Ende Mai wird Arte 25 Jahre alt - und kurz vor dem großen Jubiläum beschäftigt den deutsch-französischen Kulturkanal nun eine Debatte über vermeintlichen Antisemitismus und Zensur. Ende 2015 hatte der Sender bei der Produktionsfirma Preview Production eine Dokumentation in Auftrag gegeben, die sich mit dem Thema Antisemitismus in Europa beschäftigen sollte. Preview ist auf diesem Gebiet kein Neuling: Bereits 2013 lief innerhalb der ARD die von der Firma produzierte Doku "Antisemitismus Heute - Wie judenfeindlich ist Deutschland?" Die neue Doku will Arte nun allerdings doch nicht mehr zeigen.
Der Sender argumentiert, dass der Film das zentrale Thema "nur sehr partiell" behandle - er entspreche demnach nicht dem genehmigten Projekt. Zuerst hatte die "Berliner Zeitung" über den Fall berichtet: Dort heißt es, der französische Arte-Programmchef Alain Le Diberder verhindere eine Ausstrahlung und überhaupt sei dem Projekt aus Frankreich von Anfang an Skepsis entgegen geschlagen. Diberder kritisiert zudem die angeblich mangelnde "Ausgewogenheit" des Films.
Produzent Joachim Schröder, der die Doku gemeinsam mit Sophie Hafner verantwortet, hat sowohl in Deutschland und Frankreich, aber auch in Israel und Gaza gedreht. Letzteres ist für die Arte-Verantwortlichen offenbar ein Problem. Die Macher sehen hinter der Begründung des angeblich verfehlten Themas nur eine Ausrede: Schröder vermutet, Le Diberder hätte Angst, mit der Doku Muslime zu provozieren. In Frankreich herrscht aufgrund diverser Anschläge in der Vergangenheit seit mehr als einem Jahr Ausnahmezustand. "Ohne die Dreharbeiten in Gaza und Israel wären die Auseinandersetzung zu akademisch geblieben", sagt Schröder gegenüber der "Berliner Zeitung".
Der Historiker Götz Aly, der sich in seiner Arbeit auf die Themen Nationalsozialismus und Antisemitismus spezialisiert hat, kritisiert den Sender für seine Entscheidung in der "Berliner Zeitung" und warf den Verantwortlichen Zensur vor. "Dank ihrer gut recherchierten Klarheit provoziert die Dokumentation in der Tat, insbesondere heimliche Antisemiten, die sich ertappt fühlen. Wer verhindert, dass der Film bei Arte oder im Programm der ARD gezeigt wird, begeht Zensur – sei es aus Wurstigkeit, Feigheit oder ‘antizionistischem’ Ressentiment", schreibt Aly.