Wenn sich die Ministerpräsidenten der Länder am Donnerstag dieser Woche in Berlin treffen, um Änderungen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu beschließen, schauen nicht nur die Verleger ganz genau hin, sondern auch der „Verband privater Medien“, wie sich der VPRT – bald: VAUNET – künftig nennen wird (DWDL.de berichtete). Es geht um Neuregelungen im Telemedienauftrag, der festlegt, was ARD und ZDF im Internet dürfen.

Ein Gesetzesentwurf aus der Magdeburger Staatskanzlei sieht zwei wesentliche Anpassungen vor: Zum einen soll die Sieben-Tage-Regel fallen, die den öffentlich-rechtlichen Sendern bislang vorschreibt, dass Sendungen nur eine Woche nach der linearen Ausstrahlung in den Mediatheken stehen dürfen. (Ausnahmen gibt es schon jetzt.) Zum anderen könnte es künftig erlaubt sein, auch europäische Lizenzware, z.B. Spielfilme und Serien, für 30 Tage im Netz zu zeigen.



n-tv-Geschäftsführer und VAUNET-Präsident Hans Demmel glaubt, die Änderungen würden „die Attraktivität der Angebote von ARD und ZDF deutlich erhöhen“. „Ich verstehe die Position der Nutzer, für die der Sieben-Tage-Abruf umkommod ist“, erklärte Demmel am Dienstagabend in Berlin. „Aber wir sehen das als große Bedrohung für die Geschäftsmodelle unserer Verbandsmitglieder, die über intensive Angebote im Netz verfügen.“ Es bestehe eine „enorme Gefahr“, den Telemedienauftrag zu Ungunsten des dualen Systems und den privaten Wettbewerbern zu gestalten.

Demmel geht nicht nur davon aus, dass sich die Preissituation „massiv verschärfen“ werde, wenn es ARD und ZDF möglich sei, beispielsweise einen als „europäische Lizenzware“ klassifizierten „James Bond“-Film aus den Londoner Pinewood Studios im Netz zu zeigen. („Genau davon gehen wir aus.“) Die Freigabe beträfe Demmel zufolge auch den Doku-Bereich: „Wenn Sie einen Großteil des europäischen Dokumaterials in einer Mediathek für 30 oder 60 Tage vorhalten, gefährden Sie damit massiv Geschäftsmodelle von Sendern wie N24 Doku, kabel eins Doku und Nachrichtensendern wie Welt und n-tv.“

Zugleich warnt der Verband vor höheren Kosten. In der Öffentlichkeit gebe es die Illusion, das Programm von ARD und ZDF sei ohnehin schon mit Gebühren bezahlt und könne deshalb problemlos auch im Netz gezeigt werden. Das sei aber nicht der Fall, meint Demmel: „Jede Sendung ist in der Regel für einen bestimmten Teil der Verwertungskette bezahlt. Darüber hinaus entstehen zusätzliche Kosten, die zusätzlich aus den Gebühreneinnahmen bezahlt werden müssen.“

Die Produzenten etwa befürchten, in der Vermarktung ihrer Inhalte auf DVD oder bei Streamingdiensten eingeschränkt zu werden, wenn Sendungen länger frei im Netz verfügbar sind, und fordern eine „Öffnung der Mediatheken nur bei angemessener Vergütung“.

Darüber hinaus steht der Wegfall des Sendungsbezugs für Netzinhalte der öffentlich-rechtlichen Anbieter zur Debatte: ARD und ZDF könnten zukünftig eigene Inhalte direkt fürs Netz produzieren, wenn diese „journalistisch-redaktionell“ veranlasst sind. „[Das] eröffnet ihnen ein komplett neues Universum – auch auf Drittplattformen“, warnte VAUNET-Geschäftsführer Dr. Harald Flemming in Berlin. „Wir befürchten eine massive quantitative Ausweitung der Inhalte. Die einzige Grenze wäre dann der budgetäre Rahmen.“ Demmel ergänzt: „Eine der wirklich großen Gefahren eines neuen Telemedienauftrags ist es meiner Ansicht nach, Facebook mit öffentlich-rechtlichem Material vollzupumpen und stärker zu machen. Wir sehen, welche Unsummen an Werbegeldern schon jetzt in die USA fließen und im deutschen Markt fehlen.“

Dazu, in welcher Form die Neugestaltung des Telemedienauftrags aus Sicht des VAUNET unproblematisch wäre, damit ARD und ZDF auf die sich ins Netz verlagernden Sehgewohnheiten der Nutzer reagieren können, macht der Verband auf Nachfrage keine Angabe. Man wünsche sich vielmehr „eine Gesamtstrukturdebatte über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und die Gebührenfinanzierung“, erklärte Annette Kümmel, Vorsitzende des Fachbereichs Fernsehen und Multimedia im VAUNET und Senior Vice President Media Policy bei der ProSiebenSat.1 Media SE.

Weil dieser Wunsch bis Donnerstag aber vermutlich nicht mehr in Erfüllung gehen wird, appelliert der VAUNET an die Ministerpräsidenten, die unterschiedlichen Interessen aller Marktteilnehmer bei ihren Beschlüssen zu berücksichtigen: „Für die Position der Verleger, die sich um die Presseähnlichkeit der Online-Angebote sorgen, gibt es in Teilen der Politik Verständnis. Wir fordern für unsere Mediatheken – gerade in einer Zeit, in der wir als wissen, dass die Verweildauer im linearen TV nicht mehr zunehmen wird – auch eine Art Schutzraum.“

Auf die Frage, wie dieser „Schutzraum“ aussehen könnte, sagte Demmel: „Wir haben vor geraumer Zeit einen Kompromiss in Brüssel erkämpft. Der stellt uns nicht in allem zufrieden. Damit können wir bisher aber gut leben.“ Anders gesagt: Während sich der VPRT mit seiner Umbenennung in VAUNET auf einen stark veränderten Markt einstellen will, plädiert er im Wettbewerb mit ARD und ZDF für eine Beibehaltung des Status Quo.

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