Wenn TV-Zuschauer in Mannheim, Heidelberg, Ludwigshafen und Umgebung werktags um 18 Uhr RTL einschalten, bekommen sie das Regionalfenster für den Rhein-Neckar-Raum zu sehen. Das wird seit 30 Jahren vom Ballungsraumsender Rhein-Neckar Fernsehen (RNF), Deutschlands ältestem regionalem Privat-TV, zugeliefert.
Was vom 1. April an auf der Frequenz passiert, steht allerdings in den Sternen. Die seit 2006 gültige Sendelizenz läuft zum 31. März aus – doch die beiden zuständigen Landesmedienanstalten von Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz haben es bislang nicht geschafft, sich auf eine gemeinsame Neuvergabe zu einigen. Schlimmstenfalls drohen nun ein Schwarzbild im Regionalen und eine Klagewelle.
Vor einem "massiven Einschnitt in die Pluralität des regionalen Medien- und Meinungsangebots" warnt Mannheims Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD) in einem offenen Brandbrief an die Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. Es bestehe die Gefahr, "dass nach Ablauf der derzeitigen RNF-Sendelizenz am 31.3. das Regionalfenster auf RTL entfallen muss, da eine Programmzulieferung Dritter nicht mehr erfolgen kann".
Doch wie konnte es überhaupt so weit kommen? Als die Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) und die Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz (LMK) das Regionalfenster im Sommer 2015 neu ausschrieben, gingen zwei Bewerber ins Rennen. Neben Platzhirsch RNF aus Mannheim mit seinem bestehenden Magazin "RNFlife" warf erstmals auch die Ludwigsburger Produktionsfirma Zone 7 mit einem Format namens "drei.tv" ihren Hut in den Ring. Hinter Zone 7 steht der langjährige RTL-Reporter Thomas Präkelt als Geschäftsführer und 75-Prozent-Gesellschafter. Das restliche Viertel der Anteile hält die Radiomoderatorin Sina Peschke.
Präkelt ist eines der prägenden Gesichter der RTL-Nachrichten und als Reporter meist da im Einsatz, wo es wichtig oder brenzlig ist. Seine beiden Firmen – neben Zone 7 gehört ihm die LSO Landesstudio Ost GmbH mit Sitz in Leipzig – fungieren als ausgelagerte Regionalstudios der Mediengruppe RTL Deutschland und liefern exklusiv Beiträge für deren Magazin- und News-Formate zu. Aus RTL-Sicht dürfte jemand wie Präkelt der ideale Kandidat sein, um ein gesetzlich verpflichtendes Fensterprogramm etwas näher ans eigene Haus zu holen. Formal erfüllt Zone 7 freilich die medienrechtlichen Anforderungen, ist laut KEK-Bescheid "rechtlich und redaktionell unabhängig" von RTL, ohne eine "wesentliche Einflussmöglichkeit der RTL-Gruppe auf die Gestaltung des Regionalfensterprogramms".
"Ein Sendestart zum 1. April ist für uns schon jetzt de facto gar nicht mehr machbar"
Thomas Präkelt, Geschäftsführer Zone 7
Die Medienversammlung der LMK in Ludwigshafen entschied sich im Dezember für Zone 7 – "nach intensiver Prüfung eines sehr umfangreichen Kriterienkatalogs", wie LMK-Sprecher Joachim Kind gegenüber DWDL.de betont. Den Ausschlag für den Herausforderer gaben unter anderem dessen geplante höhere tägliche Abdeckung des Geschehens in der Voder- und Südpfalz sowie ein umfangreicheres crossmediales Angebot mit Blick auf jüngere Zielgruppen.
Von üppigem Vorlauf kann schon bei einer Lizenzentscheidung im Dezember nicht die Rede sein, wenn man den Aufwand bedenkt, der einem neuen Sendebetrieb ab April vorausgehen würde. Das ist jedoch harmlos im Vergleich zur LFK in Stuttgart, die bis heute nicht entschieden hat. "Hier geht es um eine komplexe Entscheidung und wir befinden uns noch mitten im Verfahren der Gremien", so LFK-Sprecher Axel Dürr. Laut baden-württembergischem Mediengesetz müssen bei der LFK zwei Gremien – Vorstand und Medienrat – ein einheitliches Votum fällen. Im Fall RTL-Fenster plädierte der Vorstand für Zone 7, der Medienrat für RNF. Wer im Zweifelsfall der Stärkere ist, sagt das Gesetz nicht.
Selbst wenn sich die Stuttgarter intern einigen könnten, gäbe es noch eine weitere Hürde. Für den Fall, dass LFK und LMK unterschiedlich entscheiden, kann auf Nachfrage keiner der Beteiligten sagen, was passieren würde. Es gibt keine gesetzliche Regelung und kein standardisiertes Verfahren – ein solcher Fall ist schlicht noch nie vorgekommen. Ausschreibung und Entscheidung müssen aber von beiden Anstalten gemeinsam getragen werden, weil das Sendegebiet – die Metropolregion Rhein-Neckar – eben nicht vor den Landesgrenzen Halt macht.
