Wenn Claude Schmit, Geschäftsführer von Super RTL bzw. RTL Disney wie das Unternehmen streng genommen heißt, einmal im Jahr zum Gänseessen in sein Haus im Kölner Westen einlädt, dann wirkt es nicht so als wären mit der Mediengruppe RTL Deutschland und Disney zwei große Medienkonzerne Gesellschafter. Präsentiert werden die Entwicklung des Senders und seine Pläne im Wohnzimmer. Mit ein paar Stühlen von nebenan wird der Sitzkreis groß genug. Nach 22 Jahren bei Super RTL, 17 davon bereits als Geschäftsführer, ist der Sender mehr Claude Schmit als RTL oder Disney.
Der gebürtige Luxemburger, gekonnt in Vermittlung von sehr konzentrierter Gelassenheit, gab einen Überblick über den Markt aus Sicht von Super RTL. Deren Erfolg ist eine Ohrfeige für seinen Gesellschafter Disney, der ihm mit dem Disney Channel bekanntlich inzwischen kurioserweise Konkurrenz macht. Schmit sieht das nüchtern: Die Rendite nimmt sein Gesellschafter gerne mit - und hält somit im übertragenen Sinne gerne das Gesicht hin, wenn es mal eine Ohrfeige zu verteilen gibt. „Wir sind die Einzigen die richtig gewachsen sind in dem Markt - von 19,1 auf 20,7 Prozent Marktanteil“, erklärt Schmit. Ein minimales Wachstum des Disney Channels unterschlägt er kurzerhand.
Öffentlich-rechtlicher Ki.Ka und Nickelodeon haben in diesem Jahr deutlich an Marktanteilen verloren. „Wir sind wieder Marktführer und dabei stärker als Disney Channel und Nickelodeon zusammen. Und das bleibt ungewöhnlich, weil das eigentlich die beiden großen internationalen Marken im Kids-TV sind, nicht Super RTL.“ Beim Brutto-Umsatz gebe es in 2016 einen Rekord von erstmals mehr als 300 Millionen Euro - und das trotz verschärften Wettbewerbs. Vorbei scheinen die Jahre von Vorsicht und Unsicherheit durch den Markteintritt des frei empfangbaren Disney Channels. Aber Claude Schmit geht noch einen Schritt weiter. Super RTL will den Disney-Effekt gänzlich neutralisieren.
„Die Disney-Delle haben wir gespürt“, sagte er am Dienstagabend in Köln. „Da ging es in den letzten beiden Jahren ja erstmal runter mit den Marktanteilen, aber jetzt haben wir das wieder aufgeholt und natürlich muss es das Ziel sein, wieder die Marktanteile zu erreichen die wir hatten bevor der Disney Channel in den Markt kam.“ Das sei kein Ziel für 2017, aber vielleicht das Jahr danach. Woher diese Zuversicht? Hier und da wird deutlich, dass Schmit seinem einzigen weiteren kommerziellen Wettbewerber Nickelodeon kein allzu langes Leben mehr bescheinigt. Doch abseits kurzer Anmerkungen und Andeutungen ging es beim jährlichen Update für die Fachpresse im Wohnzimmer um die eigene Entwicklung beim Kölner Familiensender.
Netto-Zahlen zur Geschäftsentwicklung will Schmit nicht nennen. Nur so viel: Das Wachstum 2016 liege im mittleren einstelligen Bereich. Mit gestiegenen Einnahmen und Kostenreduzierungen werde man im Netto-Ergebnis etwa 10 Prozent über dem Vorjahr liegen und die Umsatzrendite liege „nicht weit unter dem Schnitt der Mediengruppe RTL Deutschland.“ Mit ordentlich Selbstbewusstsein ergänzt Schmit: „Wir handeln nicht mit Autos und müssen uns mit vier Prozent Rendite zufrieden geben. Mit 20 bis 25 Prozent Rendite sind wir schon sehr okay unterwegs.“ Mit dem Geldsegen will Super RTL eine neue Digitalstrategie in den Mittelpunkt der Planungen rücken.
