Julia Jäkel, seit vier Jahren Verlagschefin von Gruner + Jahr, hat an das Verantwortungsbewusstsein der deutschen Wirtschaft in Bezug auf US-Riesen wie Facebook und Google appelliert. "Ich möchte mit der Wirtschaft über unsere Haltung nachdenken zu den globalen Onlineplayern. Da geht es um die Frage, in welcher Gesellschaft wir leben wollen - und welche Rolle Medien darin spielen", sagte sie in einem Interview mit dem "Handelsblatt" (Dienstagsausgabe).
Mit Blick auf den Werbemarkt müssten sich alle "wieder ein bisschen mehr darüber bewusst sein, dass sie mit jedem Euro, den sie ausgeben, gesellschaftliche Entscheidungen treffen", so Jäkel. "Geben sie das Geld an Medien, die ihre Inhalte aufwendig erarbeiten und Beiträge zur öffentlichen Meinungsbildung liefern - oder nur in Kanäle, die keine eigenen Inhalte erzeugen. Ich kritisiere nicht, wenn jemand auf Facebook wirbt. Natürlich nicht, das tun wir auch. Ich kritisiere aber, wenn Marketinggeld zuallererst als Kostenposition des Einkaufs behandelt oder vollkommen übertrieben einfach dort hingeschoben wird, wo es gerade modern zu sein scheint."
Es gebe große Unterschiede zwischen "oft krudem 'user generated' Contend und unabhängigem qualitativ hochwertigem Journalismus", betonte Jäkel im "Handelsblatt" und verweist auf einen großen Zusammenhang: "Wenn wir es übertreiben, dann dürfen wir uns in fünf oder zehn Jahren nicht wundern, wenn unsere gesamte Medienlandschaft eine andere geworden ist. Die Krise der demokratischen Öffentlichkeit und das eigene Verhalten gehörten dann direkt zusammen."
Doch will Jäkel mit ihrem flammenden Appell in Wirklichkeit die Wirtschaft nur daran erinnern, mal wieder bei Gruner + Jahr zu werben? Das wäre "ganz schön durchsichtig", meint die Verlagschefin. Stattdessen könnten ihrer Meinung nach sämtliche Verlage in Deutschland selbstbewusst darauf aufmerksam machen, "dass sie es sind, die einen wichtigen Teil des öffentlichen Diskurses in unserem Land gestalten." In den USA erlebe man bereits eine "Verödung regionaler Meinungsvielfalt, verbale Exzesse bis in die seriösen TV-Kanäle hinein, gesellschaftlichen Extremismus und einen Präsidenten, der regelmäßig die klassisch-investigativen Medien diffamiert - von 'New York Times' bis CNN."
Mit der Entwicklung von Gruner + Jahr zeigte sich Julia Jäkel indes im "Handelsblatt"-Interview zufrieden. Ein Viertel des Geschäfts sei inzwischen digital. "Unser Ziel ist es aber nicht, der digitalste Verlag zu werden. Ich wünsche mir auch weiterhin ein florierendes Magazingeschäft", erklärte sie. "Wir sind gerne weiter ein Verlag und werfen unsere Überzeugungen nicht über Bord. Print hält sich sehr stabil, und daneben entstehen ganz neue G+J-Bereiche: mit Schöner-Wohnen-Möbeln, einer Brigitte Academy oder Ad-Tech-Start-ups, die rasant wachsen."