Am Ende behielten die Meinungsforscher recht: Schon in den vergangenen Wochen sahen diverse Umfragen eine Niederlage der "No Billag"-Initiatoren voraus. Die meisten Umfragen sahen die Befürworter der Gebühren bei rund 60 Prozent - nun sind es noch ein ganzes Stück mehr geworden. Das Endergebnis: 71,6 Prozent der Schweizer haben sich für die Beibehaltung der Gebühren entschieden. Die "No Billag"-Initiative, die die Abschaffung der Gebühren gefordert hatte, wurde damit deutlich abgelehnt.
Damit ist klar, dass die SRG auch in Zukunft fortbestehen wird. Die öffentlich-rechtliche Sendeanstalt hatte zuletzt immer wieder betont, dass man das Unternehmen bei einer Abschaffung der Gebühren abwickeln müsse. Die "No Billag"-Befürworter kritisierten das als Populismus und erklärten, die SRG müsse dann privatisiert werden und sich am freien Markt finanzieren.
In einer ersten Stellungnahme hat Olivier Kessler, Mit-Initiant und Gesicht der "No Billag"-Initiative, das Scheitern nicht als Niederlage bezeichnet. Er sagte: "Wir konnten eine große medienpolitische Diskussion lancieren, die Zwangsgebühren wurden enttabuisiert." Weil die Schweiz wohl das einzige Land der Welt sei, in dem die Bürger über die Gebühren haben abstimmen dürfen, sei der Gewinner vor allem die direkte Demokratie im Land.
"Wir haben verstanden."
SRG-Generaldirektor Gilles Marchand
Wie die SRG in Zukunft konkret aussehen wird, ist aber trotz des klaren Votums unklar. Zuletzt mehrten sich auch innerhalb der SRG die Stimmen, die sich für einen Umbau aussprachen. SRG-Generaldirektor Gilles Marchand sagte erst am Samstag im Interview mit der "Welt", dass die SRG ihren Fokus wieder verstärkt auf ihre Besonderheiten richten wolle. Konkret sprach Marchand von dem Informationsbereich in vier Sprachen und kulturellen Produktionen. "Es wird aber auch Reformen geben", kündigte der SRG-Chef an. Die jetzige Diskussion helfe, den Hebel richtig anzusetzen, so Marchand. "Wir wissen, dass auch ein Teil jener, die am 4. März mit Nein stimmen werden, Neuerungen von uns erwarten. Diese Stimmen haben wir gehört – wir haben verstanden." Man werde alles überdenken: Das Programm, die Sender und das gesamte Angebot.
Roger Schawinski, ehemaliger Sat.1-Chef und gebürtiger Schweizer, sagte in der jüngsten Ausgabe des "Spiegel", es müsse sich auch bei einem "Nein" zur Initiative einiges ändern. Es müsse Blut fließen, so Schawinski. "Die SRG muss öffentlich sichtbar Demut zeigen, zum Beispiel Sender einstellen, wenn sie verhindern will, dass es zu einer weiteren Abstimmung kommt." Denkbar ist etwa, dass die "No Billag"-Initiatoren einen weiteren Volksentscheid ins Rennen schicken - dann aber nur mit der Frage, ob der SRG das Budget gekürzt werden solle. Hier wäre die Zustimmung wohl höher als bei einer kompletten Abschaffung. Letztlich seien die Gegner der Gebühren an der Zukunftsfrage gescheitert, glaubt der ehemalige Sat.1-Chef. Die Initiatoren hätten keine Antwort auf die Frage gehabt, was bei einer Abschaffung der Gebühren gekommen wäre. "Auf dieser Basis kann man keine große Institution abschaffen. Das ist unverantwortlich."
Gebühren werden sinken
Fest steht allerdings bereits, dass die Schweizer künftig deutlich weniger Gebühren zahlen müssen als bislang. 2019 wird der Beitrag von jährlich 451 Franken auf 365 Franken sinken. Nach einer öffentlichen Ausschreibung hatte die Billag AG Anfang 2017 zudem den Auftrag zur Eintreibung der Gebühren verloren, 2019 wird die Serafe AG für die Gebühreneintreibung zuständig sein. Das Synonym "Billag Gebühr" dürfte also so oder so bald der Vergangenheit angehören.
Neben der SRG dürfte man nun auch bei zahlreichen Privatradios und regionalen TV-Sendern aufatmen, rund 61 Millionen Euro an Gebührengeldern fließen nämlich auch an diese. Der Großteil in Höhe von 1,2 Milliarden Euro geht allerdings an die SRG. Dennoch wäre auch die Zukunft der regionalen Radio- und TV-Sender auf der Kippe gestanden, wären die Gebühren abgeschafft worden.
Bellut spricht von einem "ermutigenden Signal"
ARD und ZDF gaben sich im Vorfeld der "No Billag"-Abstimmung gelassen und fürchteten keine großen Auswirkungen auf die Debatte hierzulande. ZDF-Intendant Thomas Bellut sagt nun: "Das Abstimmungsergebnis freut mich sehr. Die Schweizerinnen und Schweizer haben damit ein Zeichen gesetzt und deutlich gemacht, welche Bedeutung der öffentlich-rechtliche Rundfunk für eine pluralistische Gesellschaft hat." Auch in Deutschland müssten sich ZDF und ARD Legitimationsdebatte stellen und um die Akzeptanz bei den Beitragszahlern kämpfen, so Bellut. "Das Abstimmungsergebnis in der Schweiz ist ein ermutigendes Signal".
Der ARD-Vorsitzende Ulrich Wilhelm spricht von einem "wichtigen Signal für unabhängigen Qualitätsjournalismus auch über die Schweiz hinaus". Der öffentlich-rechtliche Rundfunk sei eine Klammer für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Wilhelm: "Solidarisch finanziert garantiert er allen Menschen - unabhängig von ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit - barrierefreien Zugang zu umfassenden Angeboten. Denn wer bei öffentlichen Gütern und hochwertigen Inhalten allein auf die Kräfte des Marktes vertraut, merkt: Mit einer Vielzahl an Marktlösungen und Bezahlmodellen wird es nicht gelingen, für die unterschiedlichsten Interessen ein so breites Gesamtpaket in dieser Qualität und regionalen Vielfalt zu liefern."