Gleich zwei Mal hat sich Julian Reichelt, neuerdings Vorsitzender der "Bild"-Chefredaktion, in den letzten Wochen öffentlich entschuldigt - einmal, weil "Bild" Sigmar Gabriel vorschnell als SPD-Kanzlerkandidaten nannte, und gerade erst wegen der falschen Berichterstattung über einen angeblichen "Sex-Mob" in Frankfurt (DWDL.de berichtete). Dahinter steckt wohl auch eine neue Strategie. Wenn man Fehler selber erkenne, werde man auch selber aktiv, sagte Reichelt jetzt in einem Interview mit dem "Tagesspiegel". "In der 'Sex-Mob'-Geschichte waren die Fehler offensichtlich, sie waren schmerzhaft, weil sie unsere Leser in eine falsche, ja in eine nicht existente Richtung geführt haben."
Mit Blick auf die Berichterstattung über den nicht existenten "Sex-Mob" sagte Reichelt: "Wir haben 'Fake News' verbreitet. Jetzt müssen wir die Konsequenzen daraus ziehen." Der Begriff treffe in diesem Fall zu, "weil sie aus der Richtung gestreut und gesteuert wurde, die ganz bewusst 'Fake News' einsetzt, eine falsche Geschichte mit der Intention zu desinformieren. Da wurde der Vorwurf, wir würden über gewisse Vorfälle beim Flüchtlingsthema nicht berichten, quasi zum Treiber der Berichterstattung. Wir müssen aber nicht drum herumreden: Da haben die Kriterien der journalistischen Sorgfalt und alle Kontrollmechanismen versagt."
Wie genau Reichelt in Zukunft falsche Nachrichten dieser Art verhindern will, ließ er offen, nannte im "Tagesspiegel" aber zumindest einen Ansatzpunkt. "Vielleicht müssen wir neue Kontrollmechanismen dazwischenschalten, noch mehr gestandene Nachrichtenleute einsetzen, die derartige Geschichten, die für 'Fake News' wie beispielsweise aus der Flüchtlingsproblematik anfällig sind, auf Herz und Nieren, auf Anspruch und Wahrheit überprüfen." Seine eigene Verantwortung bestehe darin, Fehler wie die "Sex-Mob"-Geschichte "unmöglich zu machen", erklärte der Chefredakteur.
Auf die Frage, was sich ändern muss, antwortete Julian Reichelt: "Alle Medien, also nicht nur 'Bild', stehen unter einer kritischen und anfeindenden Beobachtung wie noch nie. Umso wichtiger ist es, nie Anlass zu geben, dass uns Fehlleistungen zu Recht vorgeworfen werden können. Für nicht wenige Reporter ist das eine enorme Herausforderung im Alltag, allen Maßstäben der Glaubwürdigkeit zu genügen. Nicht, weil sie nicht wahrhaftig berichten wollen, sondern weil möglicherweise doch ein Aspekt übersehen wurde."