Jan Böhmermann und das Team der bildundtonfabrik blieben der Grimme-Preis-Verleihung am Freitagabend in Marl wie angekündigt fern. Via Facebook ließ er am Morgen verlauten "Ich fühle mich erschüttert in allem, an das ich je geglaubt habe. Mein Team von der Bildundtonfabrik und ich bitten um Verständnis, dass wir heute Abend nicht in Marl feiern können." Dass er, die Diskussion um Konsequenzen aus dem Erdogan-Schmähgedicht und die so häufig zitierten "Grenzen der Satire", zu den großen Gesprächsthemen des Abends zählen würden, war also spätestens damit sicher.
Und das Grimme-Institut bezog an diesem Abend auch überraschend noch Stellung, indem nicht nur der Grimme-Preis für die #varoufake-Satire an das Team des "Neo Magazin Royale" verliehen wurde, sondern zusätzlich auch noch die "Besondere Ehrung" des Stifters des Grimme-Preises, also des Deutschen Volkshochschulverbandes DVV.
Grimme-Direktorin Frauke Gerlach: "Jan Böhmermann ist zurecht mehrfach ausgezeichnet worden. Er ist ein streitbarer Satiriker, der die Grenzen des Möglichen immer wieder auslotet und sich auch vor der Auseinandersetzung mit gesellschaftlich brisanten Themen nicht scheut. So macht seine Kritik weder vor der Politik noch vor den Medien halt. Er ist ein würdiger Preisträger, weil er uns die Wirkungsmechanismen öffentlicher Meinungsbildung in der modernen Mediengesellschaft vor Augen führt. Dass er dabei auch zu drastischen Provokationen greift, mindert seine Gesamtleistung und seinen Beitrag zu strittigen gesellschaftlichen Debatten nicht."
Annegret Kramp-Karrenbauer, Ministerpräsidentin des Saarlandes und Vorsitzende des Deutschen Volkshochschul-Verbandes, fügt hinzu: "Die 'Besondere Ehrung' wird Jan Böhmermann verliehen, weil er sich immer wieder als leidenschaftlicher Medienmacher hervorgetan hat. Er verdeutlicht Grenzen, gerade auch, indem er sie überschreitet. Information, Aufklärung, Unterhaltung finden bei ihm zu einer neuartigen Einheit, die uns allen auch ein neues Maß an Medienkompetenz abverlangt. Mühelos überspringt er alle Mediengattungen, ist innovativ und beispielhaft für die Entwicklung des Fernsehens in der digitalen Konvergenz."
Explizit angesprochen wird das Erdogan-Schmähgedicht in der offiziellen, ausführlichen Begründung für die Besondere Ehrung übrigens gar nicht. Vielmehr geht es um eine Würdigung seines gesamten Schaffens. Kramp-Karrenbauer bezeichnete das Erdogan-Schmähgedicht als sicherlich nicht grimme-würdig. Er erhalte den Preis, "weil er sich schon heute um das Medium Fernsehen und vor allem seine Zukunft verdient gemacht hat" - obwohl das ZDF ihn weiterhin erst nach Mitternacht im Hauptprogramm ranlässt. "Der DVV setzt mit der Besonderen Ehrung für Jan Böhmermann ein Signal – für eine offene, mutige mediale Zukunft, in der Information, Aufklärung und Unterhaltung gleichberechtigt und auf allen Kanälen und Ausspielwegen miteinander verwoben ihren Platz haben. Für eine mediale Zukunft, in der große und kleine Sender, Altes und Neues, das Netz und seine Facetten nicht mehr nach etablierten Rangfolgen nachgeordnet, sondern konvergent und gleichzeitig sind. Für eine mediale Zukunft, in der Macherinnen und Macher mit Nutzerinnen und Nutzern auf Augenhöhe dialogisch verhandeln, was relevant und gesellschaftlich wichtig ist. Mit heiligem Ernst – aber auch diebischem Spaß."