Der Name Roger Schawinski ist in Deutschland mit Sat.1 verbunden. Von Dezember 2003 bis Dezember 2006 leitete er die Geschicke des damals noch in Berlin beheimateten Privatsenders. Unter seiner Führung erlebt der Sender eine seitdem nicht wieder erlebte Blütezeit, die ganz wesentlich auf den Erfolg der Telenovela „Verliebt in Berlin“ zurückzuführen ist. Doch Roger Schawinski ist auch jener Sat.1-Geschäftsführer, der Harald Schmidt in die Flucht geschlagen hat. Diesen Eindruck kultivierte Harald Schmidt bei seinem damals so plötzlichen Abschied.

Doch der gebürtige Zürcher Roger Schawinski hat viele Karrieren - darin ähneln sich der Schweizer und Schmidt. Seit 2011 moderiert er im Schweizer Fernsehen eine wöchentliche Talkshow. Zu Gast bei „Schawinski“ auf SRF1 war an diesem Montag: Harald Schmidt. Es wurde ein bemerkenswertes Aufeinandertreffen zweier Menschen mit wettbewerbsfähigen Egos. Gastgeber Schawinski füttert das zu Beginn mit einer Lobhudelei auf Schmidt, der wiederum beteuert, seine LateNight-Show nicht zu vermissen: „Ich habe jetzt die Show bald seit einem Jahr nicht mehr und ich bin überrascht, wie weit es schon für mich zurückliegt und dass es mir eigentlich überhaupt nicht fehlt.“

Nach ein bisschen Geplänkel kommt dann die aus Branchensicht spannende Aufarbeitung, die einen großen Teil der knapp halbstündigen Talkshow einnimmt. „Wir haben eine kleine gemeinsame Geschichte - auf die müssten wir eingehen“, leitet Roger Schawinski ein. „An meinem ersten Arbeitstag bei Sat.1 kündigte Harald Schmidt an, dass er seine legendäre Talkshow aufgibt - und das wurde vom deutschen Feuilleton am nächsten Tag gefeiert wie wenn Goethe und Schiller gleichzeitig gestorben wären. Anke Engelke hat gesagt ‚Gott ist tot‘. Das hast Du gut hingekriegt.“

Mehr zum Thema

„Ja, das war gar nicht so beabsichtigt. Das wurde auch immer in Kombination mit Deiner Person gesehen. Aber wir kannten uns ja gar nicht“, sagt Schmidt. „Bei mir war einfach der Punkt: Es kommt ein neuer Eigentümer; es kommt eine neue Führungsmannschaft - ich war ermattet. Ich habe aber dem neuen Eigentümer Haim Saban noch eine faire Chance gegeben“, erzählt der ehemalige Chefzyniker der Nation weiter. Er habe sich mit Saban in einem Hotel in Wiesbaden getroffen, sagt Schmidt. Um eine Gehaltserhöhung zu verlangen, scherzt Schawinski. „Ich habe ihn nicht überlastet mit der Formulierung: Ich habe gesagt, ich möchte das Doppelte. Er hat aber nicht hingehört und guckte auf sein Blackberry.“

Schawinski

Schmidt über Haim Saban: „Er wusste nicht viel vom deutschen Show-Geschäft, aber er kaufte sich eine Trachtenjacke, sagte ‚Ich möchte lang bleiben‘; war nach zwei Jahren mit kolportierten 3 Milliarden Euro Gewinn wieder weg. Glückwunsch an die deutschen Verleger und die deutsche Politik, die sich vor ihm verneigt haben.“ Mit wahnsinnigem Gespür für Timing und Bescheidenheit merkt Roger Schawinski an, dass er als Sat.1-Geschäftsführer einen großen Teil dazubeigetragen habe. Und steuert noch eine Saban-Anekdote bei: „Kommissar Rex“ müsse im Programm bleiben, habe Haim Saban zu seiner Sat.1-Zeit gesagt. Weil er Falcos „Der Kommissar“ kannte.

Schawinski nutzt die Bühne seiner eigenen Talkshow. Er badet noch ein wenig im Lichte der Prominenz seines Gastes und führt mit kurzen Videoausschnitten aus der „Harald Schmidt Show“ vor, wie Schmidt ihn, den damals neuen Sat.1-Chef, bei seinem spektakulären Abschied vom Sender vorgeführt hat. Es wird zum Boomerang, denn Harald Schmidt wiegelt ab. „Dein Einstieg wurde ja durch mein Intro Fernsehgeschichte, sonst wärst Du vergessen wie alle 421 Geschäftsführer von Sat.1, die es pro Jahr gab. Und jetzt wird man immer sagen: Donnerwetter. Und was lese ich heute: ‚Die beiden Titanen; sie treffen sich. Sie können sich nicht ausstehen.‘“, sagt Schmidt und fragt: „Sehen so zwei Menschen aus, die sich nicht ausstehen können?“ Kurze Pause. „Ja“. Schmidt lacht, Schawinski auch.

