Jan Böhmermann muss sich nicht vor Gericht wegen Beleidigung des türkischen Staatspräsidenten Erdogan verantworten, die Staatsanwaltschaft Mainz hat die entsprechenden Ermittlungen eingestellt. Von Jan Böhmermann war bislang noch kein Kommentar dazu zu vernehmen, eine persönliche Stellungnahme soll es erst am Mittwoch um 16:30 Uhr geben. Doch die Anwälte Böhmermanns haben sich nun schon geäußert - und begrüßen die Einstellung wenig überraschend.
Rechtsanwalt Daniel Krause, der Böhmermann im Ermittlungsverfahren wegen Beleidigung vertreten hat, sagte, dass die Entscheidung "manche Befremdlichkeit in einer überhitzten öffentlichen Diskussion auf den Boden der Sachlichkeit zurückgeführt" habe. "Die Staatsanwaltschaft hat rechtsstaatlich entschieden und jedem politischen Druck widerstanden. Das verdient Hervorhebung und Respekt."
Christian Schertz, der Böhmermann im medienrechtlichen Zivilverfahren verteidigt, geht unterdessen Bundeskanzlerin Merkel nochmal frontal an. Wörtlich lässt er mitteilen: "Die Staatsanwaltschaft hat unserer von Anfang an geäußerten Einschätzung der Rechtslage entsprochen. Anders als etwa die Bundeskanzlerin, die offenbar in Unkenntnis des genauen Sachverhalts ihren Regierungssprecher die satirische Nummer von Herrn Böhmermann sogleich pauschal als ´bewusst verletzend' bewerten ließ, noch dazu gegenüber einer ausländischen Regierung, hat die Staatsanwaltschaft erkannt, dass man das Gedicht nicht solitär betrachten kann, sondern es in dem Gesamtkontext seiner Einbindung beurteilen muss. Jan Böhmermann hatte das Gedicht ganz bewusst in einer Gesamtdarstellung, in ein juristisches Proseminar über die Grenzen der Satire und die Fragen, was künstlerisch in Deutschland erlaubt ist und was nicht, einbezogen."
Merkel wirft er eine Kompetenzüberschreitung, eine "nicht hinzunehmende Verletzung der verfassungsmäßigen Gewaltenteilung" sowie öffentliche Vorverurteilung vor, die von der türkischen Regierung als Ermutigung habe verstanden werden können, straf- und zivilrechtlich gegen Böhmermann vorzugehen. Merkel selbst hatte schon vor längerem die persönliche Bewertung des Gedichts als Fehler bezeichnet, der sie ärgere. Die Ermächtigung der Staatsanwaltschaft, ein Ermittlungsverfahren einleiten zu dürfen, verteidigte sie aber. Schon bei der Erteilung dieser "Ermächtigung" sagte Merkel: "Im Rechtsstaat ist die Justiz unabhängig. In ihm ist garantiert, dass die Verfahrensrechte des Betroffenen gewahrt werden. In ihm gilt die Unschuldsvermutung. Im Rechtsstaat ist es nicht Sache der Regierung, sondern von Staatsanwaltschaften und Gerichten das Persönlichkeitsrecht und andere Belange gegen die Presse- und Kunstfreiheit abzuwägen." Genau das hat die Staatsanwaltschaft nun getan - und zugunsten Böhmermanns entschieden.