesellschafter von Raab TV werden. Auf der Gesellschafterversammlung Ende März will Banijay daher auch ein sogenanntes "Master Agreement" zwischen Raab, dessen Firma Raab TV und Brainpool TV abschließen. Was das genau heißt und welche Auswirkungen das auf die aktuellen Brainpool-Produktionen hat, ist derzeit aber noch unklar.
Das Ende einer langen Freundschaft
Die Pläne zum Umbau von Brainpool dürften auch das endgültige Aus der lange so erfolgreichen Freundschaft zwischen Stefan Raab und Jörg Grabosch besiegeln, immerhin hat Raabs Rückzug von Brainpool, den sich der im Ruhestand befindliche TV-Moderator Medienberichten zufolge mit mehr als neun Millionen Euro vergolden ließ, erst dafür gesorgt, dass Grabosch sein Baby aus der Hand genommen werden kann.
Das Verhältnis zwischen Banijay Entertainment und der Geschäftsführung von Brainpool TV war schon länger angespannt. Mit dem Einstieg von Banijay im Juli 2009 hatte sich das nach Internationalisierung strebende französische Produktionshaus ein Standbein im deutschen Markt erhofft. In diesem wie anderen Fällen der international gewachsenen Produzenten-Netzwerke ging es darum, den Katalog der Banijay-Fernsehformate auf diesem Weg in Deutschland selbst produzieren zu können. Doch dazu kam es nie.
In Köln erachtete man die Formate aus dem Banijay-Katalog aber als nicht attraktiv genug, um damit bei deutschen Sendern hausieren zu gehen. Lange brachte der Einstieg von Banijay so keinerlei Synergien. Ein Umstand, über den man in Paris lange Zeit gütig hinweg gesehen hat. Dank Stefan Raab als Akteur vor der Kamera und dem erfolgreichen Ausflug Brainpools in die Welt des Eurovision Song Contests verdiente Brainpool zur Freude aller Gesellschafter gutes Geld.
"Wir können wirklich nicht ohne die, die können aber auch nicht ohne uns."
Jörg Grabosch im Jahr 2016 über das Verhältnis zu Banijay
Doch durch Raabs Rückzug als TV-Akteur brach das Geschäft ein. Der Druck aus Paris wurde größer. So wurden zuletzt auch für Brainpool untypische Formate wie das Nacktdating "Undressed" für RTL II umgesetzt, ein Format aus dem lange gemiedenen Katalog von Banijay, der durch die zwischenzeitliche Übernahme von Zodiak Media durch Banijay sogar noch größer geworden ist. Konkret: Die Franzosen sind inzwischen hinter EndemolShine und Fremantle der drittgrößte europäische TV-Produktionskonzern.
Für die Umsetzung solcher Katalog-Formate hatte Grabosch sogar in Erwägung gezogen, eine eigene Unit mit dem Arbeitstitel Zodiak Germany aufzusetzen. Die Marke Brainpool hatte der Firmengründer offenbar weiterhin auf einem höherwertigen Level verortet. Das Verhältnis zwischen den Franzosen und ihrer deutschen Beteiligung war somit schon länger eine tickende Zeitbombe. Der Frieden wurde allein von den paritätischen Beteiligungsverhältnissen gesichert.
Grabosch selbst formulierte es vor zwei Jahren so: "Wir können wirklich nicht ohne die, die können aber auch nicht ohne uns." Stefan Raab wusste um diesen Umstand, als er sich zum Verkauf seiner Anteile an Banijay entschieden hat. Sie gaben Banijay Entertainment erst die nötige Mehrheit für den Rauswurf von Jörg Grabosch und Andreas Scheuermann. Sie werden die künftigen Spielzüge von Banijay bei Brainpool TV beziehungsweise Raab TV nur noch vom Spielfeldrand verfolgen können.