„Das wird uns ermöglichen entweder unseren Gesellschaftern noch mehr Geld zu überweisen - das ist nicht unbedingt meine favorisierte Option, aber ein bisschen bekommen die natürlich - oder wir investieren das Geld ins Programm und die neue Digitalstrategie“, so Schmit. „Unsere Ausgangssituation ist sehr gesund. Wir profitieren darüber hinaus noch von einem Effekt im Rahmen des Dreamworks-Vertrages. Die größten Kosten aus dem Vertrag haben wir vorgezogen - und ja trotzdem gute Renditen eingefahren. In den nächsten Jahren haben wir in Folge dessen aber enorme Kosteneinsparungen bei allen Dreamworks-Themen - für die wir ja auch als Merchandising-Agentur agieren -, weil wir da dann quasi Reingewinne erzielen.“
Aus dem Dreamworks-Deal, der Super RTL mit reichlich Programm versorgt nachdem sich Disney als Content-Lieferant verabschiedet hat, kommen im nächsten Jahr auch zwei neue Serien fürs Super RTL-Programm: Die Animationsserie „Trollhunters“ mit Fantasy-Kost von Hollywood-Regisseur Guillermo Del Toro und die Serien-Fortsetzung des Oscar-nominierten Kinofilms „Spirit - Der wilde Mustang“. Programmdirektor Carsten Göttel präsentierte darüber hinaus noch eine neue alte Eigenproduktion: Im Zuge des allgemeinen Gameshow-Revivals legt Super RTL seinen „Super Toy Club“ neu auf - inklusive dem sogenannten Toy Race durchs Spielwarengeschäft. Weder Moderation noch weitere Details sind dort allerdings geklärt. Ebenfalls neu im Programm: Das in der Tat sehr humorvolle Non-Dialog-Format „Grizzy und die Lemminge“ aus dem Animationshaus Studio Hari.
Noch sei man im linearen werbefinanzierten Fernsehen sehr robust unterwegs. Die Botschaft zog sich ebenfalls durch die Präsentation. Kinder im Alter von 3 bis 13 Jahren schauen im Durchschnitt 82 Minuten fern am Tag. „Wir merken einen gewissen Rückgang, aber der ist noch nicht dramatisch.“ Lineares Fernsehen strukturiere den Tag, schaffe ein Gemeinschaftsgefühl und ziehe in den Bann, so das qualitative Ergebnis der hausinternen Medienforschung. Interessanter ist ein anderer Aspekt: Super RTL blicke einer vielversprechenden Zukunft entgegen, weil die neue Eltern-Generation selbst mit Kinderfernsehen aufgewachsen ist. Sie seien entspannt gegenüber Werbung, kennen Sender und einzelne Programmmarken aus der eigenen Kindheit und wüssten: „Hat mir auch nicht geschadet.“
Trotz Rekordzahlen und gesundem Selbstbewusstsein gegenüber Markt und eigenem Gesellschafter präsentiert sich Super RTL beim diesjährigen Gänseessen ungewöhnlich ergebnisoffen. Sei es bei der Programmgestaltung und den Details eines „Super Toy Clubs“, sei es bei der strategischen Ausrichtung im Digitalen. Immer wieder hört man: Wir wissen, wir müssen da ran und und etwas überlegen. Wir haben noch keine Antwort, aber haben die Herausforderung vor Augen. Selten war dieses jährliche Update mehr Werkstattbericht als in diesem Jahr. Dabei hat Super RTL mit dem Timeshift-Sender Toggo Plus und dem eigenen SVoD-Portal Kividoo - was laut Schmit ein Hobby sei, in das man weiter investieren werde - schon erste Schritte unternommen.
Dennoch, so der Super RTL-Geschäftsführer: „Natürlich machen wir uns auch Gedanken über die Zukunft der Fernsehnutzung. Wir sehen, dass die lineare Fernsehnutzung ganz langsam rückläufig ist. Ob das jetzt so weitergeht? Oder einen dramatischen Rückgang geben wird? Das glauben wir nicht, aber wir wollen vorbereitet sein und sind dabei eine Digitalstrategie zu entwickeln. Wir wissen noch nicht wie die aussieht, aber wir wissen: Auch die wird Geld kosten und deswegen ist es praktisch, wenn man dann Geld hat, um es zu investieren.“