Es klingt wie ein schlechter Scherz: Das Oberlandesgericht Köln hatte im Jahr 2016 darüber zu urteilen, ob die "Tagesschau"-App unzulässig ist - und zwar nicht in der derzeitigen Form, sondern exakt in der Form, wie sie am 15. Juni 2011 abrufbar war. Und entscheiden musste das Gericht darüber auf Basis eines Ausdrucks in Papierform. Obwohl sich das Landgericht also schon 2012 wunderte, wen die Meinung zu einer längst mehrfach überarbeiteten Version der "Tagesschau"-App interessieren sollte, hatte sich nun auch das Oberlandesgericht zum zweiten Mal dazu zu äußern, nachdem die Verleger zwischenzeitlich sogar vor den Bundesgerichtshof gezogen waren, das die vorherige Entscheidung zugunsten der ARD wieder aufhob und die Klage zurück an das Oberlandesgericht verwies.

Und das ist nun zur Erkenntnis gelangt, dass die "Tagesschau"-App am 15. Juni 2011 nicht den Vorgaben des Rundfunkstaatsvertrags entsprach, weil sie "presseähnlich" gewesen sei. Das Gericht begründet das damit, dass schon die Start- und Übersichtsseiten ausschließlich aus Text- und Standbilder bestanden haben und überwiegend Verweise auf Textseiten enthielten. Auch bei nachgelagerten Ebenen sei die Gestaltung der dokumentierten Beiträge dadurch geprägt, dass es sich "um in sich geschlossene Nachrichtentexte handelte, die aus sich heraus verständlich und teilweise mit Standbildern illustriert" seien. Weil also Texte und "Standbilder" bei der Gestaltung im Vordergrund gestanden hätten, sei das Angebot als "presseähnlich" zu qualifizieren - und somit nicht erlaubt gewesen. Eine erneute Revision gegen dieses Urteil ist nun nicht mehr möglich.

Die Verlage jubeln - können sich von dem Urteil aber erstmal wenig kaufen, da sich das Urteil eben nur auf die Version vom 15. Juni 2011 bezieht, nicht auf die aktuelle Version. "Seitdem hat sich das Erscheinungsbild von tagesschau.de erheblich geändert, so wurde etwa das Video- und Audio-Angebot deutlich verstärkt", teilt NDR-Justitiar Michael Kühn mit. Der BDZV sieht trotzdem eine Entscheidung, die weit über die Version vom 15. Juni 2011 hinaus reiche. "Mit neuen Nachrichten-Apps wie RBB24, BR24 oder ARDText haben die Landesrundfunkanstalten ihr Textangebot im Internet in einer Weise ausgeweitet, die mit der heutigen Entscheidung des OLG Köln unvereinbar ist", erklärte BDZV-Hauptgeschäftsführer Dietmar Wolff.

Die Frage ist nur, ob man das bei der ARD genauso sieht - schließlich verweist man gebetsmühlenartig auf die längst geänderte Erscheinungsweise. Will der BDZV etwas daran ändern, müsste er also gegegenenfalls erneut den Rechtsweg beschreiten - und das kann wie man im aktuellen Fall sieht viele Jahre dauern. Genau das droht aber nun: "Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist nun in der Pflicht, sein Textangebot im Internet nachhaltig zurückzufahren". Andernfalls seien, so Wolff, weitere Schritte unumgänglich.

Der NDR hat angekündigt, gemeinsam mit der ARD die Urteilsgründe nun ebenso wie die Ausschöpfung weiterer Rechtsmittel sorgfältig zu prüfen, um mögliche Einschänkungen für die Online-Angebote zu vermeiden. Das klingt nicht danach, dass man auf die Wünsche der Verleger eingehen will. Der NDR kritisiert ohnehin, dass das Urteil anhand von Textausdrucken, die die Verlage ausgewählt und vorgelegt hätten, entschieden worden sei. NDR-Justitiar Kühn: "Dieser Textausdruck war in weiten Teilen auch noch unvollständig. Der Eindruck, die Tagesschau-App sei gestalterisch mit Zeitungen und Zeitschriften vergleichbar, mag durch diese Papierausdrucke entstanden sein. Aufgrund der Verknüpfung von Videos, Audios, multimedialen Elementen und Texten handelt es sich jedoch um ein sehr beliebtes und zeitgemäßes Informationsangebot. Es ist den Nutzern doch nicht zu vermitteln, dass ein Angebot wie tagesschau.de, das seit über 20 Jahren Tag für Tag die Menschen zuverlässig mit unabhängigen Nachrichten informiert, rechtswidrig sein soll." Das klingt auch nach vielen Jahren Rechtsstreit nach den gleichen verhärteten Fronten wie eh und je.