Der Wandel in der Fernsehbranche ist gewaltig. Die Veränderungen in den vergangenen 15 Jahren seien umfangreicher gewesen als in fünf Jahrzehnten zuvor. Es waren recht beeindruckende Zahlen, die Terrie Brennan, ihres Zeichens European Digital Lead bei der Nielsen Company, am Donnerstag auf den Medientagen München präsentierte. Und doch zeigte sie sich optimistisch, dass es trotz aller Kleinteiligkeit gelingen kann, alle Zielgruppen gemeinsam vor dem Fernseher zu versammeln - wenn der Inhalt denn stimmt. Das freilich dürfte angesichts der riesigen Auswahl an Bewegtbild mit vielen neuen Anbietern nicht einfacher werden.

Entsprechend groß sind auch die Aufgaben für Vermarkter und Werbetreibende. Uwe Storch, Head of Media beim Süßwaren-Hersteller Ferrero und zugleich stellvertretender Vorsitzender der Organisation Werbetreibende im Markenverband (OWM), sprach in diesem Zusammenhang von einer "großen Herausforderung". Man müsse sich noch genauer ansehen, in welchen Nutzungssituationen man die potenziellen Kunde erreiche, sagte Storch. Und doch seien die Entwicklungen "evolutionärer als wir denken". Dem pflichtete Matthias Dang, Geschäftsführer des RTL-Vermarkters IP Deutschland, bei. "Wir sind weit weg von einer Disruption", betonte er auch hinsichtlich des übergeordneten Themas der diesjährigen Medientage.

Dang ist daran gelegen, den Begriff TV neu zu prägen - geht es nach ihm, dann soll künftig von "Total video" die Rede sein. "Am Ende will ich keinen Unterschied mehr machen zwischen linear und nicht-linear", so der IP-Chef. Sein Kollege Martin Michel, Geschäftsführer von Sky Media, sieht zwar ebenfalls noch keine völlige Veränderung in der Fernsehnutzung, betonte auf den Medientagen München allerdings, dass die AGF-Quoten, wie wir sie heute kennen, seiner Meinung nach "nur die halbe Wahrheit" darstellen. Nicht ohne Grund setzt Sky inzwischen verstärkt auf eigene Zahlen. Da passte es gut, dass die Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung nur wenige Minuten später eine Etage tiefer ihre neue Quotenmessung erklärte. Zwei Panels in Kombination mit einer technischen Messung hat man zu einem "Mega-Panel" aufgebaut, das idealerweise ab 2016 der hohen Komplexität des digitalen Marktes gerecht werden soll.

Das ist aus Sicht des Sky-Vermarkters auch dringend nötig. "Wir sehen eine zunehmende Verlagerung Richtung on demand und mobile", erklärte Geschäftsführer Martin Michel und sprach von Serien, die linear fast gar nicht mehr stattfänden. So verzeichnete Sky mit "House of Cards" nur etwa 20 Prozent der Zuschauer auf dem klassischen Wege. Und das ist aus seiner Sicht erst der Anfang: Monat für Monat verzeichne Sky steigende Abrufzahlen im Netz. "Diese Dynamik ist der Wahnsinn", so Michel. Matthias Dang zeigte sich mit Blick in die Zukunft dennoch nicht ängstlich und attestierte dem frei-empfangbaren Fernsehen in Deutschland eine hohe Qualität.

Ein Argument, das Christof Baron, Chairman Deutschland & CEO Central and Eastern Europe bei Mindshare World, nicht so recht nachvollziehen konnte. "Warum haben dann plötzlich Anbieter wie Netflix oder Sky so einen Erfolg?", fragte er und verwies auf sinkende Quoten von TV-Formaten wie "Deutschland sucht den Superstar". "Welcher Erfolg denn?", entgegnete Dang, der wiederum auf die noch immer hohe Free-TV-Nutzung und die tatsächlich noch vergleichsweise geringe Pay-TV-Nutzung in Deutschland verwies. Es entwickelte sich ein spannender Schlagabtausch, der die unterschiedlichen Sichtweisen deutlich machte.

Sky-Vermarkter Martin Michel betonte wiederum, man starte mit Sky gerade durch und habe ein Wachstum, das es in dieser Form im Pay-TV-Bereich noch nicht gegeben habe. Noch werde das gleiche Geld bei RTL investiert - egal ob der Marktanteil bei 18 oder 12 Prozent liege. Doch Michel sieht sein Unternehmen auf einem guten Weg und hofft, die Werbetreibenden zunehmend vom Bezahlfernsehen überzeugen zu können. Die Bereiche On Demand und Mobile benötigten jedoch Zeit. So vergeht seiner Erfahrung nach bei neuen Vermarktungsformen rund ein Jahr, ehe man ausgebucht sei, so Martin Michel. Von einer Disruption wollte aber auch er am Donnerstag nicht sprechen.