Dieter Stolte beklagt Sittenverfall beim Privatfernsehen
Der langjährige ZDF-Intendant Dieter Stolte beklagt den Sittenverfall im deutschen Fernsehen. „Nennen Sie mich einen humanistischen Spinner, wenn ich es Ekel erregend finde, dass Menschen dafür missbraucht werden, den Voyeurismus anderer zu bedienen", sagte er in einem Interview mit der Stuttgarter Zeitung.
Der 70-jährige Medienmanager bezieht sich dabei auf Reality-Shows wie „Big Brother“ und „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus“ und auf „die Talkshows am Nachmittag im Privatfernsehen“. Solche Formate führten zu einer „gesellschaftlichen Verarmung“ und „kalten Herzen", kritisierte der ehemalige Herausgeber der Springer-Zeitungen „Die Welt“ und „Berliner Morgenpost“.
Kritik übte er auch an den öffentlich-rechtlichen Anstalten. Dort würden bald Controller, Marketing- und Verpackungskünstler das Geschehen bestimmen. Auch bei ARD und ZDF sei die Diskussion um Quoten und Marktanteile inzwischen „viel wichtiger" als die inhaltliche Auseinandersetzung. Intendanten wie Fritz Pleitgen (WDR), Jobst Plog (NDR) und Peter Voß (SWR) seien in Zukunft „nicht mehr gefragt", sagte Stolte.
Zum ersten Mal offenbarte Stolte, dass er das Angebot des Springer-Vorstandsvorsitzenden Matthias Döpfner, ein Aufsichtsratsmandat bei ProSiebenSAT.1 zu übernehmen, abgelehnt hat. Dies hätte er als „Stilbruch" empfunden, begründete er die Absage. Er könne nicht 40 Jahre lang das öffentlich-rechtliche System verteidigen, und dann „Urwald-Fernsehen gut finden".