"Durch uns hat der Kindermarkt neue Wachstumssignale bekommen." Selbstbewusst, aber bisweilen auch selbstkrtisch gab sich Lars Wagner am Mittwochabend in Hamburg mit Blick auf die ersten Monate des Disney Channels im frei empfangbaren Fernsehen. Tatsächlich hat sein Sender einen ordentlichen Start hingelegt: Auf knapp neun Prozent Marktanteil bringt es der Disney Channel bislang tagsüber in der Kernzielgruppe der 3- bis 13-Jährigen, ist damit allerdings nach wie vor nur die vierte Kraft unter den Kindersendern. Das möchte Wagner nur allzu gerne ändern und nannte auf der Pressekonferenz die 10-Prozent-Hürde als Ziel. Dass dieses Ziel nicht unerreichbar ist, habe in der Vergangenheit etwa ein Thementag zum Geburtstag von Disney-Star Donald Duck gezeigt, der im Schnitt auf sehr gute 15,1 Prozent Marktanteil gekommen war.
Doch es sind gar nicht so sehr die Kinderprogramme, die Wagner und seinen Programmchef Ralf Gerhardt in diesen Tagen umtreiben. Fast ein Jahr nach dem Sendestart offenbart sich ein Dilemma, mit dem sich auch Hauptkonkurrent Super RTL herumärgern muss: Es ist nämlich nicht so einfach, die Großen anzusprechen, wenn die Kids ins Bett gehen. Bei 0,9 Prozent liegt der Marktanteil aktuell in der Primetime bei den 14- bis 49-Jährigen - eine Eins vor dem Komma ist die kurzfristige Zielsetzung, sagte Wagner und ergänzte: "Wir müssen mehr dafür tun, häufiger ins Relevant Set zu rutschen." Damit das gelingt, hat der Disney Channel eine Werbekampagne gestartet, die mit Micky Mäusen nichts am Hut an. "Mehr als du erwartest" lautet der Claim, der nun in die Köpfe der potenziellen Zuschauer kommen soll.
Allerdings ist inzwischen auch klar, was die Zuschauer nicht mehr vom Disney Channel zu erwarten haben: Von Familienshows will man künftig die Finger lassen, sagte Ralf Gerhardt mit Blick auf "Family Time" - eine teure Studioproduktion, die letztlich fast niemand sehen wollte. 2014 sei das Jahr des Abschaffens der Familienshows, stellte er fast schon ernüchternd fest. Erst in einigen Jahren sei ein erneuter Versuch in diese Richtung vorstellbar. Doch auch die übrigen Eigenproduktionen erwiesen sich bislang aus Quotensicht nicht als Hits für den Sender. Zuletzt enttäuschte Jan Köppens lobenswerte "Mission Freundlichkeit" mit gerade mal 0,3 Prozent Marktanteil auf ganzer Linie.
Insgesamt vier Doku-Formate hat der Disney Channel seit Anfang des Jahres getestet, doch ein Publikumserfolg war nicht dabei, wie Gerhardt in Hamburg dann auch unumwunden zugab. Noch vor Weihnachten soll eine Marktforschung nun Aufschluss darüber geben, wie man in diesem Bereich weiter verfahren möchte. Bessere Quoten erhoffen sich die Verantwortlichen des Senders nun erst mal von Steven Gätjen, der an Ende November mit der Rankingshow "Disney Magic Moments" alte Erinnerungen auffrischen möchte. Das sieht in erster Linie so aus, dass Promis wie Jeanette Biedermann oder Ralf Bauer in einer Bluebox Szenen aus diversen Disney-Filme kommentieren. Ganz so ambitioniert wie die bisherigen Eigenformate wirkt das freilich nicht - in diesem Punkt ist die anfängliche Euphorie somit gewissermaßen abgeflaut.
Kein Wunder also, dass der Dienstagabend mit Beginn des neuen Jahres in einen Serienabend umgewandelt werden soll. Hier ist unter anderem die US-Produktion "Chasing Life" eingeplant. Insgesamt werden in den kommenden Monaten gleich sieben Serien in der Primetime als deutsche Erstausstrahlung. Den Anfang macht bereits am 17. November die von Jennifer Lopez koproduzierte Serie "The Fosters". Hinzu kommen "The Lying Game", "Jane by Design" und "Cedar Cove" mit Andie MacDowell in der Hauptrolle. Die beim US-Sender The CW ausgestrahlte Serie "Star-Crossed", die eine Art Romeo-und-Julia-Geschichte mit einem Außerirdischen erzählt, soll im Sommer als Event programmiert werden. Für den Mittwochabend, der auch weiterhin mit Comedy bespielt werden soll, hat sich der Disney Channel die kanadische Serie "Seed" besorgt, in deren Mittelpunkt ein Mann steht, der sich während seiner Studienzeit nebenher als Samenspender ein paar Dollar verdiente.
Auch "Die Goldbergs", die in einer zweite Staffel geschickt werden, sollen beim Disney Channel ihre Premiere feiern. Darüber hinaus geht's mit "Switched at Birth" und "Baby Daddy" weiter. Am späten Abend sollen es derweil bekannte Serien wie "Scrubs" und "Friends" richten. Diese seien "eine wertvolle Ergänzung", so Programmchef Ralf Gerhardt. Freitags und samstags werden auch weiterhin die "Lieblingsfilme" ausgestrahlt - allerdings sollen durch auslaufende Verträge künftig mehr Disney-Produktionen Einzug halten. So sind etwa "Der König der Löwen", "Wall-E" oder "Findet Nemo" fest eingeplant. Allerdings zeigte sich zuletzt, dass große Namen alleine noch nicht unbedingt für eine große Quote sorgen. "Cars" - im vergangenen Jahr mit mehr als 40 Prozent Marktanteil bei den Kindern ein Riesen-Erfolg für Super RTL - blieb beim Disney Channel kürzlich nur einstellig.
In der Daytime will Disney unter anderem mit neuen Folgen von "Phineas und Ferb", "Willkommen in Gravity Falls" und "Der ultimative Spider-Man" bei den jungen Zuschauern punkten. Sehr zufrieden gaben sich die Verantwortlichen des Senders mit der Entwicklung der Telenovela "Violetta", die am Vorabend konstant steigende Zuschauerzahlen vorweisen kann. Aber auch die von UFA Fiction produzierte Serie "Binny und der Geist" startete mit mehr als neun Prozent Marktanteil ordentlich. "Wir haben das Gefühl, eine Serie zu haben, die Schulhofpotenzial besitzt", freute sich Ralf Gerhardt und präsentierte mit Stolz die Abrufzahlen der Serie im Netz. Über 35.000 Abrufe zählt "Binny und der Geist" bereits. Es gibt also berechtigte Hoffnung auf steigende Quoten.
Und dann wäre da auch noch der Vorschulbereich, für den der Disney Channel mit "Julius Jr.", "Sheriff Callies Wilder Westen", "Jake und die Nimmerland-Piraten", "Sofia die Erste" und "Doc McStuffins, Spielzeugärztin" ebenfalls Nachschub parat hat. Nun muss sich zeigen, ob all das reicht, um es dauerhaft vor den Kollegen von Nickelodeon aufs Treppchen zu schaffen, die sich bislang wacker gegen die Disney-Konkurrenz behaupten. Super RTL und Kika werden vorerst jedenfalls kaum von der Spitze zu verdrängen sein.