Es ist inzwischen Tradition, dass die Produzentenallianz am Eröffnungstag der Berlinale zum Deutschen Produzententag lädt, um dort ihren politischen und wirtschaftlichen Forderungen Nachdruck zu verleihen. Da der Lobbyverband dieses Jahr sein zehnjähriges Bestehen feiert, nutzte Alexander Thies, Vorstandsvorsitzender seit Gründung, die Gelegenheit für einen emotionalen Rückblick auf geschlagene Schlachten und errungene Etappensiege.

Schon dabei fiel auf, dass in der Aufzählung vor allem die langwierigen Eckpunkte-Verhandlungen mit ARD und ZDF vorkamen. Bei den Privaten habe die Allianz in all den Jahren nichts Vergleichbares erreicht, gestand Thies ein. Ein Raunen ging durch die Menge der Produzenten, als ihr Spitzenvertreter sodann verkündete: "Wir sprechen uns klar für eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags aus." Die notwendige Strukturdebatte dürfe nicht auf dem Rücken des Programms ausgetragen werden. So richtig zog Thies gegen Ende der Veranstaltung vom Leder, als er den Privatsendern Innovationsverhinderung bescheinigte.

Eigentlich sollte es auf dem Abschlusspanel des Produzententags um das Produzieren im Spannungsverhältnis zwischen linearem TV und On-Demand-Welt gehen. Der renommierte TV-Journalist und Produzent Stephan Lamby nahm dazu RBB-Intendantin Patricia Schlesinger, Amazon-Video-Deutschlandchef Christoph Schneider sowie den Gastgeber selbst ins Kreuzverhör. Während Schlesinger und Schneider sich noch über Budgets und Produktionsbedingungen behakten, hatte Thies den großen Verlierer schon ausgemacht: "Die Streaming-Anbieter werden die deutschen Privatsender verdrängen, nicht so sehr die Öffentlich-Rechtlichen."

Auf die erstaunte Nachfrage Lambys, ob man das als Position des Vorsitzenden an die Agenturen weitergeben könne, legte Thies nach: "Wir haben das nicht im Vorstand abgestimmt, aber ich halte diese Verdrängung für unausweichlich. Die Privaten haben den Nachteil ihres Geschäftsmodells, Werbeunterbrechungen werden immer mehr zum Hindernis. Warum sollte ich mir einen Film mit Unterbrechung anschauen, wenn ich ihn anderswo ohne kriege?" Aus seinen eigenen Gesprächen mit Vertretern der großen Privatsender wisse er zudem, dass sie Innovation im Rahmen ihres Geschäftsmodells nicht mehr für nötig hielten. "Sie haben sich von nennenswerten Investitionen in Programmqualität zurückgezogen und geben sich zufrieden damit, die Stoffe zu bekommen, die woanders nichts geworden sind", so Thies. Manche Reaktion im Saal ließ erahnen, dass nicht alle 248 Mitgliedsunternehmen der Allianz – von denen etliche auch für Privatsender produzieren – die Äußerung glücklich fanden.

"Die Privaten haben sich von nennenswerten Investitionen in Programmqualität zurückgezogen und geben sich zufrieden damit, die Stoffe zu bekommen, die woanders nichts geworden sind"

Alexander Thies, Vorstandsvorsitzender der Produzentenallianz

 

Unterdessen hatte sich zwischen der Intendantin und dem Amazon-Manager fast schon Partnerschaftsstimmung breit gemacht. Schlesinger gab zu Protokoll, dass weder ihre 18-jährige Tochter noch sie selbst vorm linearen TV zu finden seien, und plädierte für neue Kooperationsmodelle à la "Babylon Berlin" – "warum nicht auch mit Amazon?" Schneider wiederum betonte, jährlich siebenstellige Summen für Lizenzinhalte von ARD und ZDF auszugeben, mit denen er insbesondere jüngere Zielgruppen auf öffentlich-rechtliche Formate aufmerksam mache.

Den wirtschaftlichen Stellenwert der Produktionsbranche hob in ihrer Keynote Beatrice Kramm hervor – in Personalunion Chefin der Produktionsfirma Polyphon ("Traumschiff", "Stubbe") und Präsidentin der Industrie- und Handelskammer zu Berlin. Angesichts von 13 Milliarden Euro Leistungsbeitrag zur deutschen Volkswirtschaft ("Damit sind wir im Mittelfeld") und 160.000 Erwerbstätigen ("Das entspricht der Einwohnerzahl von Potsdam") verkaufe man sich noch zu oft unter Wert. "Unser Beitrag als Kulturbotschafter im Ausland wird zunehmend gewürdigt, unser Beitrag für die Wirtschaft im Inland jedoch nicht", kritisierte Kramm.

Dabei habe sich die Produktionswirtschaft unterm Radar zu einem wesentlichen Einflussfaktor für andere Branchen entwickelt. "Auf jeden Beschäftigten bei uns kommen 2,1 Beschäftigte bei Caterern, Juristen, Autovermietern und anderen Dienstleistern, die wir beauftragen", so Kramm. "Außerdem sind wir einer der wichtigsten Trendgeber für den Megatrend der digitalen Transformation." Als IHK-Präsidentin wisse sie aus vielen leidvollen Gesprächen mit Bauunternehmern oder Händlern, dass die wenigsten Branchen schon so weit digitalisiert seien wie die Film- und Fernsehwirtschaft.

Zwei besonders prägende Vertreter der Gattung Produzent wurden feierlich zu Ehrenmitgliedern der Produzentenallianz ernannt: Ex-UFA-CEO Wolf Bauer, der im Herbst 2017 die Geschäftsführung verlassen hatte, und Ex-ndF-Chef Hansjörg Füting, der ein Jahr zuvor an seine Nachfolger übergeben hatte. Beide, so Alexander Thies, hätten vor zehn Jahren erheblich dazu beigetragen, dass "aus dem Funken ein Feuer wurde". Bauer, der durchaus wiederholt als Kritiker der Allianz aufgefallen war, versprach in seiner Dankesrede, dem Verband "weiter im Nacken" zu sitzen. "Der künftige globale Wettbewerb im High-End-Segment", so der langjährige UFA-Boss, "wird nicht nur künstlerisch-inhaltlich geführt – das können wir leisten – sondern auch wirtschaftlich und strukturpolitisch. Dafür sind wir in Deutschland noch nicht ausreichend aufgestellt."