Zunächst hat es noch so ausgesehen, als würden sich die Streitparteien der Constantin Medien AG am Mittwoch auf der Hauptversammlung weiter unversöhnlich gegenüberstehen und das Unternehmen damit lähmen. Vorstandschef Fred Kogel erklärte sich zunächst und referierte über die Geschäftszahlen und die verschiedenen Unternehmensbereiche. "Die jetzige Situation ist nicht nur für die Constantin Medien AG, sie ist für alle Gesellschaften unserer Gruppe eine Zerreißprobe", sagte er in Bezug auf die Streitigkeiten zwischen Dieter Hahn und Bernhard Burgener. "Es bedarf keines großen Verständnisses, um zu erkennen, dass unsere operativen Geschäfte Schaden nehmen werden, wenn der Konzern nicht zügig in ruhiges Fahrwasser kommt." Wie das aber geschehen soll, erklärte Kogel nicht.

Die Antwort kam aber schon wenige Minuten später, als Aufsichtsratschef Dieter Hahn in einer teils emotionalen Rede seinen Rückzug ankündigte. Er trat letztlich nicht mehr für sein Amt an und schied damit zum Ende der Hauptversammlung aus dem Aufsichtsgremium aus. Seinen Anteil in Höhe von rund 30 Prozent behält er, er wird künftig also weiterhin mitreden können. Doch auch wenn einige Kleinaktionäre dem Braten noch nicht trauten und einen Trick Hahns vermuteten - letztlich ließ er seinen Worten auch Taten folgen.


Damit war der erste Schritt gemacht, um der Constantin Medien AG einen Neuanfang zu ermöglichen. Die restlichen Schritte haben die Aktionäre dann schließlich unternommen. Mit teils großen Mehrheiten nahmen sie alle Anträge von Bernhard Burgener und seiner Highlight-Gruppe an. So wurde unter anderem der komplette Aufsichtsrat ausgetauscht und mit Burgener-Vertrauten besetzt. Neuer Aufsichtsratschef ist ab sofort Paul Graf, als sein Stellvertreter fungiert Thomas von Petersdorff-Campen. Von einem Aktionärsvertreter kam die Idee, doch nur vier neue Aufsichtsräte zu bestellen und sich bei den zwei weiteren mehr Gedanken zu machen und gegebenenfalls auch externe Experten hinzuzuziehen. Damit würde man das Hahn-Lager nicht einfach durch das Burgener-Lager ersetzen. Dieser Vorschlag fand im Verlauf der HV schließlich aber keine Mehrheit.

Daneben watschten die Aktionäre Kogel und Hahn ab: Dem CEO wurde offiziell das Vertrauen entzogen, zudem erfuhren beide keine Entlastung durch die Aktionäre. Auch die Fokussierung des Unternehmens auf den Bereich Sport ist damit Geschichte. Zudem werden nun Schadenersatzansprüche gegen den Vorstand und Dieter Hahn prüft.

Sport1-Chef Schröder nicht in der Schusslinie

Eine interessante Entscheidung gab es bei den Entlastungen des Vorstands: Kogel und Finanzchef Peter Braunhofer erfuhren keine Entlastung, Sport1-Chef Olaf Schröder, der gleichzeitig auch Vorstand Sport ist, dagegen schon. Er erhielt 92 Prozent der Stimmen, konnte sich also auch auf die Unterstützung von Bernhard Burgener verlassen. Gut möglich also, dass Schröder der einzige des derzeitigen Vorstandes ist, der die Umwälzungen im Konzern unbeschadet überstehen wird. Noch ist das allerdings nicht fix: Der neue Aufsichtsrat hat sich nach der Hauptversammlung auf seiner konstituierenden Sitzung zusammengesetzt, darüber hinaus aber noch keine weiteren Entscheidungen beschlossen. Demnach bleibt Fred Kogel auch noch bis zum 22. September im Amt.

Versammlungsleiter macht den Unterschied

Grund für die Entscheidung im Machtkampf bei Constantin Medien, da sind sich viele Beobachter der Hauptversammlung einig, war der neutrale Versammlungsleiter. Das Amtsgericht München bestellte auf Antrag von Bernhard Burgener Eberhard Sasse, IHK-Präsident für München und Oberbayern, zum Leiter der HV. Erst wenige Tage vor der Versammlung wurde er darüber informiert. Dass er zumindest zum Vorstand vorher keinen engeren Kontakt hatte, lässt sich wohl schon dadurch beweisen, dass er während der Hauptversammlung Fred Kogel gleich mehrmals fälschlicherweise als "Herr Kogler" ansprach.

