„Wir hatten schon vor einigen Jahren die Idee, aber dann kam der Disney Channel in den Markt. Da wurde der Gedanke erst einmal zurückgestellt, um zu schauen, wie sich der Wettbewerb entwickelt“, sagt Claude Schmit. Der Geschäftsführer von Super RTL, jenem Kindersender der zur Hälfte der Mediengruppe RTL Deutschland und zur Hälfte Disney gehört, spricht über das Konzept von Toggo plus - dem ersten Timeshift-Sender im deutschen Free-TV. Toggo ist die 2001 eingeführte Programmmarke für das Kinderprogramm des Kölner Senders. Ab dem 4. Juni zeigt Toggo plus das Programm von Super RTL um eine Stunde zeitversetzt. Neben der digitalen Satellitenverbreitung ist auch eine Verbreitung via Kabel geplant.
Schmit: „Toggo Plus bietet aus der Perspektive unseres Publikums – überwiegend Kinder – mehr Auswahl bzw. Flexibilität. Das Konzept hat darüber hinaus noch einen ganz interessanten Twist: Bislang endet unser Kinderprogramm nach der für uns stärksten Sendestunde um 20.15 Uhr. Bei Toggo plus läuft es dementsprechend zur besten Sendezeit bis 21.15 Uhr.“ Danach weicht man für eine Stunde von der Timeshift-Idee ab: Sendeschluss für das Kinderprogramm von Toggo plus ist erst 22.15 Uhr. „Wir haben so viele schöne Programme im Fundus, dass wir das Abendprogramm locker um eine Stunde verlängern können“, ergänzt Programmchef Carsten Göttel im Gespräch mit dem Medienmagazin DWDL.de.
Für ihn bedeutet Toggo plus auch, künftig dem öffentlich-rechtlichen KiKa nicht mehr die Zeitschiene bis 21 Uhr zu überlassen. Bislang wechselt Super RTL um 20.15 Uhr zum Erwachsenen-Programm und überlässt damit dem KiKa die junge Zielgruppe bis zu dessen Sendeschluss um 21 Uhr. Mit dem Timeshift-Sender verlängert Super RTL jetzt sein Programmangebot - auch am Morgen. Carsten Göttel: „Da Toggo plus um 6 Uhr morgens startet, beginnt das Kinderprogramm bei Super RTL künftig schon um 5 Uhr. Aus Kindersicht gilt bei Toggo plus grundsätzlich: Mehr ist immer gut. Und die Eltern werden beruhigt feststellen: Das sind letztlich die ihnen bekannten Super RTL-Programme.“
"Wenn ihnen die Sendung bei Super RTL gerade nicht gefällt, verlieren wir sie nicht an die Konkurrenz."
Super RTL-Programmdirektor Carsten Göttel
Dabei beteuert Programmchef Göttel, dass es nicht darum gehe, die Kinder zu noch mehr Fernsehen zu verführen. „Aber wenn ihnen die Sendung bei Super RTL gerade nicht gefällt, bieten wir ihnen eine Alternative und verlieren wir sie nicht an die Konkurrenz. Mit der Flexibilität von einer Stunde haben Kids die Chance, ihr Lieblingsprogramm auch dann zu schauen, wenn Hausarbeiten länger dauern, der Klavierunterricht sich verschiebt oder das Fußball-Training es sonst unmöglich gemacht hätte.“ Das angepeilte Ziel: Super RTL und Toggo plus sollen zusammen mindestens den Marktanteil erreichen, den Super RTL hatte bevor der Disney Channel im deutschen Free-TV gestartet ist.
Dass der neue Sender Toggo plus heißt, hat zwei Gründe. „Uns geht es um den Ausbau unserer Position dort, wo es für uns am wichtigsten ist: im Kindermarkt. Und Kinder kennen unser Programm unter der Marke Toggo. Die Primetime von Super RTL spielt für sie eine geringere Rolle. Also war klar: Wir verlängern die erfolgreich eingeführte Marke Toggo", sagt Super RTL-Geschäftsführer Claude Schmit. „Jetzt haben wir ein Beiboot, um das Mutterschiff zu schützen.“ Dass der neue Sender nicht, wie beispielsweise bei britischen Timeshift-Kanälen üblich, einfach Super RTL +1 heißt, hat einen guten Grund.
