Noch bevor RTL seine "Superstars" suchte, trieben einst bei RTL II die "Popstars" ihr Unwesen. Und zwar überaus erfolgreich: Mit den No Angels und Bro'Sis hat der Sender einst zwei erfolgreiche Bands hervorgebracht, ehe das Format zu ProSieben wechselte, wo es schließlich bis 2012 zu sehen war. Und auch wenn sich heute vermutlich nur noch wenige daran erinnern werden, dass die damalige Sieger-Band auf den Namen MeLouria hörte, wird man sich bei ProSieben in diesen Tagen womöglich ein wenig darüber ärgern, dass die "Popstars"-Suche demnächst bei RTL II ihr Comeback feiern wird, während man selbst gerade erst mit einer kaum wahrgenommenen Castingshow namens "Die Band" eine bittere Bruchlandung hinlegte.
Ob "Popstars" noch einmal an frühere Erfolge anknüpfen kann, steht freilich in den Sternen. Doch beim Besuch der "Popstars-Akademie", die in Wirklichkeit ein überraschend ansehnliches Veranstaltungsgebäude im Industriestandort Chemiepark Knapsack in Hürth ist, bekommt man schnell das Gefühl, als habe die mehrjährige Pause dem Format gut getan. Anstelle von Tresor TV übernimmt mit der elften Staffel Brainpool die Produktion der Show - und nach der Ankündigung von Stefan Raab, seine Fernsehkarriere zum Jahresende an den Nagel hängen zu wollen, wäre ein "Popstars"-Erfolg für die Kölner Produktionsfirma umso wichtiger. Tom Zwiessler, Bereichsleiter Programm bei RTL II, sprach am Dienstag auf einer Pressekonferenz mit Blick auf die Zusammenarbeit zwischen seinem Sender und Brainpool schon mal vom "perfekten Match".
"RTL II steht für emotionale Dokusoaps über echtes Leben und echte Menschen", sagt Zwiessler und hält "Popstars" daher für das richtige Format am richtigen Platz - trotz all der Castingshows, die in den vergangenen Jahren den deutschen Fernsehmarkt überfluteten. Allerdings möchten Sender und Produzent bewusst auf eine klassische Casting-Phase verzichten. "Wir wollen sehr auf Musik setzen und weniger auf Geschichten drumherum", betont Andreas Viek, der seit mehr als elf Jahren in der Geschäftsführung von Brainpool sitzt. Aus diesem Grund wurden im Vorfeld Popakademien, Gesangswettbewerbe und YouTube durchforstet, um geeignete Teilnehmerinnen zu finden. "Wir wollen mit einem guten Potenzial und nicht bei Null anfangen", betont Viek und fügt hinzu: "Wir haben ja nicht zwei Jahre Zeit."
Tatsächlich fällt die Staffel vergleichsweise kurz aus. Innerhalb von nur acht Folgen will RTL II aus 27 jungen Frauen eine Girlband casten. Zu sehen ist die Show ab dem 17. August jeweils montags um 20:15 Uhr, das Live-Finale wird also bereits Anfang Oktober steigen. Gedreht wird nun schon seit einigen Wochen in besagtem Hürther Industriegebäude, dessen 50er-Jahre-Charme sich auch in der Sendung niederschlagen wird. Als "Popstars"-Jurorinnen fungiert unter anderem Stefanie Heinzmann, die vor einigen Jahren aus Stefan Raabs Castingshow im Rahmen von "TV total" als Siegerin hervorging - produziert von Brainpool. Entsprechend gut kann Heinzmann einschätzen, wie sich die Kandidatinnen fühlen. "Es kommt wahnsinnig viele Emotionen hoch", sagt die sympathische Musikerin und spricht von einem "enormen Druck" und der Nervosität, die sich während der Produktionszeit breit macht.
Unterstützung erhält sie bei "Popstars" von Miss Platnum ("Lila Wolken") sowie der Tänzerin und Choreografin Bella Garcia. In wöchentlichen Entscheidungsshows beurteilen die Jurorinnen die Entwicklung der Talente, die dazwischen immer wieder Tipps von Gast-Stars wie Sarah Connor, Carly Rae Jepsen und Glasperlenspiel erhalten. Am Ende entscheidet dann auch nicht das Publikum, sondern alleine die Jury über die endgültige Besetzung der "Popstars"-Band, die einen Plattenvertrag bei Universal Musical erhalten und auf Tournee gehen wird. Wie sie miteinander klarkommen, zeigt sich zuvor im Bandhaus, in dem die Kandidatinnen während der "Popstars"-Zeit gemeinsam wohnen. "Weniger Plastik, mehr zum anfassen", so beschreibt Brainpool-Mann Andreas Viek die Marschroute für die aktuelle "Popstars"-Staffel und verbindet damit die Hoffnung auf mehr Echtheit als in den letzten "Popstars"-Jahren.
Um möglichst viele Zuschauer online abzuholen, setzt RTL II unterdessen auf die beiden YouTube-Stars Bibi (BibisBeautyPalace) und Maren Merkel alias Mary M., die während des gesamten Ausstrahlungszeitraums in Clips auf den diversen "Popstars"-Kanälen über die Vorgänge berichten werden. Hinzu kommen "Promiflash"-Berichte zwischen den nach wie vor sehr erfolgreichen Vorabend-Soaps "Köln 50667" und "Berlin - Tag & Nacht".
Bleibt die Frage nach den Erfolgsaussichten für die Rückkehr von "Popstars" zu RTL II. Dass ProSieben gerade einen bitteren Flop im Castingbereich hinnehmen musste, hat man in Grünwald sehr wohl zur Kenntnis genommen. Ob das nun ein gutes oder ein schlechtes Omen für "Popstars" ist, will man aber lieber nicht kommentieren. Stattdessen sagt Programmchef Tom Zwiessler: "Ich glaube nicht, dass Genres tot sind. Das Casting-Genre war schon einmal tot - und dann kam 'The Voice'." Und nun eben noch einmal "Popstars". An eine Quotenprognose traut sich Zwiessler indes nicht. "Man weiß es immer erst hinterher", gibt er sich zurückhaltend, wohl wissend, dass die "Mutter aller Castingshows" schon einmal ihren sicher geglaubten Platz im deutschen Fernsehen verlor.