Sasse erhielt viel Unterstützung durch die Aktionärsvertreter und ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Als ein Aktionär rief, wo überhaupt Dieter Hahn sei, als dieser gerade nicht auf dem Podium saß, antwortete der Versammlungsleiter trocken: "Keine Ahnung. Für den bin ich nicht zuständig." Auch ein gefordertes Hausverbot für den Versammlungsleiter der zwei letzten Hauptversammlungen blockte er ab: Er erachte das nicht für nötig, weil er den Mann auch gar nicht kenne. Sasse zog sich teilweise aber auch den Zorn der Aktionäre zu. Als sich die Frage- und Antwortrunde bis in den frühen Abend zog, brach er diesen Part schließlich ab. Das führte dazu, dass einige Aktionärsvertreter, die er zuvor noch als Redner zuließ, nicht mehr zu Wort kamen. Das zog massive Proteste nach sich, in deren Folge das Podium von einigen Security-Mitarbeitern gesichert werden musste. Zu diesem Zeitpunkt hatten die meisten Aktionäre ihr Ziel aber schon längst erreicht: Der Aufsichtsrat kündigte seinen Rücktritt an und auch Kogel hatte seinen Abgang in Aussicht gestellt. Der wohl größte Verdienst von Sasse: Alle stimmberechtigten Aktionäre wurden dieses Mal zur Abstimmung zugelassen und konnten ohne Probleme ihre Stimmen abgeben. Das war bei den letzten zwei HV nicht so.

Kogel selbst bekam am Mittwoch den ganzen Zorn der Aktionäre zu spüren. Besonders ärgerten sich einige darüber, dass der Vorstandschef seinen Rücktritt nicht zuerst ihnen gegenüber erklärte, sondern zunächst eine AdHoc-Mitteilung verbreiten ließ. Die meisten Aktionäre bekamen von Kogels Rücktritt erst Wind, als ein einzelner Aktionär lautstark schreiend durch den Saal läuft und sich über den vermeintlichen Skandal beschwert. Auch Versammlungsleiter Sasse wird hier erstmals auf den neuen Sachverhalt aufmerksam und erklärt später, dass das durchaus eine "bemerkenswerte Mitteilung" sei. Später ging Kogel auf die Kritik ein und erklärte: "Ich hätte Sie auch gerne vorher informiert. Die regulatorischen Anforderungen lassen das aber leider nicht zu." Zuvor erklärte er noch, dass er sich in den vergangenen drei Jahren mit voller Energie in die Arbeit gestürzt habe. Sein Rücktritt erfolge aufgrund der Tatsache, dass sich der gesamte Aufsichtsrat zurückziehe, aber auch, weil ihm das Vertrauen entzogen werden sollte.

Wenn der Chef in Seenot ist, müssen Menschen an Deck und die müssen sehen, dass das Schiff nicht kentert.

Bernhard Burgener

Wie geht es nun weiter bei Constantin Medien? Bernhard Burgener hat die Schlacht um die Hoheit im Konzern vorerst gewonnen. Seine Vertraute sitzen im Aufsichtsrat. Gut möglich, dass er bald auch als Vorstandsvorsitzender zurückkehrt. Konkret wollte er sich dazu am Mittwoch noch nicht äußern. In einer kurzen Rede erklärte er lediglich, er sei bereit dazu, Verantwortung zu übernehmen. "Wenn der Chef in Seenot ist, müssen Menschen an Deck und die müssen sehen, dass das Schiff nicht kentert", sagte er. Burgener bedankte sich zudem ausdrücklich bei Dieter Hahn für dessen Beitrag "zur Befriedung der Situation". Auch er sei bereit, einen Beitrag zu leisten. "Ziel sollte es sein, dass die Constantin Medien AG sowie die Aktionäre wieder Freude an der Gesellschaft haben."

Wie ruhig es bei Constantin Medien aber wirklich bleiben wird, bleibt abzuwarten. Nachdem Hahn seinen Rückzug ankündigte und die Fragerunde eröffnet wurde, zeigte sich schon, in welche Richtung es gehen könnte. Einige Hahn-Vertraute feuerten aus allen Rohren und bombardierten Burgener bzw. Highlight mit kritischen Fragen zur Zukunft sowie zu zurückliegenden Ereignissen. Mit seinen rund 30 Prozent kann Hahn Burgener künftig unter Druck setzen. Gut möglich, dass Burgener die Constantin Medien AG daher komplett übernehmen wird. Eine entsprechende Ankündigung wurde noch nicht durchgeführt, weil Hahn eine Kapitalerhöhung bei Highlight blockiert.

Schulden? "Das wird geklärt"

Ein großes Thema waren natürlich auch die Schulden in Höhe von rund 100 Millionen Euro. Zur Erinnerung: Ein 36-Millionen-Euro-Darlehen der Stella Finanz AG will Constantin seit einiger Zeit zurückzahlen, kann das aber nicht, weil Stella nach der Aussage von Constantin die Rückabwicklung verweigert. Stella steht Burgener nahe, Constantin hatte für das Darlehen Highlight-Aktien verpfändet. Das ist die Crux: Constantin besitzt an Highlight zwar rund 60 Prozent, kann aber nur einen Bruchteil der Stimmrechte in Abstimmungen einsetzen, weil der Rest bei Stella liegt. Darüber hinaus wird nächstes Jahr eine Schuldverschreibung in Höhe von 65 Millionen Euro fällig. Hier muss Burgener nun für Klarheit sorgen: Wie will er die Schulden bezahlen und das Unternehmen aufstellen? Hahn und Kogel wollten zunächst ja das Filmgeschäft verkaufen und weil Burgener das blockierte, stellten sie zuletzt Sport1 zum Verkauf. "Das wird geklärt", sagte Burgener am Rande der HV gegenüber DWDL.de und zeigte sich zuversichtlich, die Finanzierungsfragen des Konzerns klären zu können.