Man könnte sagen: Der Sender startet mit eingebautem Hintertürchen. „Der Sender ermöglicht es uns, bei einer Veränderung der Wettbewerbssituation schnell mit einem zweiten, eigenständigen Programm Lücken zu füllen“, verrät Claude Schmit im Gespräch mit dem Medienmagazin DWDL.de. Per Ausschlussverfahren lässt sich die freundlich verpackte Aussage entschlüsseln: Der öffentlich-rechtliche Ki.Ka sitzt fest im Sattel und Disney würde sich kaum die Blöße geben, beim Disney Channel den Stecker zu ziehen. Mit anderen Worten: Bei Super RTL zählt man Wettbewerber Nickelodeon an.
Über Lücken spricht Claude Schmit gerne. Lücken bedeuten Gelegenheiten. So soll Toggo plus auch ein Lückenfüller zwischen linearem und non-linearem Fernsehen sein. „Wir sind sehr gut im linearen, klassischen Fernsehen unterwegs, aktuell wieder Marktführer und werden im Durchschnitt 2016 erneut den Marktanteil von 20 Prozent knacken. Jetzt könnte ich sagen: ‚Läuft alles gut. Wir freuen uns und machen Urlaub.‘ Stattdessen haben wir bereits im vergangenen Jahr mit kividoo unser neues Kinderfernsehen on demand gelauncht, für den Fall, dass VoD eine größere Rolle spielen wird“, sagt Claude Schmit und räumt gleich ein: „Das tut es derzeit noch nicht.“
"Der größte Kostenpunkt eines Senders ist das Programm - aber nicht in diesem Fall."
Super RTL-Geschäftsführer Claude Schmit
Zufrieden sei man dennoch mit dem jungen VoD-Portal. Nur Zahlen nennen will er doch lieber nicht. Stattdessen sagt Schmit über die Entstehungsgeschichte von Toggo plus: „Aus unserer Sicht gibt es noch einen Markt zwischen unserem bisherigen linearen Angebot und dem VoD-Geschäft. Es stand die Frage im Raum: Wenn sich alle linearen Kanäle fragmentieren - sollten wir das ebenfalls tun? Wir haben den Kollegen der Mediengruppe (RTL Deutschland) unsere Idee präsentiert. Das Feedback: Die Idee, sich zu fragmentieren, ist gut, aber die Kosten für einen neuen Sender sind zu hoch. Dann pilgerten wir zu unseren Disney-Gesellschaftern nach London. Deren Reaktion: Schöne Idee, aber die Kosten!“
So entstand die Idee des Timeshift-Programms mit einem pragmatischen Vorteil: „Der größte Kostenpunkt eines Senders ist das Programm - aber nicht in diesem Fall. Wir kaufen unsere Kinder-Programme für Super RTL ohnehin inklusive unbegrenzter Reruns ein, weil Kinderfernsehen immer schon von Wiederholungen gelebt hat“, erklärt Claude Schmit. Darin verbirgt sich auch schon die Antwort auf die naheliegende Frage, warum es in Deutschland abgesehen von Sky und Teleshopping keinen Sender gibt, der auf Timeshift setzt - ein in anderen Fernsehmärkten gerne genutzter Hebel zur Fragmentierung: Es braucht die nötigen Programmrechte. Gerade aus den USA eingekaufte Lizenzware lässt sich nicht beliebig oft wiederholen. Ein Timeshift-Sender würde da bereits eine Wiederholung schlucken.
Dass man nun mit einem Kanal, der einfach das gleiche Programm eine Stunde zeitversetzt zeigt, keine Preise gewinnen wird, weiß der gebürtige Luxemburger. Claude Schmit lacht. Aber man kann Geld verdienen. Stichwort Vermarktung: Toggo plus wird von IP Deutschland ausschließlich im Paket mit Super RTL vermarktet. „Die Marktanteile sind zwar getrennt ausweisbar, dem Werbemarkt wird jedoch die gebündelte Reichweite angeboten“, erklärt Schmit. Für ihn ist der neue Kanal ein Gewinn in jeder Hinsicht: Man biete der Zielgruppe mehr Abwechslung, sei mit dem Sender sehr schnell profitabel und sichere sich im Wettbewerb ab. Oder wie Schmit es zusammenfasst: „It’s a no-brainer.“