Er attestiert Schmidt, sich nach dem Abschied von Sat.1 nicht galant benommen zu haben. Kaum sei er weg gewesen von Sat.1, habe er den Begriff des Unterschichtenfernsehen geprägt. Es gebe da ein italienisches Sprichwort, so der Gastgeber: „In den Teller, aus dem man gegessen hat, spuckt man nicht rein.“ Schmidt weicht aus, geht mehr auf den Ursprung des Begriffs ein als auf den unterstellten Opportunismus. Ob er denn dann bei der ARD quasi zum Oberschichtenfernsehen gegangen sei? „Nö, das kann man so nicht sagen. Zum Staatsfernsehen.“ Weil er sich dort als Bildungsbürger besser aufgehoben gefühlt habe? Schmidt: „Dachte ich. Das war mein großer Irrtum, mein ganz großer Irrtum.“

„Ich dachte ich profitiere unglaublich von dieser unglaublich politisch wachen Klasse, die sich die ‚Tagesthemen‘ anschaut. Aber da haben die alle schon geschlafen und wer noch nicht geschlafen hat, ist in den ‚Tagesthemen‘ selber eingeschlafen. Danach kam noch ein Trailer über armenische Frauenhäuser, die rückwärtssprechende Pantomime aufführen. Dann kamen noch zwei ‚Tatort‘-Trailer und die Glückslotterie und um Null Uhr Blumenkohl kam ich. Da war ein Fehler, der aber auch gemacht werden musste“, so Schmidt am Montagabend in der SRF1-Talkshow „Schawinski“.

 

"Es war wahrscheinlich der Wunsch nach Selbstzerstörung - zu Höchsttarifen"

Harald Schmidt über seinen Wechsel zur ARD

 

Gastgeber Roger Schawinski analysiert die Fehler bei Schmidts ARD-Gastspiel: Die fehlende Regelmäßigkeit; die geringe Frequenz; die wechselnden Sendeplätze. Der sagt: „Lass es uns philosophisch auf eine andere Ebene heben: Es war wahrscheinlich der Wunsch nach Selbstzerstörung - zu Höchsttarifen.“ Das glaube er nicht, wirft Schawinski ein. „Das ist ja wurscht. Du machst, was du machst. Und hinterher musst du es ideologisch unterfüttern.“

Seine Rückkehr zu Sat.1 sei nicht schwer zu rechtfertigen, erklärt Schmidt auf Kritik von Schawinski: „Da finden wir im Bausatz der Erklärungsversatzstücke schon Formulierungen.“ Aber man habe bei Sat.1 das Gefühl gehabt, alles sei auserzählt, führt Schawinski aus. „Ein sehr schönes Wort“, unterbricht Schmidt. „Das wendet man Schauspielern gegenüber an, wenn sie aus der Serie fliegen. Aber ‚auserzäht‘ gefällt mir. Es war schon sehr lange auserzählt. Es war 10 Jahre lang auserzählt, aber die Kameras liefen weiter.“

Schawinski

Und die Zuschauer davon, wie Schawinski anmerkt. „Entschuldigung, aber Quote kann doch jeder machen. Ist Quote nicht was für den Pöbel, für den Mob?“, fragt Schmidt. „Hast Du Quote? Du hast doch keine Quote nötig. Du heizt den Bossen da oben ein und wenn sie Dir blöd kommen, dann sagst Du: ‚Bingo, ich bin Roger‘“ Neid auf erfolgreichere Comedians oder Moderatoren habe er nie gehabt, sagt Schmidt. Das sei auch nie nötig gewesen. „Ich hatte immer einen Senderchef, der glaubte er wäre intellektuell in anderen Sphären, wenn er mir einen Vertrag gibt.“



Bevor sich Schmidt zum Ende der Sendung auffallend deutlich um jede Stellungnahme zu Jan Böhmermann drückt und stattdessen noch einmal in altbekannter Manier diverse aktuelle Schlagzeilen kommentiert, geht es noch kurz um das deutsche Unterhaltungsfernsehen in seiner Gänze. Sei eine Neuauflage von „Dalli, Dalli“ nicht die ultimative Kapitulation? „Ja, ich finde schon“, sagt Harald Schmidt und meint: „Diese Show, diese Art von Show wiederholen zu wollen, ist eine Bankrotterklärung. Wir leben im digitalen Zeitalter. Da muss mal ein 20-Jähriger ran, der den Laden auf den Kopf stellt“, sagt Harald Schmidt - und fliegt heute zum nächsten Dreh fürs „Traumschiff“.