"Es gab unterschiedliche Auffassungen zwischen den Koalitionspartnern. Im Ergebnis wird die Bundesregierung im vorliegenden Fall die Ermächtigung erteilen." Auf diese Entscheidung im Fall Erdogan vs. Böhmermann hat man nun mehrere Tage gewartet, nun ist klar: Es darf ein Ermittlungsverfahren gegen Jan Böhmermann wegen eines möglichen Verstoßes gegen den umstrittenen Paragraphen 103 des Strafgesetzbuches geben. In dem ist unter anderem die Beleidigung ausländischer Staatsoberhäupter geregelt, auf die eine deutlich härtere Strafandrohung steht als bei "gewöhnlicher" Beleidigung.
Damit in diesem Fall ein Verfahren eingeleitet wird, muss aber zunächst die ausländische Regierung ein Staatsverlangen stellen, was Ende vergangener Woche geschehen ist. Zudem muss die deutsche Regierung dann diese Ermittlungen auch noch explizit zulassen. Auch das ist jetzt geschehen. Wie auch Merkel in ihrer Erklärung mehrfach betonte, sei darin aber weder eine Vorverurteilung Böhmermanns zu sehen noch eine Entscheidung über Grenzen der Kunstfreiheit. Vielmehr könne das Verfahren nun seinen in einem Rechtsstaat vorgesehenen Gang nehmen. Sie betonte, dass "die Entscheidung der unabhängigen Justiz überantwortet wird und nicht die Regierung, sondern Staatsanwaltschaften und Gerichte das letzte Wort haben werden."
Merkel weiter: "Im Rechtsstaat sind Grundrechte wie die Meinungsfreiheit, die Kunstfreiheit und die Pressefreiheit elementar. Sie sind elementar für Pluralismus und Demokratie. Im Rechtsstaat ist die Justiz unabhängig. In ihm ist garantiert, dass die Verfahrensrechte des Betroffenen gewahrt werden. In ihm gilt die Unschuldsvermutung. Im Rechtsstaat ist es nicht Sache der Regierung, sondern von Staatsanwaltschaften und Gerichten das Persönlichkeitsrecht und andere Belange gegen die Presse- und Kunstfreiheit abzuwägen."
Merkel betonte zudem zwar die freundschaftlichen Verbindungen zur Türkei und den vielen in Deutschland lebenden Türken, äußerte aber auch Kritik an Erdogans Regierung. "Um so mehr erfüllen uns die Lage der Medien in der Türkei und das Schicksal einzelner Journalisten, wie auch Einschränkungen des Demonstrationsrechts, mit großer Sorge. Die Bundesregierung wird auch in Zukunft auf allen Ebenen die Postulate von Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung und Pluralismus gegenüber der Türkei anmahnen", so Merkel in ihrem knapp viereinhalb-minütigen Statement.
Diskutiert worden war im Vorfeld auch, ob man den Paragraphen 103, der auf die Majestätsbeleidigung zurückgeht, nicht einfach abschaffen sollte. Merkel kündigte hier an, dass die Bundesregierung ihn als "entbehrlich" ansehe und er daher noch in dieser Legislaturperiode gestrichen werden solle. Auf das Verfahren gegen Jan Böhmermann hat das allerdings dann keine Auswirkungen mehr.
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