Während das aktuelle Desaster Wasser auf die Mühlen all jener ist, die eine Zusammenlegung der Landesmedienanstalten befürworten und die Fachkompetenz der Gremien in Frage stellen, sind die Leidtragenden vor allem die beiden Bewerber. Sowohl für RNF als auch für Zone 7 ist die derzeitige Unsicherheit – wenige Wochen vor Auslaufen der Lizenz – eine erhebliche Belastung. "Ein Sendestart zum 1. April ist für uns schon jetzt de facto gar nicht mehr machbar", sagt Zone-7-Chef Präkelt im Gespräch mit DWDL.de. "Kein Unternehmer kann auf Verdacht das nötige Personal einstellen und die entsprechende Sendetechnik anschaffen, solange nicht klar ist, ob man den Zuschlag erhält."
"Wir sind beide Opfer eines Verfahrens, das nicht vernünftig abgestimmt ist"
Bert Siegelmann, Geschäftsführer RNF
"Wir sind beide Opfer eines Verfahrens, das nicht vernünftig abgestimmt ist", sagt auch Bert Siegelmann, Geschäftsführer und Alleingesellschafter des Noch-Lizenzinhabers RNF. "Ein derartiges Vorgehen halte ich für regelrecht verantwortungslos." Siegelmann betreibt sein Rhein-Neckar Fernsehen mit rund 50 Festangestellten und 30 Freien – und mit der Besonderheit, dass dieselbe Mannschaft neben dem RTL-Fenster auch einen 24-stündigen Ballungsraumsender stemmt, der via Kabel, Satellit und IPTV verbreitet wird. Den lobt eine LMK-Studie vom Juni 2015: RNF zeichne sich "durch einen sehr hohen Anteil an fernsehpublizistischen Sendungen und Beiträgen, auch im Vergleich zu den öffentlich-rechtlichen Fernsehvollprogrammen, aus" und leiste "insgesamt einen originären Beitrag zur Meinungsvielfalt in der Metropolregion Rhein-Neckar".
Bis zur letzten Ausschreibung vor zehn Jahren sei die enge Synergie zwischen Sender und RTL-Fenster stets politisch erwünscht gewesen, so Siegelmann. 2015 schrieben die Medienanstalten Sender und Fenster getrennt voneinander aus, die Zulassung für den Sender erhielt erneut RNF – als einziger Bewerber. Nach Siegelmanns Angaben zahlt RTL jährlich 1,4 Millionen Euro an RNF – obwohl die realen Kosten für ein solches Fensterprogramm laut einschlägigen Studien auf 2,5 Millionen Euro taxiert würden. Die Einigung auf den niedrigeren Preis begründet der RNF-Chef mit seinen internen Synergien – so läuft das 30-minütige Magazin "RNFlife" auch im Ballungsraumsender – und damit, dass RNF drei der sechs Werbeminuten im RTL-Fenster selbst vermarktet. Im Umkehrschluss hieße das, dass RTL bei einem Wechsel der Lizenz an Zone 7 mutmaßlich mehr als bisher fürs Fenster zahlen müsste. Der Kölner Sender, der selbst am Lizenzverfahren nicht beteiligt ist, ließ eine DWDL.de-Anfrage unbeantwortet.
Um auf den letzten Drücker doch noch Bewegung in die verfahrene Situation zu bringen, hat die LFK Baden-Württemberg bilaterale Gespräche zwischen RNF und Zone 7 unter ihrer Moderation angeregt – ein kurzfristiger Vorstoß, der laut LFK-Sprecher Dürr von allen Gremien begrüßt werde. Die Hoffnung der Medienwächter: Möglicherweise können die beiden konkurrierenden Bewerber sich auf einen Modus der Zusammenarbeit verständigen. Ein Vorgehen, das man durchaus kurios finden kann, schließlich wird die Verantwortung nun an diejenigen abgeschoben, die eigentlich Objekte der Entscheidung hätten sein sollen.
Dem Vernehmen nach haben bislang zwei Gespräche stattgefunden, weitere sollen in den kommenden Wochen folgen. Ein denkbarer Kompromiss könnte etwa darauf hinauslaufen, dass RNF und Zone 7 eine gemeinsame GbR gründen, die Inhaberin der Lizenz wird, und die Erstellung des Programms dann untereinander aufteilen. Sowohl Präkelt als auch Siegelmann bekräftigen auf Nachfrage von DWDL.de, dass sie schon allein aus unternehmerischer Verantwortung jede Möglichkeit in Betracht zögen. Ob die Gespräche allerdings zu einem brauchbaren Ergebnis führen, vermag gegenwärtig keiner von beiden abzuschätzen. Welches Feuerwerk an Klagen, einstweiligen Verfügungen und Dienstaufsichtsbeschwerden droht, wenn die Last-Minute-Lösung scheitert, wissen die rheinland-pfälzischen Medienwächter nur zu gut seit dem Desaster, das sie in den vergangenen Jahren rund um die Drittsendelizenzen von Sat.1 angerichtet hatten.