Im ersten Halbjahr 2016 gingen beim Deutschen Werberat 1.545 Beschwerden ein. Davon entfielen allerdings allein auf das umstrittene Online-Werbevideo von Wiesenhof, in dem sich Atze Schröder unter anderem über Gina-Lisa Lohfink lustig machte, über 1.000 Beschwerden. Der Werberat bezeichnete den Spot nach einer Prüfung damals als "sehr deutlichen Fehlgriff", Wiesenhof hatte den Spot aber schon vorher abgesetzt und sich ebenso wie Atze Schröder entschuldigt.

Von diesem alles überlagernden Fall mal abgesehen wurden insgesamt 365 Werbemaßnahmen geprüft, 15 Unternehmen wurden schließlich öffentlich gerügt. 142 Fälle fielen nicht in die Zuständigkeit des Gremiums, beispielsweise weil es sich nicht um Wirtschaftswerbung handelte. Auffällig viele Beschwerden habe es etwa gegen die Aufklärungskampagne "Liebesleben" der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung gegeben.

Im Mittelpunkt der Beschwerden stand der Bereich geschlechterdiskriminierender Werbung. Wohl mit beeinflusst von den Debatten um ein von der SPD gefordertes gesetzliches Verbot sexistischer Werbung und breiter Berichterstattung über die Arbeit des Werberats in diesem Zusammenhang stieg die Zahl der Fälle auf 147 und nahm damit um 39 Prozent im Vergleich zum 1. Halbjahr 2015 zu. Ein Drittel der Werbemaßnahmen wurden beanstandet. Von den 48 be­anstandeten Motiven wurden 37 geändert oder gestoppt und 11 öffentlich gerügt. Als unberechtigt stufte der Werberat die Kritik in 99 Fällen ein. Zugenommen haben demnach vor allem unbegründete Beschwerden: So müsse nicht jedes Motiv mit einer Frau in verführerischer bis erotischer Pose gleich sexistisch sein.

Julia Busse, Geschäftsführerin des Deutschen Werberats, äußerte sich dazu auch in einem Interview mit "werben & verkaufen". "Sexy ist nicht gleich sexistisch", so Busse, die erklärt: "Der Werberat sagt: Sexistisch oder herabwürdigend ist es dann, wenn eine Person nicht mehr als eigenständiges Subjekt dargestellt wird. Also wenn zum Beispiel eine Frau nicht mehr als eigenständige Persönlichkeit abgebildet, sondern ohne Selbstbewusstsein und innere Stärke vorgeführt wird." Dabei komme es auch stets auf den Kontext an. Ein nackter Körper jedenfalls sei "nicht an sich herabwürdigend oder diskriminierend. Das kann eine extrem ästhetische Aufnahme sein. Es kommt darauf an, wie jemand dargestellt wird, also in welcher Pose. Die so genannte Pornografisierung der Gesellschaft findet nicht in der Werbung statt."

Weitere Werbekritik erreichte den Werberat zur Diskriminierung von Personengruppen (19 Fälle), Ethik und Moral (16), der Nachahmung ge­fährlichen Verhaltens (10) sowie zur Entwicklungsbeeinträchtigung von Kindern und Jugendlichen (9). Neben den genannten Rügen zur Ge­schlechterdiskriminierung gab es vier weitere zu den Themen Gewalt­verherrlichung, Altersdiskriminierung, Ethik und Moral sowie der Diskriminierung von Flüchtlingen. Mit 15 Öffentlichen Rügen wurden zwar deutlich mehr ausgesprochen als im 1. Halbjahr 2015 (7). Julia Busse sagt aber: "Bei über 3 Millionen werbenden Unternehmen ist die Zahl der Rügen dennoch äußerst gering. Für die übergroße Mehrheit der Unternehmen sind die Verhaltensregeln des Werberats und seine Spruchpraxis die zentrale Richtschnur. Die Rügen wiederum bleiben eine Ausnahme und gehen an die zunächst Uneinsichtigen, die sich mit ihrer Werbung außerhalb der Branchenethik bewegen."

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