Als die Bundeskanzlerin um kurz nach 13 Uhr vor die Presse trat, machte sie bereits deutlich, dass es in der Causa Böhmermann unterschiedliche Auffassungen zwischen den Koaltionspartnern gegeben hat. In einer gemeinsamen Erklärung stellten Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Justizminister Heiko Maas am Nachmittag noch einmal klar, dass sie anderer Meinung sind als die Union. "Die SPD geführten Ressorts haben nach sorgfältiger Überlegung gegen die Erteilung der Ermächtigung gestimmt. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Bundeskanzlerin", erklärten die SPD-Politiker, die zugleich aber von einer "schwierigen Entscheidung" sprachen.
Für beide Alternativen gebe es gute Gründe, betonten Maas und Steinmeier in ihrer Erklärung, machten aber deutlich, dass die Ermächtigung zur Strafverfolgung ihrer Meinung nach dennoch nicht hätte erteilt werden sollen. "Meinungs-, Presse- und Kunstfreiheit sind höchste Schutzgüter unserer Verfassung. Wir erleben in diesen Tagen eine heftige Debatte über die Meinungs-, Presse- und Kunstfreiheit und ihre Grenzen. Die Diskussion darüber, wie wir in Deutschland unser Zusammenleben gestalten, wie wir Freiheit schützen und wo mögliche Grenzen liegen, ist wichtig. Im Spannungsfeld zwischen öffentlich in Medien geäußerter Satire und dem Schutz der Ehre einzelner Personen ist in besonderem Maße die Zurückhaltung der Bundesregierung geboten."
Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Youtube, der den Artikel ergänzt. Sie können sich den Inhalt anzeigen lassen. Dabei können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Weitere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.
Man sei sich allerdings einig, dass darüber, wo die Grenze zwischen Kunst und strafbarer Beleidigung verlaufe, nicht die Regierung zu entscheiden habe, sondern die unabhängige Justiz. Eine gerichtliche Prüfung werde aber ohnehin erfolgen, weil der türkische Präsident Erdogan einen Strafantrat wegen Beleidigung gestellt habe, was sein gutes Recht sei. Gleichzeitig machten die beiden SPD-Minister am Freitag ähnlich wie die Kanzlerin deutlich, dass der umstrittene Paragraph 103 des Strafgesetzbuches abgeschafft werden soll. "Die Sonderregelung der Beleidigung von ausländischen Staatsoberhäuptern ist aus der Zeit gefallen. Der Gedanke einer 'Majestätsbeleidigung' passt nicht mehr in unser Strafrecht", sagten Maas und Steinmeier.
Kritik von Grünen, Linken und AfD an Merkels Entscheidung
Kritik an der Entscheidung der Bundesregierung kam unter anderem von den Grünen. Merkel müsse mit dem Vorwurf leben, vor Erdogan eingeknickt zu sein, sagte der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Anton Hofreiter, am Freitag. Sie müsse zudem damit leben, dass ihr der Deal mit der Türkei wichtiger sei als die Verteidigung von Pressefreiheit. Der Linken-Politiker Dietmar Bartsch bezeichnete es derweil als "inakzeptabel", dass Erdogans Arm über Merkel bis nach Deutschland reiche. Ähnlich sieht das auch die AfD: "Merkels Aussage ist kein Ergebnis einer formaljuristischen Prüfung, sondern ein politischer Kniefall vor Erdogan. Man mag zu dem Böhmermann-Gedicht stehen, wie mag. Diese offen eingestandene Abhängigkeit von der türkischen Führung ist an Würdelosigkeit nicht zu überbieten", erklärte der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen.
Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Twitter, der den Artikel ergänzt. Sie können sich den Inhalt anzeigen lassen. Dabei können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Weitere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.
Unterdessen hat sich auch das ZDF in einem knappen Statement zur jüngsten Entwicklung im Fall Böhmermann geäußert. Die Bundesregierung habe eine politische Entscheidung getroffen, hieß es von Seiten des Senders auf Anfrage des Medienmagazins DWDL.de. "Voraussetzung einer Strafbarkeit ist aber die Erfüllung des Beleidigungstatbestands. Hierzu trifft die Entscheidung der Bundesregierung keinerlei Wertung. Das ist Aufgabe der Justiz." Ob Jan Böhmermann in der kommenden Woche wieder auf Sendung gehen wird, steht zum jetzigen Zeitpunkt aber noch nicht fest. Bisher sei nur über diese Woche gesprochen worden.
Die Produktionsfirma btf hatte die jüngste Ausgabe des "Neo Magazin Royale" abgesagt und auf die "massive Berichterstattung" sowie den damit verbundenen Fokus auf die Sendung und den Moderator verwiesen. Dieser dürfte durch die Entscheidung vom Freitag aber nicht eben geringer geworden sein.