Stefan Raab kündigt seinen Abschied zum Jahresende an, "Empire" enttäuscht, "Die Band" floppt völlig - die letzten Tage hätten für ProSieben erfreulicher verlaufen können. Um so gespannter wartete man am Dienstagabend auf den Auftritt von ProSieben-Senderchef Wolfgang Link, der in Hamburg erklären musste, wie man die neue Saison denn angehen will. Link betonte, sich von jüngsten Misserfolgen nicht entmutigen zu lassen: "Die ProSieben-Zuschauer lieben unseren Mut, neue Programme zu entwickeln – auch wenn sie nicht immer sofort einschalten. Wir stellen heute viele Programme vor, die in der nächsten Season neu kommen. Aber es werden noch deutlich mehr. Wir werden unseren Zuschauern viele magische Momente schenken."
Damit nahm er schonmal dem möglichen Urteil, dass die vorgestellten neuen Formate nicht ganz reichen werden, um einen den Sender prägenden Mann wie Raab zu ersetzen, den Wind aus den Segeln. Und ProSieben war auch bemüht, zu betonen, dass man personell ja längst nicht nur von Raab abhängig sei. Neben Aiman Abdallah, Daniel Aminati, Annemarie Carpendale, Elton, Stefan Gödde, Rebecca Mir, Palina Rojinski, Thore Schölermann und Funda Vanroy nannte man insbesondere Heidi Klum, mit der man die Zusammenarbeit gerade verlängert hat, sowie Lena Gercke, die exklusiv zu ProSieben wechselt. Vor allem aber hat man die Verträge mit Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf um mehrere Jahre verlängert - sie sind jetzt wohl die wichtigsten Sendergesichter.
Und tatsächlich werden sie neben "Circus HalliGalli", "Duell um die Welt" und "Mein bester Feind" noch eine weitere neue Primetimeshow bekommen. Der zurückhaltende Arbeitstitel "Die beste Show der Welt" - eine Anspielung darauf, dass sie "HalliGalli" stets als "zweitbeste Show der Welt" bezeichnen. An den Start gehen soll sie erst 2016, genauere Details zum Inhalt blieb man einstweilen noch schuldig, lediglich von einer "Varietyshow" ist die Rede. Und auch sonst hat man noch einige Show-Ideen in petto: In "Kiss Bang Love" küsst ein Mann 15 Frauen mit verbundenen Augen, um die große Liebe zu finden, in "Der Feind in meinem Ohr" flüstert Micky Beisenherz seinen Opfern Dinge ins Ohr, die diese unter Umständen gar nicht hören wollen, in "Prankenstein" greift man den "Pranks"-Trend aus YouTube auf. Lena Gercke wird die Gemeinheiten an nichts ahnenden Menschen testen. "Teamwork" wird als "neue Challenge-Show" für den Samstagabend angekündigt, allerdings ohne weitere Details. Und dann gibt's auch ein neues Live-Format: In "I know what you want" müssen fünf Prominente erahnen, wie man Deutschland so richtig begeistert. Dabei ist alles erlaubt, was Spaß macht. Weiterhin im Programm bleiben bei ProSieben natürlich "Germany's Next Topmodel", "The Voice" und "Got to dance".
Daneben nimmt ProSieben auch ein achttägiges Event ins Programm, das im Herbst täglich um 22:15 Uhr zu sehen ist. ProSieben adaptiert das britische Format "The Island", das derzeit auch in den USA zu sehen ist. Im Kern geht es darum: 14 Männer werden auf einer einsamen Insel ausgesetzt und sollen dort nur mit ihrer Kleidung und einigen Basis-Werkzeugen ausgerüstet ohne jegliche Annehmlichkeiten der modernen Welt überleben. Es gibt kein Preisgeld, es gibt keine Nominierungen und Rauswahlen, keinen klassischen Gewinner - es geht nur darum, dort zu überleben. Auch Kamerateams sind nicht vor Ort, stattdessen filmen sich die Teilnehmer selbst. In Großbritannien und den USA wird das Format von Bear Grylls präsentiert.
Obwohl das Vorabendmagazin "Galileo" zuletzt aus Quotensicht schwächelte, soll die Marke künftig sogar präsenter im Programm werden. Nachdem man mit "Galileo Big Pictures" zuletzt sogar schonmal "DSDS" den Tagessieg abluchsen konnte, sind weitere Formate geplant. Im Winter wird's etwa "Die lange Nacht des Wissens" geben. ProSieben verspricht "die vielleicht längste Wissenssendung seit der Mondlandung".
Einige Neustarts hat ProSieben auch im Serienbereich angekündigt. Von den ProSieben-Chef Link vor längerer Zeit schonmal angedachten Eigenproduktionen ist hier zwar nichts zu sehen, dafür gibt's neue US-Ware. Schon in Kürze starten bekanntlich "The 100" und "The Strain" am Mittwochabend, dazu kommen "The Royals" mit Liz Hurley als Queen Helena und die in den USA gerade neu gestartete Serie "Zoo", in der sich Säugetiere gegen die Menschheit verschwören. Neue Folgen gibt's auch von "Under the Dome", "Flash" und "Gotham". Es zeigt sich also: ProSieben stellt sich nach einigen Jahren, in denen der Sender zur Sitcom-Monokultur zu werden drohte, inzwischen wieder erkennbar breiter auf - und das ist auch dringend nötig.
Zwar hat man mit "The Big Bang Theory" weiter ein Pfund in der Hand, auf die "Simpsons" ist Verlass und "2 Broke Girls" läuft solide - ansonsten fehlt es aber an Zugkräftigem aus dem Comedy-Bereich. Und Nachschub? Angekündigt ist mit "Undateable" nur eine neue Sitcom - was nicht verwundert, weil aus den USA schlicht kaum etwas nachkommt. Und wieviel Spaß man an der haben wird, muss sich erst noch zeigen, zumal gerade entschieden wurde, künftig nur noch Live-Episoden zu produzieren. Der Reiz dessen fällt aber weitgehend weg, wenn man sie frühestens Monate später in Deutschland zeigt.
Zur Sender-DNA gehören daneben natürlich weiterhin auch die großen Hollywood-Blockbuster, selbst wenn die inzwischen in der Regel nicht mehr mit dem "Tatort" mithalten können. Als Highlights hat ProSieben für die kommende Saison "Man of Steel", "Hangover 3", "Die Tribute von Panem: Catching Fire", "Pacific Rim" und "Der Hobbit: Smaugs Einöde" angekündigt. Spannender ist aber natürlich, wie sich ProSieben im Show-Bereich künftig schlagen wird. Wolfgang Link konnte in Hamburg alles in allem ein durchaus ein beachtliches Portfolio an neuen Formaten vorstellen, wie man die Ära nach Raab - der im Herbst ja noch mit diversen Events sowie "TV Total zu sehen sein wird - bestreiten will. Zumindest an Ideen mangelt es also offenbar auch ohne neue Raab-Events erstmal nicht.