Weltweit ist am Sonntag der Tag gegen Homophobie begangen worden. Ausgerechnet an diesem Tag ist im Anzeigenblatt "OWL am Sonntag" der Regionalzeitung "Westfalen-Blatt" eine Kolumne mit homophobem Inhalt erschienen. Ein Vater wandte sich an das Blatt, weil seine beiden sechs und acht Jahre alten Töchter als Blumenmädchen bei der Hochzeit seines schwulen Bruders fungieren sollen. Zwar seien sein Bruder und dessen Freund "wunderbare Menschen", doch die Ehe sei unpassend, weil dies seiner Meinung nach "eine ernste Entscheidung zwischen Mann und Frau" sei. "Ich will nicht, dass unsere Töchter sich in ihrem Alter mit dem Thema der sexuellen Orientierung befassen", so der Vater in seinem Schreiben.
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Die Antwort, die Ratgeberin Barbara Eggert in der Zeitung gab, ist allerdings in gleich mehrerlei Hinsicht äußerst unglücklich. "Es ist für homosexuelle Paare sicherlich nicht einfach, eine gelungene Hochzeitsfeier zu organisieren", schreibt sie und gibt dem besorgten Vater recht. Es müsse nicht sein, sechs- und achtjährige Kinder zur Hochzeit einzuladen. "Ihre Töchter können die Situation Erwachsener nicht richtig einschätzen", findet Eggert und gibt dem Mann sogleich ihren Ratschlag mit auf den Weg: "Sagen Sie Ihrem Bruder, dass Ihre Kinder an der Feier nicht teilnehmen, weil Sie nicht möchten, dass die Kinder verwirrt werden." Überschrieben wurde die Kolume zu allem Überfluss übrigens mit den Worten "Töchter schützen".
Verständlich, dass es nicht lange dauerte, bis sich in den sozialen Netzwerken der berühmt-berüchtigte Shitstorm über das "Westfalen-Blatt" ergoss. Am späten Nachmittag reagierte Redaktionsleiter Ulrich Windolph nun mit einer ausführlichen Stellungnahme. "Sehr selbstkritisch müssen wir einräumen, dass in der Kolumne so formuliert wird, dass der Text Kritik geradezu herausfordert. Das ist unzweifelhaft eine gravierende journalistische Fehlleistung, die die Redaktion in vollem Umfang zu verantworten hat", gab Windolph zu. "Wenn die Rede davon ist, dass die Kinder 'verwirrt werden' könnten, dann fehlt zwingend die Erklärung, woraus dies resultieren könnte - nämlich nicht aus dem Besuch einer Hochzeit zweier Männer an sich, sondern dadurch, dass den beiden Töchtern des Ratsuchenden bisher jegliche Aufklärung über Homosexualität fehlt."
Man bedauere es "außerordentlich", sollte die Einschätzung der Diplom-Psychologin die Gefühle verletzt haben. "Wir bitten dafür ausdrücklich um Entschuldigung und versichern, dass uns nichts ferner lag als das. Wir haben Verständnis dafür, wenn beim Lesen insbesondere der kurzen Fassung der Kolumne 'Guter Rat am Sonntag' der Verdacht der Homophobie entstehen konnte." Gleichzeitig wies das "Westfalen-Blatt" den Vorwurf der Schwulen- und Lesbenfeindlichkeit zurück. Und doch halte man die Entscheidung der Eltern "durchaus für legitim", auch wenn diese "für sich genommen diskussionswürdig" sei. Auch sei es im vorliegenden Fall um eine ganz konkrete Lebenssituation gegangen und nicht um eine generelle Handlungsempfehlung.
"Hier geht es nicht um meine Weltanschauung oder einen gesellschaftlichen Konflikt, sondern um ein ganz privates, nicht repräsentatives Problem eines verunsicherten Vaters", erklärte die Ratgeberin Barbara Eggert. "Ich habe ihm geschrieben, dass seine Kinder vielleicht nicht liberal genug erzogen wurden und ihm geraten, ein offenes Gespräch mit seinem Bruder zu suchen, um seinen Standpunkt zu erklären. Ich bin der Meinung, dass man alle Menschen ernst nehmen und respektieren muss, auch die, und gerade die, die anders denken als man selbst, alles andere würde mir intolerant erscheinen." Warum das nicht auch in der Kolumne erwähnt wurde, bleibt allerdings im Unklaren.