Die Hoffnungen waren groß, das Risiko aber auch. Doch nun ist die Geduld am Ende: Sat.1 setzt seinem teuren Vorabend-Experiment "Newtopia" ein sehr schnelles Ende. Die Realityshow wird nach Informationen des Medienmagazins DWDL.de bereits an diesem Freitag zum letzten Mal laufen. Schon an diesem Montag werden die Livestreams im Netz und in der App abgeschaltet. Darauf haben sich die Verantwortlichen verständigt, wie Sat.1 gegenüber dem Medienmagazin DWDL.de bestätigte. Am Ende fehlte wohl schlicht die Hoffnung, das Ruder sowohl inhaltlich als auch aus Quotensicht noch einmal herumreißen zu können. Gestartet mit 2,8 Millionen Zuschauern, erreichte "Newtopia" zuletzt nur noch rund eine Million Fans.

Sat.1-Chef Nicolas Paalzow hatte "Newtopia" daher schon in der vorigen Woche öffentlich angezählt. Nun sagt er: "Das Experiment ist beendet. Zusammen mit Talpa Germany hat Sat.1 viel Sendezeit, Herzblut und Ideen in die Fortsetzung von 'Newtopia' gesteckt. Leider ohne den erhofften Erfolg. Aber nur wer wagt, gewinnt. Wir versprechen: Sat.1 wird sich auch weiterhin trauen, mutige TV-Ideen auf den Bildschirm zu bringen. Anstelle von "Newtopia" wird sich Sat.1 nun erst mal mit Doppelfolgen von "In Gefahr - Ein verhängnisvoller Moment behelfen." Für den Herbst hat der Sender bereits die Soap "Mila" und ein neues Magazin angekündigt, allerdings ohne bislang einen Ausstrahlungstermin dafür zu nennen.

"Newtopia" musste unterdessen erst am Mittwoch mit einem Marktanteil von 5,3 Prozent in der Zielgruppe einen neuen Tiefstwert hinnehmen - ausgerechnet am Ausstrahlungstag der 100. Folge. Die zurückliegende Woche war mit einem durchschnittlichen Marktanteil von 6,5 Prozent zudem die bislang schwächste seit dem Start. Der letzte zweistellige Marktanteil liegt inzwischen über zwei Monate zurück. Über ein Aus von "Newtopia" war allerdings nicht nur wegen der massiv gesunkenen Quoten spekuliert worden. Im April hatte "Newtopia" erstmals unfreiwillig für Schlagzeilen gesorgt, nachdem der Live-Stream im Netz ein nächtliches Produktionsmeeting mit den Kandidaten der Show offenbarte. Das Bild blieb daraufhin stundenlang schwarz. Bis heute sind nicht alle Fragen zu dem Vorfall beantwortet.

Langzeittrend: Newtopia
Newtopia

Wenig später versuchten Sat.1 und die Produktionsfirma Talpa mit einigen neuen Protagonisten eine Art Neuanfang. Dass der umstrittene Kandidat Candy nach üblen Beleidigungen unter der Gürtellinie und einer heftigen Auseinandersetzung mit anderen Teilnehmern die Show zunächst verlassen musste, um wenig später seine Rückkehr zu feiern, passte ebenso gut ins Bild einer chaotischen Produktion wie der kurz darauf erfolgte endgültige Rauswurf wegen des Besitzes von Cannabis. Das erklärte Ziel, die Kandidaten eine neue Gesellschaft entwickeln zu lassen, schien mehr und mehr zur Utopie zu verkommen. Am Ende konnten weder Rainer Langhans noch Lady Bitch Ray "Newtopia" vor dem Aus bewahren.

"Bei jedem Casting ist es schwer vorauszusehen, wie genau sich Menschen später verhalten werden, wenn es wirklich ernst wird", sagte John de Mol, der hinter dem teuren Experiment stand, bereits vor dem Start - und er sollte damit recht behalten. "Selbst wenn man mit intensiver psychologischer Unterstützung castet, erlebt man mitunter negative Überraschungen." Auch für den Produzenten ist das Aus bitter, hoffte er doch nach dem großen "Utopia"-Erfolg in den Niederlanden, einen neuen Welt-Hit entwickelt zu haben. Allerdings ließ schon der Flop in den USA erste Zweifel daran aufkommen. Damals versuchte man den Rückschlag noch mit einer unglücklichen Programmierung zu erklären.

Trotz aller Querelen ist es verständlich, dass Sat.1 derart lange mit der Absetzung wartete. Immerhin war der Aufwand, den Sender und Produktionsfirma betrieben, beachtlich. "Newtopia" erstreckte sich auf zwei Hektar Land mit einer 450 Quadratmeter großen Scheune, einem 90 Quadratmeter messenden Stall, 300 Quadratmeter Teich, 3.000 Quadratmeter Weide und 1.200 Quadratmeter Ackerfläche. Für Acker und Weide wurden rund 1.250 m³ fruchtbarer Boden neu angelegt. Hinzu kamen 105 Kameras, die Tag und Nacht erfassen sollten, was die 15 Pioniere erlebten. Für die Show wurde eine eigene Produktionsstadt mit insgesamt 138 Baucontainern errichtet, in denen rund 100 Menschen in drei Schichten Tag und Nacht arbeiteten.

Allen Inhabern von aktiven Premium-Pässen wird ihr zuletzt überwiesener Monats- oder Wochenbeitrag übrigens in voller Höhe erstattet, verspricht Sat.1. Die Inhaber sollen darüber per E-Mail informiert werden. In den kommenden Tagen will Sat.1 zudem mitteilen, wie die Pioniere ihr Experiment in "Newtopia" beenden werden. Eine neue Gesellschaft haben sie ebenso wenig hinbekommen wie Sat.1 einen neuen Hit. Womöglich nur ein schwacher Trost für den Sender.