Sein im "Neo Magazin Royale" vertragenes Schmähgedicht gefiel nicht jedem - schon gar nicht jedem auf dem Lerchenberg, wo man sich in der vorigen Woche dazu entschied, den Beitrag aus der Mediathek zu löschen. "In Absprache mit Jan Böhmermann" habe man das beschlossen, ließ ZDF-Programmdirektor Norbert Himmler daraufhin ausrichten. Doch ganz offensichtlich ist Böhmermann nachhaltig verwundert über die Vorgänge der vergangenen Tage.
Auf seiner Facebook-Seite hat der Satiriker nun jedenfalls angekündigt, am Freitagabend nicht zur Verleihung des Grimme-Preises nach Marl zu reisen, mit dem er für seine ZDFneo-Show ausgezeichnet wird. "Ich fühle mich erschüttert in allem, an das ich je geglaubt habe", schrieb Böhmermann in den Morgenstunden. "Mein Team von der Bildundtonfabrik und ich bitten um Verständnis, dass wir heute Abend nicht in Marl feiern können." Rückendeckung bekam Böhmermann von Grimme-Chefin Frauke Gerlach, die dem Komiker in einem Radio-Interview ihre Unterstützung zusagte.
Private Twitter-Nachricht an Altmaier?
Unterdessen wird aber schon der nächste Aspekt im Streit um die Böhmermanns-Satire diskutiert. Nach Informationen des "Spiegels" soll sich Böhmermann am vergangenen Sonntag in einer privaten Twitter-Nachricht an Kanzleramtsminister Peter Altmaier gewendet haben. "Ich möchte gerne in einem Land leben, in dem das Erkunden der Grenze der Satire erlaubt, gewünscht und Gegenstand einer zivilgesellschaftlichen Debatte sein kann", lautete angeblich der Inhalt der Nachricht. Er bitte nicht um Hilfe in seinem Fall, sondern um "Berücksichtigung meines künstlerischen Ansatzes und meiner Position, auch wenn er streitbar ist", soll Böhmermann geschrieben haben.
Welche Seite dem "Spiegel" die angebliche Twitter-Nachricht zugespielt hat, geht aus dem Bericht des Magazins nicht hervor. Altmaier wollte sich am Abend zwar melden, ließ nach Informationen des Nachrichtenmagazins aber nichts mehr von sich hören. Einen Tag später bezeichnete Bundeskanzlerin Angela Merkel Böhmermanns Satire schließlich als "bewusst verletztend", betonte aber noch einmal den Stellenwert von Presse- und Meinungsfreiheit in Deutschland.
"Besonders schwierig finden wir, dass die Kanzlerin sich bereits öffentlich mit einer rechtlichen Bewertung geäußert hat und das Auswärtige Amt Gutachten anfertigen lässt."
Anwalt Christian Schertz im "Spiegel"
Böhmermanns Gedicht hatte seit der Ausstrahlung bei ZDFneo für politische Spannungen zwischen der Türkei und Deutschland gesorgt. Inzwischen hat die Staatsanwaltschaft Mainz angekündigt, sich mit Böhmermanns Gedicht befassen zu wollen. Das ZDF hatte die entsprechenden Szenen aus der Show gelöscht, weil das Gedich nicht den Ansprüchen genüge, "die das ZDF an die Qualität von Satiresendungen stellt", hieß es von Seiten des Senders. Böhmermanns Anwalt Christian Schertz zeigte dafür wenig Verständnis: "Besonders schwierig finden wir, dass die Kanzlerin sich bereits öffentlich mit einer rechtlichen Bewertung geäußert hat und das Auswärtige Amt Gutachten anfertigen lässt", sagte Schertz dem "Spiegel" und verwies auf die Grundsätze der Gewaltenteilung.
In dem Gedicht war Erdogan unter anderem mit Kinderpornos in Verbindung gebracht und als "Recep Fritzl Priklopil" bezeichnet worden. Jan Böhmermann wollte auf diese Weise nach der gelungenen "extra 3"-Satire über den türkischen Präsidenten den Unterschied zwischen Kunst- und Meinungsfreiheit auf der einen und Schmähkritik auf der anderen Seite deutlich machen und betonte in der Show auch mehrfach, dass Letztere in Deutschland nicht erlaubt sei.