2017 ist für die Öffentlich-Rechtlichen in ganz Europa ein schwieriges Jahr gewesen, ganz besonders im deutschsprachigen Raum stehen die Sender in der Kritik. Auch in Deutschland wird seit jeher über Sinn und Unsinn von ARD und ZDF gestritten, in den vergangenen Monaten hat diese Diskussion spürbar an Fahrt aufgenommen, auch durch die Entscheidung der Ministerpräsidenten im Oktober 2016, den Rundfunkbeitrag nicht zu senken und ihn bei 17,50 Euro zu belassen. Zwar gab es durch die Umstellung auf den Rundfunkbeitrag über 500 Millionen Euro an Mehreinnahmen, weil die Politiker in wenigen Jahren aber wohl eine Erhöhung beschließen müssten, wenn alles so weiter läuft wie bisher, beließen sie den Rundfunkbeitrag dort, wo er war.
Gleichzeitig wurden die Rundfunkanstalten dazu aufgerufen, Sparvorschläge zu machen, damit die Kosten in den kommenden Jahren in einem erträglichen Rahmen bleiben. Rund 1,2 Milliarden Euro wollen ARD und ZDF nun gemeinsam einsparen - allerdings bis 2028. Das wären also etwas mehr als 100 Millionen Euro pro Jahr. Sparen will man vor allem durch Kooperationen, Outsourcing und die Standardisierung von Software. Das ist gut, sagen die Ministerpräsidenten - aber nicht gut genug. Der "ernsthafte Reformwillen" sei zu erkennen, doch die Vorschläge könnten nur ein "erster Schritt in die richtige Richtung" sein, hieß es etwa von der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer.
Der aufgebaute Spardruck durch die Politik ist nicht der reinen Erkenntnis geschuldet, dass etwas getan werden muss, weil ARD und ZDF vermeintlich viel zu aufgebläht sind. Zuletzt gab es immer mehr kritische Stimmen aus der Gesellschaft: Spätestens mit dem Einzug der AfD in die wichtigsten Landtage und in den Bundestag ist die Debatte voll entbrannt. Warum müssen die Öffentlich-Rechtlichen mit rund acht Milliarden Euro pro Jahr gefördert werden? Die AfD nutzt Kampfbegriffe wie "Zwangsgebühren", aber auch die Verlage fahren seit Monaten eine Kampagne gegen ARD und ZDF.
Springer-Chef und BDZV-Vorsitzender Mathias Döpfner bezeichnete die Öffentlich-Rechtlichen zuletzt als "Staatspresse", was eine hitzige Diskussion rund um den Begriff zur Folge hatte. Und dann kämpfen ARD und ZDF ja auch noch um mehr Möglichkeiten im Internet, die Sieben-Tage-Regelung soll weiter gelockert werden, auch der Begriff "presseähnlich" ist ARD und ZDF ein Dorn im Auge. Verlage und Privatsender kritisieren die gewünschte Ausbreitung der Öffentlich-Rechtlichen im Netz scharf.
Nein, wirklich konstruktiv war die Diskussion rund um die Zukunft der Öffentlich-Rechtlichen in den vergangenen Wochen nur selten. Sachsen-Anhalts Medienminister Rainer Robra forderte etwa, die ARD als bundesweiten Senderverbund abzuschaffen. Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer plädierte für eine Fusion von ARD und ZDF. Beides wurde von den Rundfunkanstalten strikt zurückgewiesen. Aber eins ist auch klar: Die Öffentlich-Rechtlichen dürfen sich der Diskussion über ihre Zukunft nicht entziehen und müssen womöglich auch zu größeren Zugeständnissen als bislang bereit sein. Nicht, weil das gerade die aktuelle Stimmung in der Politik ist, sondern weil auch in der Bevölkerung viele Menschen schlicht nicht verstehen, wieso es so viel Geld braucht, um ein zeitgemäßes, öffentlich-rechtliches Angebot zu stemmen.
Charme-Offensive der ARD
ARD und ZDF werden sich in Zukunft verstärkt rechtfertigen müssen, das scheint aus heutiger Sicht klar. Die Debatte dabei ist aber auch nicht frei von einer gewissen Doppelmoral: Mal werden ARD und ZDF dafür kritisiert, viele Sportrechte am Markt aufzukaufen, verliert dann aber das ZDF die Champions League, heißt es: "Und wofür sollen wir jetzt bitte noch zahlen?"
Zuletzt hat sich die Situation mit der Privatwirtschaft etwas entspannt, die ARD startete eine regelrechte Charme-Offensive. WDR-Intendant Tom Buhrow etwa machte einen Schritt auf die Verleger zu und kündigte an, im Netz künftig verstärkt auf Audio- und Video-Inhalte setzen zu wollen. Der BR bließ den lange geplanten Frequenztausch zwischen Puls und BR Klassik komplett ab. Ob sich das im neuen Jahr fortsetzen wird, erscheint fraglich. Zu viel steht für beide Seiten auf dem Spiel.
Schweiz: Der SRG droht das Aus
Auch wenn in Deutschland zuletzt hart gerungen wurde um die Zukunft der Öffentlich-Rechtlichen, in der Schweiz ist die Situation weitaus dramatischer. Dort wird im März darüber abgestimmt, die Rundfunkgebühren komplett abzuschaffen. Das würde de facto wohl auch das Aus der Schweizer Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) bedeuten. Davor warnt jedenfalls die SRF-Chefetage seit Monaten. Die Gebühren werden in der Schweiz von der Billag AG eingetrieben, deswegen heißt die Initiative zur Abschaffung der Rundfunkgebühren folgerichtig auch "No Billag".
Die Gegner der Rundfunkgebühren sprechen von "Zwangsgebühren" und argumentieren, die Gebühren würden die Entscheidungsfreiheit der Menschen einschränken. Jeder solle selbst entscheiden können, wofür er oder sie Geld ausgeben möchte. Die Initiatoren der Kampagne betonen, nur die Gebühren, nicht aber den SRG abschaffen zu wollen. Dieser solle sich nur eben selbst finanzieren - "wie die meisten anderen Unternehmen auch". Der SRG solle sein Programm verschlüsseln und Abos verkaufen. Das funktioniert nicht und würde sich nicht rechnen, heißt es dagegen von den Befürwortern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Heute nimmt der SRG rund 1,2 Milliarden Franken jährlich durch die Gebühren ein - rund eine Milliarde Euro. Und während der jährliche Betrag 2019 pro Haushalt von 451 Franken auf dann 365 Franken sinkt, steigt er für Unternehmen. Auch deshalb sind in der Wirtschaft viele für die Abschaffung der Gebühren.
Die SRG-Spitze kündigte bereits an, das Unternehmen im Falle eines Votums gegen die Gebühren schnell abwickeln zu wollen. Rund 6.000 Menschen würden ihren Job verlieren, heißt es von den Befürwortern des SRG. Eine Besonderheit des Schweizer Marktes sind die Sprachminderheiten im Land. Diese würden vom Angebot des SRG profitieren, sagen die Unterstützer und fürchten, dass das künftig wegfallen könnte. Grundsätzlich befürchten die Gebühren-Befürworter eine "Berlusconisierung" der Medienlandschaft. Das heißt: Ausländische Sender würden den SRG beerben und Geld aus dem Markt absaugen.
Österreich diskutiert über niedrigere Gebühren
Auch in Österreich weht dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk ein kalter Wind um die Nase. Spätestens Mitte des Jahres war klar, dass es Neuwahlen geben würde - und seitdem steht der ORF quasi auf Stand-By. Alle wichtigen Entscheidungen wurden vorerst auf Eis gelegt. ORF-Chef Alexander Wrabetz will abwarten, wie die neue Regierung aussieht und dann entsprechend Posten verteilen. Das mutet kurios an, hat im ORF aber eine gewisse Tradition. Der Einfluss der Politik auf den ORF ist immens - das sieht man nicht zwangsläufig im Programm, aber sehr wohl in den Gremien. Und weil sich hier nach dem Regierungswechsel auch die Machtverhältnisse verschieben werden, hält Wrabetz es offensichtlich für klüger, erst einmal gar nichts zu tun.
In den Koalitionsverhandlungen wurde zuletzt auch eifrig über den ORF diskutiert. Bereits im Sommer, und damit noch deutlich vor den Wahlen, hieß es von der FPÖ, die Zeit sei reif für "ein neues Modell der Gebührenverteilung". Auch die komplette Abschaffung der Gebühren stand im Raum, ist inzwischen aber wohl wieder vom Tisch. Noch gibt es in den Koaltionsverhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP kein Ergebnis zum ORF, zuletzt wurde er Ton wieder etwas ruhiger. Dennoch will die FPÖ die Gebühren für die Menschen deutlich senken. Das ginge theoretisch aber auch, ohne dem ORF viel Geld zu entziehen. So könnten die Abgaben der Bundesländer, die diese auf den Rundfunkbeitrag draufschlagen, entfallen. Dafür müsste die neue Bundesregierung nur die jeweiligen Landeregierungen überzeugen - die sind bei der Aussicht auf weniger Geld aber natürlich alles andere als glücklich. Auch der Bund selbst zieht über die Rundfunkgebühren zusätzliche Radio- und Fernsehgebühren sowie die Kunstförderung ein. Heute fließen dem ORF nur 68 Prozent der erhobenen Gebühren zu. Die Länder finanzieren über die Abgabe unter anderem Kultur- und Sportprojekte, im Burgenland aber fließt der Betrag etwa direkt ins Landesbudget.
Verglichen mit den Situationen in Österreich und insbesondere der Schweiz, wo der öffentlich-rechtliche Rundfunk Anfang des kommenden Jahres de facto abgeschafft werden könnte, geht es ARD und ZDF hierzulande noch recht gut. Doch auch hier muss man sich überlegen, wie ein zukunftsfähiges Modell aussehen kann, ohne dass die Kosten explodieren. Der Grundstein für diese Überlegungen wurde in den vergangenen Monaten gelegt, aber es geht weiter. Das neue Jahr dürfte für die Öffentlich-Rechtlichen im gesamten deutschsprachigen Raum genauso spannend werden wie 2017.